Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die Urzustände des Menschengeschlechtes. wir in seiner Aufzählung auch die Eingebornen von Van DiemensLand, da Sir John nur den Bericht Abel Tasmans nachzuschlagen gebraucht hätte 1), um zu finden, dass bereits der erste Entdecker Rauchsäulen aus dem Innern der Insel habe aufsteigen sehen. Ganz genau so verhält es sich, wenn Lubbock den Bewohnern von Fakaafo die Bekanntschaft mit dem Feuer abspricht. Diese Süd- seeinsel gehört zur Unionsgruppe und liegt im Norden des Samoa- Archipels, dessen Bewohner wegen ihrer nautischen Geschicklich- keit und ihrer weiten Seefahrten die Navigatoren genannt worden sind und welche daher längst ihren Nachbarn auf Fakaafo das Feuer und die Feuerentzündung überbracht haben würden, wenn es nöthig gewesen wäre. Dass in der Mundart der Fakaafo- Leute dasselbe Wort für Feuer vorkommt, welches je nach den verschiedenen Tonarten der Malayen-Sprache api, afi, ahi lautet, wäre für jeden Anderen eine hinreichende Warnung gewesen 2). Sir John Lubbock dagegen beruhigt sein Gewissen mit der Aus- rede, das Wort möge, wie in der verschwisterten Maori-Sprache, nur für Licht und Hitze stehen. Zur Begründung seiner Behaup- tung kann er sich nur auf den bekannten amerikanischen See- fahrer Wilkes berufen, der auf Fakaafo Feuerplätze allenthalben vermisste und desshalb vermuthete, die Eingebornen möchten ihre Nahrung roh verzehren. Ein Jahr nach Veröffentlichung von Wilkes' Entdeckerbericht erschien jedoch das grosse Werk seines Begleiters Horatio Hale über die Südseesprachen. Dieser hoch- geschätzte Anthropolog bezeugt nicht nur, dass ein Wort für Feuer auf jener Insel vorhanden gewesen sei, sondern bemerkt ausdrück- lich, um Wilkes' Irrthum zu widerlegen, dass er und seine Ge- fährten am Abend vor der Landung eine Rauchsäule von Fakaafo haben aufsteigen sehen 3). Getrost vertreten wir daher den Satz, dass auf der ganzen Erde noch der Menschenstamm gefunden werden soll, der keinen Verkehr mit dem Feuer unterhielte. Das Feuer ist aber ein gelehriger und starker Gehilfe des 1) Burney, Discoveries, tom. III. p. 70. Uebrigens besassen die Tas- manier eine Sage über Herabkunft des Feuers. s. Tylor, Urgeschichte. S. 301. 2) Nach dem Wörterbuche zu Mariner's Tonga Islands bedeutet tolo-afi Feuer reiben und tolonga das Rinnenholz, in dem es gerieben wird. 3) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.
