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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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nem Gedicht erfreuen! Aber ich weiß nicht, was
ich dagegen habe, daß es nun so in der wirk¬
lichen Wirklichkeit da ist?" --

"Was hat Ihnen (sagte Idoine scherzend)
diese genommen oder gethan? Ich liebe sie,
wo sind Sie für uns denn anders zu finden als
in der Wirklichkeit?" -- "Ich (sagte Julienne)
denke an etwas ganz anderes, man schämt sich
hier, daß man noch so wenig that bei allem
Wollen. Vom Wollen zum Thun ist's hier
doch weit (fügte sie dazu, indem sie den klei¬
nen Finger aufs Herz aufsetzte und die Hand
vergeblich nach dem Kopf ausspannte). Idoi¬
ne, sagen Sie mir, wie kann man denn ans
Große und Kleine zugleich denken?" -- "Wenn
man ans Größte zuerst denkt (sagte sie). Wenn
man in die Sonne hineinsieht, wird der Staub
und die Mücke am sichtbarsten. Gott ist ja un¬
ser aller Sonne."

Die Erden-Sonne stand ihnen jetzt tief auf
einer unabsehlichen Ebene unter milden Rosen
des Himmels entgegen -- eine ferne Wind¬
mühle schlug breit durch die schöne Purpur-
Gluth -- an den Bergabhängen sangen Kin¬

nem Gedicht erfreuen! Aber ich weiß nicht, was
ich dagegen habe, daß es nun ſo in der wirk¬
lichen Wirklichkeit da iſt?“ —

„Was hat Ihnen (ſagte Idoine ſcherzend)
dieſe genommen oder gethan? Ich liebe ſie,
wo ſind Sie für uns denn anders zu finden als
in der Wirklichkeit?“ — „Ich (ſagte Julienne)
denke an etwas ganz anderes, man ſchämt ſich
hier, daß man noch ſo wenig that bei allem
Wollen. Vom Wollen zum Thun iſt's hier
doch weit (fügte ſie dazu, indem ſie den klei¬
nen Finger aufs Herz aufſetzte und die Hand
vergeblich nach dem Kopf ausſpannte). Idoi¬
ne, ſagen Sie mir, wie kann man denn ans
Große und Kleine zugleich denken?“ — „Wenn
man ans Größte zuerſt denkt (ſagte ſie). Wenn
man in die Sonne hineinſieht, wird der Staub
und die Mücke am ſichtbarſten. Gott iſt ja un¬
ſer aller Sonne.“

Die Erden-Sonne ſtand ihnen jetzt tief auf
einer unabſehlichen Ebene unter milden Roſen
des Himmels entgegen — eine ferne Wind¬
mühle ſchlug breit durch die ſchöne Purpur-
Gluth — an den Bergabhängen ſangen Kin¬

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[331/0343] nem Gedicht erfreuen! Aber ich weiß nicht, was ich dagegen habe, daß es nun ſo in der wirk¬ lichen Wirklichkeit da iſt?“ — „Was hat Ihnen (ſagte Idoine ſcherzend) dieſe genommen oder gethan? Ich liebe ſie, wo ſind Sie für uns denn anders zu finden als in der Wirklichkeit?“ — „Ich (ſagte Julienne) denke an etwas ganz anderes, man ſchämt ſich hier, daß man noch ſo wenig that bei allem Wollen. Vom Wollen zum Thun iſt's hier doch weit (fügte ſie dazu, indem ſie den klei¬ nen Finger aufs Herz aufſetzte und die Hand vergeblich nach dem Kopf ausſpannte). Idoi¬ ne, ſagen Sie mir, wie kann man denn ans Große und Kleine zugleich denken?“ — „Wenn man ans Größte zuerſt denkt (ſagte ſie). Wenn man in die Sonne hineinſieht, wird der Staub und die Mücke am ſichtbarſten. Gott iſt ja un¬ ſer aller Sonne.“ Die Erden-Sonne ſtand ihnen jetzt tief auf einer unabſehlichen Ebene unter milden Roſen des Himmels entgegen — eine ferne Wind¬ mühle ſchlug breit durch die ſchöne Purpur- Gluth — an den Bergabhängen ſangen Kin¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/343>, abgerufen am 22.11.2024.