Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
Studio in der Theologie.
§. XI.

Da nun über dieses/ die Gottes Männer selbstGlaubens
Sachen muß
ein jeder
selbst unter-
suchen.

die Untersuchung ihrer Lehre allen Christen zu gestanden/
warum solte es bey unserer Priesterschafft verbothen seyn?
Wir verdienten/ wenn wir solches thäten/ und blindlings
glaubten/ mit allen Recht/ daß man uns vorwürffe/ unser
Glaube dependirte von der Geistlichkeit. Man könte von
uns mit Recht sagen/ was die Heyden ehemahls denen ersten
Christen ohne Grund vorgeworffen/ daß wir alles aus einer
Leichtgläubigkeit ohne den geringsten Grund vor wahr hiel-
ten. (a) Also siehest du die erste Ursache/ warum ein Juriste
mit in die Theologie hinein gucken kan/ und solches auch von
Rechts wegen thun soll. Sagest du die Schrifft wäre in
Glaubens-articuln klar und deutlich. Jch gebe es zu. Jch
muß aber meines Glaubens gewiß seyn, und wissen was ich
glaube. Uber dieses aber so sind ja noch andere Sachen in
der Schrifft/ die nicht zu denen Glaubens-articuln gehören.
Dennoch aber ist es gut/ daß man auch davon Rede und Ant-
wort zu geben wisse. Vieles verdienet noch einer genauern Un-
tersuchung. Es ist auch durch fleißiges Forschen von vielen
manches an den Tag gebracht worden/ davon man vormahls
nichts gewust/ und so gehet es noch immerzu. Was wir heu-
tenicht ausmachen können/ bringet ein anderer morgen oder
zur andern Zeit an den Tag. (b)

§. XII.

Wenn nun ein Juriste seine Gedancken von ei-Also auch die
Juristen.

nigen Schrifftstellen entdecket/ so darff man ihn deswegen
nicht anfeinden. Solche Wahrheiten/ sind bey denen schwar-

tzen
(a) Vid. Origenes Lib. I. contr. Cell. p. 812. edit. Spencer. Denn da haben
die Heyden von denen Christen gesagt, daß sie nur diesen einschärfften: Me
exetaze, alla pisteuson.
(b) Daher saget Virgilius gar recht Lib. XI. Aeneid.
Multa dies variusque labor mutabilis aeui
Rettulit in melius.
b 3
Studio in der Theologie.
§. XI.

Da nun uͤber dieſes/ die Gottes Maͤnner ſelbſtGlaubens
Sachen muß
ein jeder
ſelbſt unter-
ſuchen.

die Unterſuchung ihrer Lehre allen Chriſten zu geſtanden/
warum ſolte es bey unſerer Prieſterſchafft verbothen ſeyn?
Wir verdienten/ wenn wir ſolches thaͤten/ und blindlings
glaubten/ mit allen Recht/ daß man uns vorwuͤrffe/ unſer
Glaube dependirte von der Geiſtlichkeit. Man koͤnte von
uns mit Recht ſagen/ was die Heyden ehemahls denen erſten
Chriſten ohne Grund vorgeworffen/ daß wir alles aus einer
Leichtglaͤubigkeit ohne den geringſten Grund vor wahr hiel-
ten. (a) Alſo ſieheſt du die erſte Urſache/ warum ein Juriſte
mit in die Theologie hinein gucken kan/ und ſolches auch von
Rechts wegen thun ſoll. Sageſt du die Schrifft waͤre in
Glaubens-articuln klar und deutlich. Jch gebe es zu. Jch
muß aber meines Glaubens gewiß ſeyn, und wiſſen was ich
glaube. Uber dieſes aber ſo ſind ja noch andere Sachen in
der Schrifft/ die nicht zu denen Glaubens-articuln gehoͤren.
Dennoch aber iſt es gut/ daß man auch davon Rede und Ant-
wort zu geben wiſſe. Vieles verdienet noch einer genauern Un-
terſuchung. Es iſt auch durch fleißiges Forſchen von vielen
manches an den Tag gebracht worden/ davon man vormahls
nichts gewuſt/ und ſo gehet es noch immerzu. Was wir heu-
tenicht ausmachen koͤnnen/ bringet ein anderer morgen oder
zur andern Zeit an den Tag. (b)

§. XII.

