Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu- guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd- licher kupferne Färbungen häufiger wurden1). Unter den Gliedern der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur- sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden2). Dass nicht die Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus, dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun- kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor- aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be- wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den Bewohnern der Hochebnen Enarea's und Kaffa's3). Allein andre Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe- wohner lichter angetroffen4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt werde, die Bergluft aber dunkele5). Noch entschiedener spricht die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten erscheint6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der
1)Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.
2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151--152.
3)Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49--50.
4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155.
5) Ausland. 1869. S. 954.
6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.
Haut und Haar des Menschen.
Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu- guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd- licher kupferne Färbungen häufiger wurden1). Unter den Gliedern der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur- sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden2). Dass nicht die Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus, dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun- kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor- aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be- wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den Bewohnern der Hochebnen Enarea’s und Kaffa’s3). Allein andre Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe- wohner lichter angetroffen4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt werde, die Bergluft aber dunkele5). Noch entschiedener spricht die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten erscheint6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der
1)Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.
2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151—152.
3)Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49—50.
4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155.
5) Ausland. 1869. S. 954.
6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0112"n="94"/><fwplace="top"type="header">Haut und Haar des Menschen.</fw><lb/><p>Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die<lb/>
Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf<lb/>
nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir<lb/>
nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu-<lb/>
guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens<lb/>
waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd-<lb/>
licher kupferne Färbungen häufiger wurden<noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.</note>. Unter den Gliedern<lb/>
der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den<lb/>
Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten<lb/>
gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der<lb/>
Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter<lb/>
wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur-<lb/>
sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen<lb/>
Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden<noteplace="foot"n="2)">Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151—152.</note>. Dass nicht die<lb/>
Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus,<lb/>
dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine<lb/>
Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die<lb/>
Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun-<lb/>
kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor-<lb/>
aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be-<lb/>
wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des<lb/>
Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den<lb/>
Bewohnern der Hochebnen Enarea’s und Kaffa’s<noteplace="foot"n="3)"><hirendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie. Bd. 1. S. 49—50.</note>. Allein andre<lb/>
Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe-<lb/>
wohner lichter angetroffen<noteplace="foot"n="4)">Abbadie bei <hirendition="#g">Quatrefages</hi>, Rapport, p. 155.</note> und ebenso bemerkt Munzinger, dass<lb/>
das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt<lb/>
werde, die Bergluft aber dunkele<noteplace="foot"n="5)">Ausland. 1869. S. 954.</note>. Noch entschiedener spricht<lb/>
die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der<lb/>
Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die<lb/>
Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die<lb/>
Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune<lb/>
Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten<lb/>
erscheint<noteplace="foot"n="6)">v. <hirendition="#g">Tschudi</hi>, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.</note>. Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[94/0112]
Haut und Haar des Menschen.
Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die
Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf
nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir
nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu-
guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens
waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd-
licher kupferne Färbungen häufiger wurden 1). Unter den Gliedern
der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den
Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten
gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der
Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter
wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur-
sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen
Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden 2). Dass nicht die
Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus,
dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine
Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die
Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun-
kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor-
aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be-
wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des
Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den
Bewohnern der Hochebnen Enarea’s und Kaffa’s 3). Allein andre
Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe-
wohner lichter angetroffen 4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass
das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt
werde, die Bergluft aber dunkele 5). Noch entschiedener spricht
die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der
Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die
Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die
Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune
Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten
erscheint 6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der
1) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.
2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151—152.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49—50.
4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155.
5) Ausland. 1869. S. 954.
6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/112>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.