Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

und sie giengen nahe vor den musivischen Rie¬
sen, den farbigen breiten Wolken am Himmel
des Doms vorbei. Während sie in der hohen
Wölbung stiegen, blinkte immer röther Auro¬
rens Goldschaum an den Fenstern und Feuer
und Nacht schwammen im Gewölb' in ein¬
ander.

Sie eilten höher und blickten hinaus, da
schon ein einziger Lebensstrahl wie aus einem
Auge hinter dem Gebürg in die Welt zückte
-- um den alten Albaner rauchten hundert glü¬
hende Wolken, als gebähre sein kalter Krater
wieder einen Flammentag und die Adler flo¬
gen mit goldnen in die Sonne getauchten Flü¬
geln langsam über die Wolken. -- Plötzlich
stand der Sonnengott auf dem schönen Ge¬
bürg, er lichtete sich auf im Himmel und riß
das Netz der Nacht von der bedeckten Erde
weg; da brannten die Obelisken und das Co¬
liseum und Rom von Hügel zu Hügel, und auf
der einsamen Campagna funkelte in vielfachen
Windungen die gelbe Riesenschlange der Welt,
die Tiber -- alle Wolken zerliefen in die Tie¬
fen des Himmels und goldnes Licht rann von

und ſie giengen nahe vor den muſiviſchen Rie¬
ſen, den farbigen breiten Wolken am Himmel
des Doms vorbei. Während ſie in der hohen
Wölbung ſtiegen, blinkte immer röther Auro¬
rens Goldſchaum an den Fenſtern und Feuer
und Nacht ſchwammen im Gewölb' in ein¬
ander.

Sie eilten höher und blickten hinaus, da
ſchon ein einziger Lebensſtrahl wie aus einem
Auge hinter dem Gebürg in die Welt zückte
— um den alten Albaner rauchten hundert glü¬
hende Wolken, als gebähre ſein kalter Krater
wieder einen Flammentag und die Adler flo¬
gen mit goldnen in die Sonne getauchten Flü¬
geln langſam über die Wolken. — Plötzlich
ſtand der Sonnengott auf dem ſchönen Ge¬
bürg, er lichtete ſich auf im Himmel und riß
das Netz der Nacht von der bedeckten Erde
weg; da brannten die Obelisken und das Co¬
liſeum und Rom von Hügel zu Hügel, und auf
der einſamen Campagna funkelte in vielfachen
Windungen die gelbe Rieſenſchlange der Welt,
die Tiber — alle Wolken zerliefen in die Tie¬
fen des Himmels und goldnes Licht rann von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="85"/>
und &#x017F;ie giengen nahe vor den mu&#x017F;ivi&#x017F;chen Rie¬<lb/>
&#x017F;en, den farbigen breiten Wolken am Himmel<lb/>
des Doms vorbei. Während &#x017F;ie in der hohen<lb/>
Wölbung &#x017F;tiegen, blinkte immer röther Auro¬<lb/>
rens Gold&#x017F;chaum an den Fen&#x017F;tern und Feuer<lb/>
und Nacht &#x017F;chwammen im Gewölb' in ein¬<lb/>
ander.</p><lb/>
          <p>Sie eilten höher und blickten hinaus, da<lb/>
&#x017F;chon ein einziger Lebens&#x017F;trahl wie aus einem<lb/>
Auge hinter dem Gebürg in die Welt zückte<lb/>
&#x2014; um den alten Albaner rauchten hundert glü¬<lb/>
hende Wolken, als gebähre &#x017F;ein kalter Krater<lb/>
wieder einen Flammentag und die Adler flo¬<lb/>
gen mit goldnen in die Sonne getauchten Flü¬<lb/>
geln lang&#x017F;am über die Wolken. &#x2014; Plötzlich<lb/>
&#x017F;tand der Sonnengott auf dem &#x017F;chönen Ge¬<lb/>
bürg, er lichtete &#x017F;ich auf im Himmel und riß<lb/>
das Netz der Nacht von der bedeckten Erde<lb/>
weg; da brannten die Obelisken und das Co¬<lb/>
li&#x017F;eum und Rom von Hügel zu Hügel, und auf<lb/>
der ein&#x017F;amen Campagna funkelte in vielfachen<lb/>
Windungen die gelbe Rie&#x017F;en&#x017F;chlange der Welt,<lb/>
die Tiber &#x2014; alle Wolken zerliefen in die Tie¬<lb/>
fen des Himmels und goldnes Licht rann von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0097] und ſie giengen nahe vor den muſiviſchen Rie¬ ſen, den farbigen breiten Wolken am Himmel des Doms vorbei. Während ſie in der hohen Wölbung ſtiegen, blinkte immer röther Auro¬ rens Goldſchaum an den Fenſtern und Feuer und Nacht ſchwammen im Gewölb' in ein¬ ander. Sie eilten höher und blickten hinaus, da ſchon ein einziger Lebensſtrahl wie aus einem Auge hinter dem Gebürg in die Welt zückte — um den alten Albaner rauchten hundert glü¬ hende Wolken, als gebähre ſein kalter Krater wieder einen Flammentag und die Adler flo¬ gen mit goldnen in die Sonne getauchten Flü¬ geln langſam über die Wolken. — Plötzlich ſtand der Sonnengott auf dem ſchönen Ge¬ bürg, er lichtete ſich auf im Himmel und riß das Netz der Nacht von der bedeckten Erde weg; da brannten die Obelisken und das Co¬ liſeum und Rom von Hügel zu Hügel, und auf der einſamen Campagna funkelte in vielfachen Windungen die gelbe Rieſenſchlange der Welt, die Tiber — alle Wolken zerliefen in die Tie¬ fen des Himmels und goldnes Licht rann von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/97
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/97>, abgerufen am 21.11.2024.