Anschauen der kräftigen Natur! Eine hohe lange Thal-Kette, worin Wein und Öhl in Blüthendüften flossen, führte alle dem großen Rom entgegen. Eine Zeitlang durfte sie der Jüngling begleiten; endlich mußt' er zu einer langen Entfernung Herz und Auge von den Geliebten reissen, als über die grünen Thäler her schon die mächtige Peters-Kuppel herüber¬ glänzte und die Zypressen, stolz nur von Zy¬ pressen umgeben, das Gold des Abends auf den Zweigen trugen, ohne sie zu regen. Alle hatten das Auge am schönen Rom, aber ihr Herz war nur auf Isola bella, wo sie einan¬ der wiederzufinden versprachen.
117. Zykel.
Auf dem Wege nach Isola bella dacht' er seiner kriegerischen Stunde mit der heftigen Linda nach und dem Karakter dieser Kriegsgöt¬ tinn. Er erschrack über die steile Höhe, über welche er sich vor wenigen Tagen so weit her¬ übergebückt, da Linda so entschieden ist, nichts kennt als Leidenschaft oder Vernichtung. Und doch fand er jetzt in der Abkühlung ihre gebie¬
tende
Anſchauen der kräftigen Natur! Eine hohe lange Thal-Kette, worin Wein und Öhl in Blüthendüften floſſen, führte alle dem großen Rom entgegen. Eine Zeitlang durfte ſie der Jüngling begleiten; endlich mußt' er zu einer langen Entfernung Herz und Auge von den Geliebten reiſſen, als über die grünen Thäler her ſchon die mächtige Peters-Kuppel herüber¬ glänzte und die Zypreſſen, ſtolz nur von Zy¬ preſſen umgeben, das Gold des Abends auf den Zweigen trugen, ohne ſie zu regen. Alle hatten das Auge am ſchönen Rom, aber ihr Herz war nur auf Isola bella, wo ſie einan¬ der wiederzufinden verſprachen.
117. Zykel.
Auf dem Wege nach Isola bella dacht' er ſeiner kriegeriſchen Stunde mit der heftigen Linda nach und dem Karakter dieſer Kriegsgöt¬ tinn. Er erſchrack über die ſteile Höhe, über welche er ſich vor wenigen Tagen ſo weit her¬ übergebückt, da Linda ſo entſchieden iſt, nichts kennt als Leidenſchaft oder Vernichtung. Und doch fand er jetzt in der Abkühlung ihre gebie¬
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Anſchauen der kräftigen Natur! Eine hohe
lange Thal-Kette, worin Wein und Öhl in
Blüthendüften floſſen, führte alle dem großen
Rom entgegen. Eine Zeitlang durfte ſie der
Jüngling begleiten; endlich mußt' er zu einer
langen Entfernung Herz und Auge von den
Geliebten reiſſen, als über die grünen Thäler
her ſchon die mächtige Peters-Kuppel herüber¬
glänzte und die Zypreſſen, ſtolz nur von Zy¬
preſſen umgeben, das Gold des Abends auf
den Zweigen trugen, ohne ſie zu regen. Alle
hatten das Auge am ſchönen Rom, aber ihr
Herz war nur auf Isola bella, wo ſie einan¬
der wiederzufinden verſprachen.
117. Zykel.
Auf dem Wege nach I sola bella dacht' er
ſeiner kriegeriſchen Stunde mit der heftigen
Linda nach und dem Karakter dieſer Kriegsgöt¬
tinn. Er erſchrack über die ſteile Höhe, über
welche er ſich vor wenigen Tagen ſo weit her¬
übergebückt, da Linda ſo entſchieden iſt, nichts
kennt als Leidenſchaft oder Vernichtung. Und
doch fand er jetzt in der Abkühlung ihre gebie¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/236>, abgerufen am 19.05.2024.
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