Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt nicht gerneabgeschafft wissen.zum Abendmahl zu gehen/ sie den Beicht-Pfennig gerne doppelt und vierfach entrichten würden. Allein die Geistlich- keit bauet nicht gerne auf etwas ungewisses. Sie meinet/ wenn die Beicht-Stühle nur etwas durchbohret sind/ so dürfften sie nach und nach gantz und gar einfallen. Dar- um sind sie so sehr daran/ daß alle und jede beichten sol- len. Daher lästert man auf diejenigen/ so die Beichte ver- werffen/ man machet sie zu Ketzern/ und ich weiß selbst nicht zu was. Der Theologische Haß ist einer von dem grösten. Man dichtet denen Gegnern solche Meinungen an/ die sie nimmermehr hegen. Man verdrehet die Be- schaffenheit des Streites. Man ziehet allerhand gefähr- liche Folgerungen daraus. Man rücket ihnen die Neue- rung als ein Laster für/ und dencket es müste nothwendig bey demjenigen/ was die Vorfahren gelehret/ sein Bewenden haben. Diejenigen aber/ so mit solchen Gründen angesto- chen kommen/ mögen die Worte Tertulliani wohl beher- tzigen/ so zu Teutsch also lauten a): Wieder die Wahrheit gilt keine Verjährung, keine Länge der Zeit, kein Ansehen der Person, keine Freyheit der Länder, denn von diesen hat die Gewohnheit den Anfang aus einer Unwissenheit oder Einfalt genommen, und ist nachmahls durch die Nachfolge zum Ge- brauch gediehen, und auf diese Weise soll sie wieder die Wahr- heit gelten. Aber unser HErr Christus hat sich die Wahr- heit und nicht die Gewohnheit genennet. Jedoch ich geden- cke a) Tertullianus de virgin. veland. sub init. Veritati nemo praescribe-
Wieder dis Wahrheit gilt keine Verjäh- rung.re potest, non spatium temporum, non patrocinium personarum, non priuilegia regionum, ex his enim fere consuetudo initium ab aliqua ignorantia vel simplicitate sortita, in vsum per successio- nem corrobaratur & ita, aduersus veritatem vindicatur.. Sed Dominus noster Christus, veritatem se, non consuetudinem cognominauit. b) Wo II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt nicht gerneabgeſchafft wiſſen.zum Abendmahl zu gehen/ ſie den Beicht-Pfennig gerne doppelt und vierfach entrichten wuͤrden. Allein die Geiſtlich- keit bauet nicht gerne auf etwas ungewiſſes. Sie meinet/ wenn die Beicht-Stuͤhle nur etwas durchbohret ſind/ ſo duͤrfften ſie nach und nach gantz und gar einfallen. Dar- um ſind ſie ſo ſehr daran/ daß alle und jede beichten ſol- len. Daher laͤſtert man auf diejenigen/ ſo die Beichte ver- werffen/ man machet ſie zu Ketzern/ und ich weiß ſelbſt nicht zu was. Der Theologiſche Haß iſt einer von dem groͤſten. Man dichtet denen Gegnern ſolche Meinungen an/ die ſie nimmermehr hegen. Man verdrehet die Be- ſchaffenheit des Streites. Man ziehet allerhand gefaͤhr- liche Folgerungen daraus. Man ruͤcket ihnen die Neue- rung als ein Laſter fuͤr/ und dencket es muͤſte nothwendig bey demjenigen/ was die Vorfahren gelehret/ ſein Bewenden haben. Diejenigen aber/ ſo mit ſolchen Gruͤnden angeſto- chen kommen/ moͤgen die Worte Tertulliani wohl beher- tzigen/ ſo zu Teutſch alſo lauten a): Wieder die Wahrheit gilt keine Verjaͤhrung, keine Laͤnge der Zeit, kein Anſehen der Perſon, keine Freyheit der Laͤnder, denn von dieſen hat die Gewohnheit den Anfang aus einer Unwiſſenheit oder Einfalt genommen, und iſt nachmahls durch die Nachfolge zum Ge- brauch gediehen, und auf dieſe Weiſe ſoll ſie wieder die Wahr- heit gelten. Aber unſer HErr Chriſtus hat ſich die Wahr- heit und nicht die Gewohnheit genennet. Jedoch ich geden- cke a) Tertullianus de virgin. veland. ſub init. Veritati nemo præſcribe-
Wieder dis Wahrheit gilt keine Verjaͤh- rung.re poteſt, non ſpatium temporum, non patrocinium perſonarum, non priuilegia regionum, ex his enim fere conſuetudo initium ab aliqua ignorantia vel ſimplicitate ſortita, in vſum per ſuccesſio- nem corrobaratur & ita, aduerſus veritatem vindicatur.. Sed Dominus noſter Chriſtus, veritatem ſe, non conſuetudinem cognominauit. b) Wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0253" n="234"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. Wenn und wie offt</hi></fw><lb/><note place="left">nicht gerne<lb/> abgeſchafft<lb/> wiſſen.