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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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auch einmal ein ganzes Schlachtfeld voll Tod¬
ter untereinander reden lassen, in allen Spra¬
chen, zum Erstaunen des alten Generals.

"Wo war das?" fragte Siebenkäs. --
Der Spanier kam zu sich und versetzte: "ich
weiß es nicht; ist es denn wahr? Omnes, ho¬
mines sunt mendaces
, sagt die heil. Schrift."
-- "So wenig wahr (sagte Albano) als Euer
finsterer Geist!" -- "O Maria, nein (sagt'
er entschieden,) -- wenn ich etwas weissagte, so
macht' er ja, daß es doch eintraf; dann er¬
schien er mir und sagte: siehst Du, Peppo,
aber sage nur keine Wahrheit! -- Und in der
Nacht, da ich neben Euch nach Lilar gieng,
gieng, er unten im Thale als ein Mensch durch
die Luft hin." -- "Das sah ich auch, (sagte
Albano,) er schwebte weiter ohne sich zu re¬
gen." -- "Das war bloß einer (sagte Sieben¬
käs lächelnd) der in einem fortschwimmenden
Kahne mit versteckten Beinen stand und nichts
weiter." -- Da blickte der Spanier dieses Eben¬
bild der Leiche mit dem alten Grausen an, wo¬
mit er es bisher heimlich für den finstern Geist
selber gehalten, murmelte Albano ins Ohr:

auch einmal ein ganzes Schlachtfeld voll Tod¬
ter untereinander reden laſſen, in allen Spra¬
chen, zum Erſtaunen des alten Generals.

„Wo war das?“ fragte Siebenkäs. —
Der Spanier kam zu ſich und verſetzte: „ich
weiß es nicht; iſt es denn wahr? Omnes, ho¬
mines ſunt mendaces
, ſagt die heil. Schrift.”
— „So wenig wahr (ſagte Albano) als Euer
finſterer Geiſt!“ — „O Maria, nein (ſagt'
er entſchieden,) — wenn ich etwas weiſſagte, ſo
macht' er ja, daß es doch eintraf; dann er¬
ſchien er mir und ſagte: ſiehſt Du, Peppo,
aber ſage nur keine Wahrheit! — Und in der
Nacht, da ich neben Euch nach Lilar gieng,
gieng, er unten im Thale als ein Menſch durch
die Luft hin.“ — „Das ſah ich auch, (ſagte
Albano,) er ſchwebte weiter ohne ſich zu re¬
gen.“ — „Das war bloß einer (ſagte Sieben¬
käs lächelnd) der in einem fortſchwimmenden
Kahne mit verſteckten Beinen ſtand und nichts
weiter.“ — Da blickte der Spanier dieſes Eben¬
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mit er es bisher heimlich für den finſtern Geiſt
ſelber gehalten, murmelte Albano ins Ohr:

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[522/0534] auch einmal ein ganzes Schlachtfeld voll Tod¬ ter untereinander reden laſſen, in allen Spra¬ chen, zum Erſtaunen des alten Generals. „Wo war das?“ fragte Siebenkäs. — Der Spanier kam zu ſich und verſetzte: „ich weiß es nicht; iſt es denn wahr? Omnes, ho¬ mines ſunt mendaces, ſagt die heil. Schrift.” — „So wenig wahr (ſagte Albano) als Euer finſterer Geiſt!“ — „O Maria, nein (ſagt' er entſchieden,) — wenn ich etwas weiſſagte, ſo macht' er ja, daß es doch eintraf; dann er¬ ſchien er mir und ſagte: ſiehſt Du, Peppo, aber ſage nur keine Wahrheit! — Und in der Nacht, da ich neben Euch nach Lilar gieng, gieng, er unten im Thale als ein Menſch durch die Luft hin.“ — „Das ſah ich auch, (ſagte Albano,) er ſchwebte weiter ohne ſich zu re¬ gen.“ — „Das war bloß einer (ſagte Sieben¬ käs lächelnd) der in einem fortſchwimmenden Kahne mit verſteckten Beinen ſtand und nichts weiter.“ — Da blickte der Spanier dieſes Eben¬ bild der Leiche mit dem alten Grauſen an, wo¬ mit er es bisher heimlich für den finſtern Geiſt ſelber gehalten, murmelte Albano ins Ohr:

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/534>, abgerufen am 22.11.2024.