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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Da ermannte sich der Mann und sagte, ich
will das haben was ich fürchtete; und Schop¬
pe trat näher an den breiten hohen Nebel und
siehe! es war (man hätte sich gern auf der
Stelle hineingebettet,) nur der längste Traum
vor dem längsten Schlaf, mehr nicht, was sie
Wahnsinn nennen. Geht man nun auf einige
Zeit z. B. in ein Irrhaus zum Scherz: so kann
man den Traum haben, lässet es sich sonst al¬
les so dazu an wie bei Manchem. Und dahinein
will ich nun allgemach sinken, in den Traum,
wo an der Zukunft die Dolchspitze abgebrochen
ist und an der Vergangenheit der Rost abge¬
wischt -- wo der Mensch ohne Stöhrung in dem
Schattenreich und dem Barataria-Eiland sei¬
ner Ideen das regierende Haus allein ist und
der Johann ohne Land und er wie ein Philosoph
alles macht was er denkt -- wo er auch sei¬
nen Körper aus den Wellen und Brandungen
der Aussenwelt zieht und Kälte, Hitze, Hunger,
Nervenschwäche und Schwindsucht und Wasser¬
sucht und Armuth ihn nicht mehr antasten und
den Geist keine Furcht, keine Sünde, kein Irr¬
thum im Irrhaus -- wo die 365 Träume jähr¬

Da ermannte ſich der Mann und ſagte, ich
will das haben was ich fürchtete; und Schop¬
pe trat näher an den breiten hohen Nebel und
ſiehe! es war (man hätte ſich gern auf der
Stelle hineingebettet,) nur der längſte Traum
vor dem längſten Schlaf, mehr nicht, was ſie
Wahnſinn nennen. Geht man nun auf einige
Zeit z. B. in ein Irrhaus zum Scherz: ſo kann
man den Traum haben, läſſet es ſich ſonſt al¬
les ſo dazu an wie bei Manchem. Und dahinein
will ich nun allgemach ſinken, in den Traum,
wo an der Zukunft die Dolchſpitze abgebrochen
iſt und an der Vergangenheit der Roſt abge¬
wiſcht — wo der Menſch ohne Stöhrung in dem
Schattenreich und dem Barataria-Eiland ſei¬
ner Ideen das regierende Haus allein iſt und
der Johann ohne Land und er wie ein Philoſoph
alles macht was er denkt — wo er auch ſei¬
nen Körper aus den Wellen und Brandungen
der Auſſenwelt zieht und Kälte, Hitze, Hunger,
Nervenſchwäche und Schwindſucht und Waſſer¬
ſucht und Armuth ihn nicht mehr antaſten und
den Geiſt keine Furcht, keine Sünde, kein Irr¬
thum im Irrhaus — wo die 365 Träume jähr¬

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[296/0308] Da ermannte ſich der Mann und ſagte, ich will das haben was ich fürchtete; und Schop¬ pe trat näher an den breiten hohen Nebel und ſiehe! es war (man hätte ſich gern auf der Stelle hineingebettet,) nur der längſte Traum vor dem längſten Schlaf, mehr nicht, was ſie Wahnſinn nennen. Geht man nun auf einige Zeit z. B. in ein Irrhaus zum Scherz: ſo kann man den Traum haben, läſſet es ſich ſonſt al¬ les ſo dazu an wie bei Manchem. Und dahinein will ich nun allgemach ſinken, in den Traum, wo an der Zukunft die Dolchſpitze abgebrochen iſt und an der Vergangenheit der Roſt abge¬ wiſcht — wo der Menſch ohne Stöhrung in dem Schattenreich und dem Barataria-Eiland ſei¬ ner Ideen das regierende Haus allein iſt und der Johann ohne Land und er wie ein Philoſoph alles macht was er denkt — wo er auch ſei¬ nen Körper aus den Wellen und Brandungen der Auſſenwelt zieht und Kälte, Hitze, Hunger, Nervenſchwäche und Schwindſucht und Waſſer¬ ſucht und Armuth ihn nicht mehr antaſten und den Geiſt keine Furcht, keine Sünde, kein Irr¬ thum im Irrhaus — wo die 365 Träume jähr¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/308>, abgerufen am 22.11.2024.