Wenn nun ein Juriſte ſeine Gedancken von ei-Alſo auch die
Juriſten.

nigen Schrifftſtellen entdecket/ ſo darff man ihn deswegen
nicht anfeinden. Solche Wahrheiten/ ſind bey denen ſchwar-

tzen
(a) Vid. Origenes Lib. I. contr. Cell. p. 812. edit. Spencer. Denn da haben
die Heyden von denen Chriſten geſagt, daß ſie nur dieſen einſchaͤrfften: Μὴ
ἐξέταζε, ἀλλὰ πίϛευσον.
(b) Daher ſaget Virgilius gar recht Lib. XI. Aeneid.
Multa dies variusque labor mutabilis æui
Rettulit in melius.
b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0032" n="13"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio</hi></hi> in der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Theologie.</hi></hi></hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">XI.</hi></head>
          <p>Da nun u&#x0364;ber die&#x017F;es/ die Gottes Ma&#x0364;nner &#x017F;elb&#x017F;t<note place="right">Glaubens<lb/>
Sachen muß<lb/>
ein jeder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t unter-<lb/>
&#x017F;uchen.</note><lb/>
die Unter&#x017F;uchung ihrer Lehre allen Chri&#x017F;ten zu ge&#x017F;tanden/<lb/>
warum &#x017F;olte es bey un&#x017F;erer Prie&#x017F;ter&#x017F;chafft verbothen &#x017F;eyn?<lb/>
Wir verdienten/ wenn wir &#x017F;olches tha&#x0364;ten/ und blindlings<lb/>
glaubten/ mit allen Recht/ daß man uns vorwu&#x0364;rffe/ un&#x017F;er<lb/>
Glaube <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">dependir</hi></hi><hi rendition="#fr">te von der Gei&#x017F;tlichkeit.</hi> Man ko&#x0364;nte von<lb/>
uns mit Recht &#x017F;agen/ was die Heyden ehemahls denen er&#x017F;ten<lb/>
Chri&#x017F;ten ohne Grund vorgeworffen/ daß wir alles aus einer<lb/><hi rendition="#fr">Leichtgla&#x0364;ubigkeit</hi> ohne den gering&#x017F;ten Grund vor wahr hiel-<lb/>
ten. <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">Vid. Origenes <hi rendition="#i">Lib. I. contr. Cell. p. 812. edit. Spencer.</hi></hi> Denn da haben<lb/>
die Heyden von denen Chri&#x017F;ten ge&#x017F;agt, daß &#x017F;ie nur die&#x017F;en ein&#x017F;cha&#x0364;rfften: &#x039C;&#x1F74;<lb/>
&#x1F10;&#x03BE;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B6;&#x03B5;, &#x1F00;&#x03BB;&#x03BB;&#x1F70; &#x03C0;&#x03AF;&#x03DB;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C3;&#x03BF;&#x03BD;.</note> Al&#x017F;o &#x017F;iehe&#x017F;t du die er&#x017F;te Ur&#x017F;ache/ warum ein <hi rendition="#aq">Juri&#x017F;te</hi><lb/>
mit in die <hi rendition="#aq">Theologie</hi> hinein gucken kan/ und &#x017F;olches auch von<lb/>
Rechts wegen thun &#x017F;oll. Sage&#x017F;t du die Schrifft wa&#x0364;re in<lb/>
Glaubens-<hi rendition="#aq">articuln</hi> <hi rendition="#fr">klar und deutlich.</hi> Jch gebe es zu. Jch<lb/>
muß aber meines <hi rendition="#fr">Glaubens gewiß &#x017F;eyn,</hi> und wi&#x017F;&#x017F;en was ich<lb/>
glaube. Uber die&#x017F;es aber &#x017F;o &#x017F;ind <hi rendition="#aq">j</hi>a noch andere Sachen in<lb/>
der Schrifft/ die nicht zu denen Glaubens-<hi rendition="#aq">articuln</hi> geho&#x0364;ren.<lb/>
Dennoch aber i&#x017F;t es gut/ daß man auch davon Rede und Ant-<lb/>
wort zu geben wi&#x017F;&#x017F;e. Vieles verdienet noch einer genauern Un-<lb/>
ter&#x017F;uchung. Es i&#x017F;t auch durch fleißiges For&#x017F;chen von vielen<lb/>
manches an den Tag gebracht worden/ davon man vormahls<lb/>
nichts gewu&#x017F;t/ und &#x017F;o gehet es noch immerzu. Was wir heu-<lb/>
tenicht ausmachen ko&#x0364;nnen/ bringet ein anderer morgen oder<lb/>
zur andern Zeit an den Tag. <note place="foot" n="(b)">Daher &#x017F;aget <hi rendition="#aq">Virgilius</hi> gar recht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lib. XI. Aeneid.</hi><lb/>
Multa dies variusque labor mutabilis æui<lb/>
Rettulit in melius.</hi></note></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">XII.</hi></head>
          <p>Wenn nun ein <hi rendition="#aq">Juri&#x017F;te</hi> &#x017F;eine Gedancken von ei-<note place="right">Al&#x017F;o auch die<lb/><hi rendition="#aq">Juri&#x017F;t</hi>en.</note><lb/>
nigen Schrifft&#x017F;tellen entdecket/ &#x017F;o darff man ihn deswegen<lb/>
nicht anfeinden. Solche Wahrheiten/ &#x017F;ind bey denen &#x017F;chwar-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">tzen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0032] Studio in der Theologie. §. XI. Da nun uͤber dieſes/ die Gottes Maͤnner ſelbſt die Unterſuchung ihrer Lehre allen Chriſten zu geſtanden/ warum ſolte es bey unſerer Prieſterſchafft verbothen ſeyn? Wir verdienten/ wenn wir ſolches thaͤten/ und blindlings glaubten/ mit allen Recht/ daß man uns vorwuͤrffe/ unſer Glaube dependirte von der Geiſtlichkeit. Man koͤnte von uns mit Recht ſagen/ was die Heyden ehemahls denen erſten Chriſten ohne Grund vorgeworffen/ daß wir alles aus einer Leichtglaͤubigkeit ohne den geringſten Grund vor wahr hiel- ten. (a) Alſo ſieheſt du die erſte Urſache/ warum ein Juriſte mit in die Theologie hinein gucken kan/ und ſolches auch von Rechts wegen thun ſoll. Sageſt du die Schrifft waͤre in Glaubens-articuln klar und deutlich. Jch gebe es zu. Jch muß aber meines Glaubens gewiß ſeyn, und wiſſen was ich glaube. Uber dieſes aber ſo ſind ja noch andere Sachen in der Schrifft/ die nicht zu denen Glaubens-articuln gehoͤren. Dennoch aber iſt es gut/ daß man auch davon Rede und Ant- wort zu geben wiſſe. Vieles verdienet noch einer genauern Un- terſuchung. Es iſt auch durch fleißiges Forſchen von vielen manches an den Tag gebracht worden/ davon man vormahls nichts gewuſt/ und ſo gehet es noch immerzu. Was wir heu- tenicht ausmachen koͤnnen/ bringet ein anderer morgen oder zur andern Zeit an den Tag. (b) Glaubens Sachen muß ein jeder ſelbſt unter- ſuchen. §. XII. Wenn nun ein Juriſte ſeine Gedancken von ei- nigen Schrifftſtellen entdecket/ ſo darff man ihn deswegen nicht anfeinden. Solche Wahrheiten/ ſind bey denen ſchwar- tzen Alſo auch die Juriſten. (a) Vid. Origenes Lib. I. contr. Cell. p. 812. edit. Spencer. Denn da haben die Heyden von denen Chriſten geſagt, daß ſie nur dieſen einſchaͤrfften: Μὴ ἐξέταζε, ἀλλὰ πίϛευσον. (b) Daher ſaget Virgilius gar recht Lib. XI. Aeneid. Multa dies variusque labor mutabilis æui Rettulit in melius. b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/32
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/32>, abgerufen am 21.11.2024.