Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.bey dem Beicht-Wesen. Einer aber/ der die Beichte verachtet/ verachtet darum dasAbendmahl nicht. Es ist also ein Papistischer Streich/ wenn die Consistoria die Leute durch Straffen zur Beich- te zwingen, oder vorschreiben wollen/ wie offt man zur Beichte gehen soll. Alle Religion wird aufgehoben/ wenn man Zwang bey solcher braucht. Mit was vor Andacht wird einer beichten/ und wie wohl wird ihm die so genann- te tröstliche absolution zu statten kommen/ wenn er wieder Willen zur Beichte genöthiget wird. Dieserwegen halte ich es vor etwas unbilliges, wenn die geistliche Gerichte Leu- te/ so ohngebeichtet zum Abendmahl gehen wollen/ durch Gewalt zum Beicht-Stuhl zu zwingen gedencken. De- nen/ so meine Meinung nicht anständig/ gebe ich die Worte Tertulliani zu überlegen/ welche im Teutschen also lauten d): Das menschliche Recht, und die natürliche Gewalt bringet es mit sich, daß jederman dasjenige, was er will, ehren kan: Eines andern Religion bringet auch dem andern keinen Scha- den noch Nutzen. Es kommet auch überdieses der Religion nicht zu, die Religion zu zwingen, als welche freywillig, und nicht durch Gewalt muß angenommen werden: weil man auch das Opffer von einem willigen Gemüthe verlanget. Und pistisch, zum höchsten unbillig, und zu verwerffen. Mein was ist es vor eine Gottesfurcht, wenn einer aus Furcht der Straffen zum Abendmahl gehet? Eine recht erbarmenswürdige. Alles laufft auf eine Heucheley hinaus. d) Tertullianus ad scapulam cap. II. Humani juris & naturalis po-Tertulliani Meinung vom Religions. Zwang. testatis est vnicuique quod putauerit colere: nee alii obest aut prodest alterius religio. Sed nec religionis est, cogere religionem, quae sponte suscipi debeat, non vi: cum & hostiae ab animo li- benti expostulentur. Ita & si nos compuleritis nei sacrificandum, nihil praestabitis Diis vestris: ab inuitis enim sacrificia non de- siderabunt, nisi contentiosi sint: contentiosus autem DEVS non est. a) Man y y 2
bey dem Beicht-Weſen. Einer aber/ der die Beichte verachtet/ verachtet darum dasAbendmahl nicht. Es iſt alſo ein Papiſtiſcher Streich/ wenn die Conſiſtoria die Leute durch Straffen zur Beich- te zwingen, oder vorſchreiben wollen/ wie offt man zur Beichte gehen ſoll. Alle Religion wird aufgehoben/ wenn man Zwang bey ſolcher braucht. Mit was vor Andacht wird einer beichten/ und wie wohl wird ihm die ſo genann- te troͤſtliche abſolution zu ſtatten kommen/ wenn er wieder Willen zur Beichte genoͤthiget wird. Dieſerwegen halte ich es vor etwas unbilliges, wenn die geiſtliche Gerichte Leu- te/ ſo ohngebeichtet zum Abendmahl gehen wollen/ durch Gewalt zum Beicht-Stuhl zu zwingen gedencken. De- nen/ ſo meine Meinung nicht anſtaͤndig/ gebe ich die Worte Tertulliani zu uͤberlegen/ welche im Teutſchen alſo lauten d): Das menſchliche Recht, und die natuͤrliche Gewalt bringet es mit ſich, daß jederman dasjenige, was er will, ehren kan: Eines andern Religion bringet auch dem andern keinen Scha- den noch Nutzen. Es kommet auch uͤberdieſes der Religion nicht zu, die Religion zu zwingen, als welche freywillig, und nicht durch Gewalt muß angenommen werden: weil man auch das Opffer von einem willigen Gemuͤthe verlanget. Und piſtiſch, zum hoͤchſten unbillig, und zu verwerffen. Mein was iſt es vor eine Gottesfurcht, wenn einer aus Furcht der Straffen zum Abendmahl gehet? Eine recht erbarmenswuͤrdige. Alles laufft auf eine Heucheley hinaus. d) Tertullianus ad ſcapulam cap. II. Humani juris & naturalis po-Tertulliani Meinung vom Religions. Zwang. teſtatis eſt vnicuique quod putauerit colere: nee alii obeſt aut prodeſt alterius religio. Sed nec religionis eſt, cogere religionem, quæ ſponte ſuſcipi debeat, non vi: cum & hoſtiæ ab animo li- benti expoſtulentur. Ita & ſi nos compuleritis nei ſacrificandum, nihil præſtabitis Diis veſtris: ab inuitis enim ſacrificia non de- ſiderabunt, niſi contentioſi ſint: contentioſus autem DEVS non eſt. a) Man y y 2
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bey dem Beicht-Weſen.
Einer aber/ der die Beichte verachtet/ verachtet darum das
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wenn die Conſiſtoria die Leute durch Straffen zur Beich-
te zwingen, oder vorſchreiben wollen/ wie offt man zur
Beichte gehen ſoll. Alle Religion wird aufgehoben/ wenn
man Zwang bey ſolcher braucht. Mit was vor Andacht
wird einer beichten/ und wie wohl wird ihm die ſo genann-
te troͤſtliche abſolution zu ſtatten kommen/ wenn er wieder
Willen zur Beichte genoͤthiget wird. Dieſerwegen halte
ich es vor etwas unbilliges, wenn die geiſtliche Gerichte Leu-
te/ ſo ohngebeichtet zum Abendmahl gehen wollen/ durch
Gewalt zum Beicht-Stuhl zu zwingen gedencken. De-
nen/ ſo meine Meinung nicht anſtaͤndig/ gebe ich die Worte
Tertulliani zu uͤberlegen/ welche im Teutſchen alſo lauten d):
Das menſchliche Recht, und die natuͤrliche Gewalt bringet
es mit ſich, daß jederman dasjenige, was er will, ehren kan:
Eines andern Religion bringet auch dem andern keinen Scha-
den noch Nutzen. Es kommet auch uͤberdieſes der Religion
nicht zu, die Religion zu zwingen, als welche freywillig, und
nicht durch Gewalt muß angenommen werden: weil man
auch das Opffer von einem willigen Gemuͤthe verlanget.
Und
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d) Tertullianus ad ſcapulam cap. II. Humani juris & naturalis po-
teſtatis eſt vnicuique quod putauerit colere: nee alii obeſt aut
prodeſt alterius religio. Sed nec religionis eſt, cogere religionem,
quæ ſponte ſuſcipi debeat, non vi: cum & hoſtiæ ab animo li-
benti expoſtulentur. Ita & ſi nos compuleritis nei ſacrificandum,
nihil præſtabitis Diis veſtris: ab inuitis enim ſacrificia non de-
ſiderabunt, niſi contentioſi ſint: contentioſus autem DEVS
non eſt.
a) Man
(c) piſtiſch, zum hoͤchſten unbillig, und zu verwerffen. Mein
was iſt es vor eine Gottesfurcht, wenn einer aus Furcht der
Straffen zum Abendmahl gehet? Eine recht erbarmenswuͤrdige.
Alles laufft auf eine Heucheley hinaus.
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