gern zu seiner Flucht aus Deutschland verwen¬ det hätte, mit dem kranken Freunde zu; und liebte ihn immer heftiger, je mehr er für ihn that und ausstand. Er wollt' es durchaus vom Schicksal nicht leiden, daß eine solche Welt voll Ideen ihrem Erdbrand und ein so freies Herz voll Redlichkeit dem letzten Schlage näher kom¬ me. Schoppe hatte in des Jünglings Herzen sogar noch ein größeres Reich als Dian; denn er nahm das Leben freier, tiefer, größer, mu¬ thiger; und wenn Dians Lebensgesetz Schön¬ heit war, so hieß seines Freiheit und er gieng, wie unser Sonnensystem, nach dem Gestirne des Herkules zu.
Aller Bitten ungeachtet nahm er keine Heil¬ mittel vom D. Sphex; denn er habe schon, sagt' er, sich einem alten bekannten Praktiker und Kreisphysikus anvertrauet, der Zeit. Er ver¬ stattete Sphexen gern, ein Rezept aufzusetzen, es zu bringen, sah es willig durch, disputirte über den Inhalt, merkte an, es sey leichter ein Gesundheitsrath zu seyn als einen Gesundheits¬ rath zu geben, und er sehe wohl, daß er sei¬ nen Zustand treffe, weil er ihn schwächend be¬
gern zu ſeiner Flucht aus Deutſchland verwen¬ det hätte, mit dem kranken Freunde zu; und liebte ihn immer heftiger, je mehr er für ihn that und ausſtand. Er wollt' es durchaus vom Schickſal nicht leiden, daß eine ſolche Welt voll Ideen ihrem Erdbrand und ein ſo freies Herz voll Redlichkeit dem letzten Schlage näher kom¬ me. Schoppe hatte in des Jünglings Herzen ſogar noch ein größeres Reich als Dian; denn er nahm das Leben freier, tiefer, größer, mu¬ thiger; und wenn Dians Lebensgeſetz Schön¬ heit war, ſo hieß ſeines Freiheit und er gieng, wie unſer Sonnenſyſtem, nach dem Geſtirne des Herkules zu.
Aller Bitten ungeachtet nahm er keine Heil¬ mittel vom D. Sphex; denn er habe ſchon, ſagt' er, ſich einem alten bekannten Praktiker und Kreisphyſikus anvertrauet, der Zeit. Er ver¬ ſtattete Sphexen gern, ein Rezept aufzuſetzen, es zu bringen, ſah es willig durch, diſputirte über den Inhalt, merkte an, es ſey leichter ein Geſundheitsrath zu ſeyn als einen Geſundheits¬ rath zu geben, und er ſehe wohl, daß er ſei¬ nen Zuſtand treffe, weil er ihn ſchwächend be¬
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gern zu ſeiner Flucht aus Deutſchland verwen¬
det hätte, mit dem kranken Freunde zu; und
liebte ihn immer heftiger, je mehr er für ihn
that und ausſtand. Er wollt' es durchaus vom
Schickſal nicht leiden, daß eine ſolche Welt voll
Ideen ihrem Erdbrand und ein ſo freies Herz
voll Redlichkeit dem letzten Schlage näher kom¬
me. Schoppe hatte in des Jünglings Herzen
ſogar noch ein größeres Reich als Dian; denn
er nahm das Leben freier, tiefer, größer, mu¬
thiger; und wenn Dians Lebensgeſetz Schön¬
heit war, ſo hieß ſeines Freiheit und er gieng,
wie unſer Sonnenſyſtem, nach dem Geſtirne
des Herkules zu.
Aller Bitten ungeachtet nahm er keine Heil¬
mittel vom D. Sphex; denn er habe ſchon, ſagt'
er, ſich einem alten bekannten Praktiker und
Kreisphyſikus anvertrauet, der Zeit. Er ver¬
ſtattete Sphexen gern, ein Rezept aufzuſetzen,
es zu bringen, ſah es willig durch, diſputirte
über den Inhalt, merkte an, es ſey leichter ein
Geſundheitsrath zu ſeyn als einen Geſundheits¬
rath zu geben, und er ſehe wohl, daß er ſei¬
nen Zuſtand treffe, weil er ihn ſchwächend be¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/487>, abgerufen am 22.11.2024.
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