</note>zum Abendmahl zu gehen/ ſie den Beicht-Pfennig gerne<lb/> doppelt und vierfach entrichten wuͤrden. Allein die Geiſtlich-<lb/> keit bauet nicht gerne auf etwas ungewiſſes. Sie meinet/<lb/> wenn die Beicht-Stuͤhle nur etwas durchbohret ſind/ ſo<lb/> duͤrfften ſie nach und nach gantz und gar einfallen. Dar-<lb/> um ſind ſie ſo ſehr daran/ daß alle und jede beichten ſol-<lb/> len. Daher laͤſtert man auf diejenigen/ ſo die Beichte ver-<lb/> werffen/ man machet ſie zu Ketzern/ und ich weiß ſelbſt<lb/> nicht zu was. Der <hi rendition="#aq">Theologi</hi>ſche Haß iſt einer von dem<lb/> groͤſten. Man dichtet denen Gegnern ſolche Meinungen<lb/> an/ die ſie nimmermehr hegen. Man verdrehet die Be-<lb/> ſchaffenheit des Streites. Man ziehet allerhand gefaͤhr-<lb/> liche Folgerungen daraus. Man ruͤcket ihnen die Neue-<lb/> rung als ein Laſter fuͤr/ und dencket es muͤſte nothwendig<lb/> bey demjenigen/ was die Vorfahren gelehret/ ſein Bewenden<lb/> haben. Diejenigen aber/ ſo mit ſolchen Gruͤnden angeſto-<lb/> chen kommen/ moͤgen die Worte <hi rendition="#aq">Tertulliani</hi> wohl beher-<lb/> tzigen/ ſo zu Teutſch alſo lauten <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Tertullianus <hi rendition="#i">de virgin. veland. ſub init.</hi> Veritati nemo præſcribe-</hi><lb/><note place="left">Wieder dis<lb/> Wahrheit gilt<lb/> keine Verjaͤh-<lb/> rung.</note><hi rendition="#aq">re poteſt, non ſpatium temporum, non patrocinium perſonarum,<lb/> non priuilegia regionum, ex his enim fere conſuetudo initium ab<lb/> aliqua ignorantia vel ſimplicitate ſortita, in vſum per ſuccesſio-<lb/> nem corrobaratur & ita, aduerſus veritatem vindicatur.. Sed<lb/> Dominus noſter Chriſtus, veritatem ſe, non conſuetudinem<lb/> cognominauit.</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b)</hi> Wo</fw></note>: <hi rendition="#fr">Wieder die Wahrheit<lb/> gilt keine Verjaͤhrung, keine Laͤnge der Zeit, kein Anſehen der<lb/> Perſon, keine Freyheit der Laͤnder, denn von dieſen hat die<lb/> Gewohnheit den Anfang aus einer Unwiſſenheit oder Einfalt<lb/> genommen, und iſt nachmahls durch die Nachfolge zum Ge-<lb/> brauch gediehen, und auf dieſe Weiſe ſoll ſie wieder die Wahr-<lb/> heit gelten. Aber unſer HErr Chriſtus hat ſich die Wahr-<lb/> heit und nicht die Gewohnheit genennet.</hi> Jedoch ich geden-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">cke</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0253]
II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt
zum Abendmahl zu gehen/ ſie den Beicht-Pfennig gerne
doppelt und vierfach entrichten wuͤrden. Allein die Geiſtlich-
keit bauet nicht gerne auf etwas ungewiſſes. Sie meinet/
wenn die Beicht-Stuͤhle nur etwas durchbohret ſind/ ſo
duͤrfften ſie nach und nach gantz und gar einfallen. Dar-
um ſind ſie ſo ſehr daran/ daß alle und jede beichten ſol-
len. Daher laͤſtert man auf diejenigen/ ſo die Beichte ver-
werffen/ man machet ſie zu Ketzern/ und ich weiß ſelbſt
nicht zu was. Der Theologiſche Haß iſt einer von dem
groͤſten. Man dichtet denen Gegnern ſolche Meinungen
an/ die ſie nimmermehr hegen. Man verdrehet die Be-
ſchaffenheit des Streites. Man ziehet allerhand gefaͤhr-
liche Folgerungen daraus. Man ruͤcket ihnen die Neue-
rung als ein Laſter fuͤr/ und dencket es muͤſte nothwendig
bey demjenigen/ was die Vorfahren gelehret/ ſein Bewenden
haben. Diejenigen aber/ ſo mit ſolchen Gruͤnden angeſto-
chen kommen/ moͤgen die Worte Tertulliani wohl beher-
tzigen/ ſo zu Teutſch alſo lauten a): Wieder die Wahrheit
gilt keine Verjaͤhrung, keine Laͤnge der Zeit, kein Anſehen der
Perſon, keine Freyheit der Laͤnder, denn von dieſen hat die
Gewohnheit den Anfang aus einer Unwiſſenheit oder Einfalt
genommen, und iſt nachmahls durch die Nachfolge zum Ge-
brauch gediehen, und auf dieſe Weiſe ſoll ſie wieder die Wahr-
heit gelten. Aber unſer HErr Chriſtus hat ſich die Wahr-
heit und nicht die Gewohnheit genennet. Jedoch ich geden-
cke
nicht gerne
abgeſchafft
wiſſen.
a) Tertullianus de virgin. veland. ſub init. Veritati nemo præſcribe-
re poteſt, non ſpatium temporum, non patrocinium perſonarum,
non priuilegia regionum, ex his enim fere conſuetudo initium ab
aliqua ignorantia vel ſimplicitate ſortita, in vſum per ſuccesſio-
nem corrobaratur & ita, aduerſus veritatem vindicatur.. Sed
Dominus noſter Chriſtus, veritatem ſe, non conſuetudinem
cognominauit.
b) Wo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |