verdrüßlich und verstimmt, daß er leicht auf¬ brach und dieses Schäferleben um den einzigen Wolf verkürzte, der darin schlich. Lüstlinge hal¬ ten es unter vielen edlen Frauen, gedrückt von deren vielseitigen scharfen Beobachtungen, nie lange aus, obwohl leichter bei einer allein, weil sie diese zu verstricken hoffen. Was ihm am we¬ hesten that, war, daß er sie alle für Heuchle¬ rinnen erklären mußte. Er fand keine gute Weiber, weil er keine glaubte; da man sie glau¬ ben muß, um sie da zu sehen wo sie sind; so wie die Tugend üben, um sie zu kennen, nicht umgekehrt.
Mit ihm schien eine schwarze Wolke aus diesem Eden und Äther wegzuziehen. Die Mi¬ nisterinn erhielt eine Karte von ihrem Sohne Roquairol, der eben angekommen, und gieng auch -- zu Juliennens Freude, die an ihr ein kleines Hinderniß ihres Bekehrungsplans für Linda fand, weil diese die Ministerinn für eine einseitige, enge, bängliche, unnachgiebige Na¬ tur ansah. Idoine bat die beiden Jungfrauen, ihr kleines Reich mit ihr zu bereisen. Sie gien¬ gen hinab ins reine weite Dorf. Auf den Trep¬
verdrüßlich und verſtimmt, daß er leicht auf¬ brach und dieſes Schäferleben um den einzigen Wolf verkürzte, der darin ſchlich. Lüſtlinge hal¬ ten es unter vielen edlen Frauen, gedrückt von deren vielſeitigen ſcharfen Beobachtungen, nie lange aus, obwohl leichter bei einer allein, weil ſie dieſe zu verſtricken hoffen. Was ihm am we¬ heſten that, war, daß er ſie alle für Heuchle¬ rinnen erklären mußte. Er fand keine gute Weiber, weil er keine glaubte; da man ſie glau¬ ben muß, um ſie da zu ſehen wo ſie ſind; ſo wie die Tugend üben, um ſie zu kennen, nicht umgekehrt.
Mit ihm ſchien eine ſchwarze Wolke aus dieſem Eden und Äther wegzuziehen. Die Mi¬ niſterinn erhielt eine Karte von ihrem Sohne Roquairol, der eben angekommen, und gieng auch — zu Juliennens Freude, die an ihr ein kleines Hinderniß ihres Bekehrungsplans für Linda fand, weil dieſe die Miniſterinn für eine einſeitige, enge, bängliche, unnachgiebige Na¬ tur anſah. Idoine bat die beiden Jungfrauen, ihr kleines Reich mit ihr zu bereiſen. Sie gien¬ gen hinab ins reine weite Dorf. Auf den Trep¬
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verdrüßlich und verſtimmt, daß er leicht auf¬
brach und dieſes Schäferleben um den einzigen
Wolf verkürzte, der darin ſchlich. Lüſtlinge hal¬
ten es unter vielen edlen Frauen, gedrückt von
deren vielſeitigen ſcharfen Beobachtungen, nie
lange aus, obwohl leichter bei einer allein, weil
ſie dieſe zu verſtricken hoffen. Was ihm am we¬
heſten that, war, daß er ſie alle für Heuchle¬
rinnen erklären mußte. Er fand keine gute
Weiber, weil er keine glaubte; da man ſie glau¬
ben muß, um ſie da zu ſehen wo ſie ſind; ſo
wie die Tugend üben, um ſie zu kennen, nicht
umgekehrt.
Mit ihm ſchien eine ſchwarze Wolke aus
dieſem Eden und Äther wegzuziehen. Die Mi¬
niſterinn erhielt eine Karte von ihrem Sohne
Roquairol, der eben angekommen, und gieng
auch — zu Juliennens Freude, die an ihr ein
kleines Hinderniß ihres Bekehrungsplans für
Linda fand, weil dieſe die Miniſterinn für eine
einſeitige, enge, bängliche, unnachgiebige Na¬
tur anſah. Idoine bat die beiden Jungfrauen,
ihr kleines Reich mit ihr zu bereiſen. Sie gien¬
gen hinab ins reine weite Dorf. Auf den Trep¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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