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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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z. B. ganze Traumauslegebücher. -- Sein lieb¬
ster Umgang sey ihm sein Wolfshund gewesen,
mit dem er Stundenlang ordentlichen Diskurs
geführt und von dessen Murren er ernsthaft
behauptet, es klinge wie ein sehr ferner Don¬
ner. -- Gern sey er vor dem Spiegel gesessen
und habe sich in ein langes Gespräch mit sich
eingelassen; zuweilen hab' er in die camera
obscura
gesehen, dann schnell wieder in die
Gegend, um beide zu vergleichen, und habe
unoptisch genug behauptet, die laufenden re¬
gen Bilder der camera würden von der äus¬
sern Welt vergrößert, aber täuschend nachge¬
äfft. "Ein schlauer Vogel (setzte der Direktor
dazu) blieb's bei alle dem; verschiedene mei¬
ner Bekannten auf den benachbarten Rittersi¬
tzen ließen sich von ihm mahlen, weil er's wohl¬
feil gab; er wußte aber immer etwas ins Ge¬
sicht einzuschieben, daß einem die Physiognomie
ganz lächerlich oder einfältig vorkam; und das
hieß er sein Schmeicheln. Natürlich saß ihm in
die Länge nichts Honettes mehr."

"Wär' es mir verstattet, (fieng Wehmeier
an,) so würd' ich jetzt dem H. Grafen ein Fak¬

z. B. ganze Traumauslegebücher. — Sein lieb¬
ſter Umgang ſey ihm ſein Wolfshund geweſen,
mit dem er Stundenlang ordentlichen Diskurs
geführt und von deſſen Murren er ernſthaft
behauptet, es klinge wie ein ſehr ferner Don¬
ner. — Gern ſey er vor dem Spiegel geſeſſen
und habe ſich in ein langes Geſpräch mit ſich
eingelaſſen; zuweilen hab' er in die camera
obscura
geſehen, dann ſchnell wieder in die
Gegend, um beide zu vergleichen, und habe
unoptiſch genug behauptet, die laufenden re¬
gen Bilder der camera würden von der äus¬
ſern Welt vergrößert, aber täuſchend nachge¬
äfft. „Ein ſchlauer Vogel (ſetzte der Direktor
dazu) blieb's bei alle dem; verſchiedene mei¬
ner Bekannten auf den benachbarten Ritterſi¬
tzen ließen ſich von ihm mahlen, weil er's wohl¬
feil gab; er wußte aber immer etwas ins Ge¬
ſicht einzuſchieben, daß einem die Phyſiognomie
ganz lächerlich oder einfältig vorkam; und das
hieß er ſein Schmeicheln. Natürlich ſaß ihm in
die Länge nichts Honettes mehr.“

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an,) ſo würd' ich jetzt dem H. Grafen ein Fak¬

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[274/0286] z. B. ganze Traumauslegebücher. — Sein lieb¬ ſter Umgang ſey ihm ſein Wolfshund geweſen, mit dem er Stundenlang ordentlichen Diskurs geführt und von deſſen Murren er ernſthaft behauptet, es klinge wie ein ſehr ferner Don¬ ner. — Gern ſey er vor dem Spiegel geſeſſen und habe ſich in ein langes Geſpräch mit ſich eingelaſſen; zuweilen hab' er in die camera obscura geſehen, dann ſchnell wieder in die Gegend, um beide zu vergleichen, und habe unoptiſch genug behauptet, die laufenden re¬ gen Bilder der camera würden von der äus¬ ſern Welt vergrößert, aber täuſchend nachge¬ äfft. „Ein ſchlauer Vogel (ſetzte der Direktor dazu) blieb's bei alle dem; verſchiedene mei¬ ner Bekannten auf den benachbarten Ritterſi¬ tzen ließen ſich von ihm mahlen, weil er's wohl¬ feil gab; er wußte aber immer etwas ins Ge¬ ſicht einzuſchieben, daß einem die Phyſiognomie ganz lächerlich oder einfältig vorkam; und das hieß er ſein Schmeicheln. Natürlich ſaß ihm in die Länge nichts Honettes mehr.“ „Wär' es mir verſtattet, (fieng Wehmeier an,) ſo würd' ich jetzt dem H. Grafen ein Fak¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/286>, abgerufen am 22.11.2024.