p. 149. Die Urzustände des Menschengeschlechtes. wir in seiner Aufzählung auch die Eingebornen von Van DiemensLand, da Sir John nur den Bericht Abel Tasmans nachzuschlagen gebraucht hätte 1), um zu finden, dass bereits der erste Entdecker Rauchsäulen aus dem Innern der Insel habe aufsteigen sehen. Ganz genau so verhält es sich, wenn Lubbock den Bewohnern von Fakaafo die Bekanntschaft mit dem Feuer abspricht. Diese Süd- seeinsel gehört zur Unionsgruppe und liegt im Norden des Samoa- Archipels, dessen Bewohner wegen ihrer nautischen Geschicklich- keit und ihrer weiten Seefahrten die Navigatoren genannt worden sind und welche daher längst ihren Nachbarn auf Fakaafo das Feuer und die Feuerentzündung überbracht haben würden, wenn es nöthig gewesen wäre. Dass in der Mundart der Fakaafo- Leute dasselbe Wort für Feuer vorkommt, welches je nach den verschiedenen Tonarten der Malayen-Sprache api, afi, ahi lautet, wäre für jeden Anderen eine hinreichende Warnung gewesen 2). Sir John Lubbock dagegen beruhigt sein Gewissen mit der Aus- rede, das Wort möge, wie in der verschwisterten Maori-Sprache, nur für Licht und Hitze stehen. Zur Begründung seiner Behaup- tung kann er sich nur auf den bekannten amerikanischen See- fahrer Wilkes berufen, der auf Fakaafo Feuerplätze allenthalben vermisste und desshalb vermuthete, die Eingebornen möchten ihre Nahrung roh verzehren. Ein Jahr nach Veröffentlichung von Wilkes’ Entdeckerbericht erschien jedoch das grosse Werk seines Begleiters Horatio Hale über die Südseesprachen. Dieser hoch- geschätzte Anthropolog bezeugt nicht nur, dass ein Wort für Feuer auf jener Insel vorhanden gewesen sei, sondern bemerkt ausdrück- lich, um Wilkes’ Irrthum zu widerlegen, dass er und seine Ge- fährten am Abend vor der Landung eine Rauchsäule von Fakaafo haben aufsteigen sehen 3). Getrost vertreten wir daher den Satz, dass auf der ganzen Erde noch der Menschenstamm gefunden werden soll, der keinen Verkehr mit dem Feuer unterhielte. Das Feuer ist aber ein gelehriger und starker Gehilfe des 1) Burney, Discoveries, tom. III. p. 70. Uebrigens besassen die Tas- manier eine Sage über Herabkunft des Feuers. s. Tylor, Urgeschichte. S. 301. 2) Nach dem Wörterbuche zu Mariner’s Tonga Islands bedeutet tolo-afi Feuer reiben und tolonga das Rinnenholz, in dem es gerieben wird. 3) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.
p. 149. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0158" n="140"/><fw place="top" type="header">Die Urzustände des Menschengeschlechtes.</fw><lb/> wir in seiner Aufzählung auch die Eingebornen von Van Diemens<lb/> Land, da Sir John nur den Bericht Abel Tasmans nachzuschlagen<lb/> gebraucht hätte <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Burney</hi>, Discoveries, tom. III. p. 70. Uebrigens besassen die Tas-<lb/> manier eine Sage über Herabkunft des Feuers. s. <hi rendition="#g">Tylor</hi>, Urgeschichte. S. 301.</note>, um zu finden, dass bereits der erste Entdecker<lb/> Rauchsäulen aus dem Innern der Insel habe aufsteigen sehen.<lb/> Ganz genau so verhält es sich, wenn Lubbock den Bewohnern von<lb/> Fakaafo die Bekanntschaft mit dem Feuer abspricht. Diese Süd-<lb/> seeinsel gehört zur Unionsgruppe und liegt im Norden des Samoa-<lb/> Archipels, dessen Bewohner wegen ihrer nautischen Geschicklich-<lb/> keit und ihrer weiten Seefahrten die Navigatoren genannt worden<lb/> sind und welche daher längst ihren Nachbarn auf Fakaafo das<lb/> Feuer und die Feuerentzündung überbracht haben würden,<lb/> wenn es nöthig gewesen wäre. Dass in der Mundart der Fakaafo-<lb/> Leute dasselbe Wort für Feuer vorkommt, welches je nach den<lb/> verschiedenen Tonarten der Malayen-Sprache api, afi, ahi lautet,<lb/> wäre für jeden Anderen eine hinreichende Warnung gewesen <note place="foot" n="2)">Nach dem Wörterbuche zu Mariner’s Tonga Islands bedeutet <hi rendition="#i">tolo-afi</hi><lb/> Feuer reiben und <hi rendition="#i">tolonga</hi> das Rinnenholz, in dem es gerieben wird.</note>.<lb/> Sir John Lubbock dagegen beruhigt sein Gewissen mit der Aus-<lb/> rede, das Wort möge, wie in der verschwisterten Maori-Sprache,<lb/> nur für Licht und Hitze stehen. Zur Begründung seiner Behaup-<lb/> tung kann er sich nur auf den bekannten amerikanischen See-<lb/> fahrer Wilkes berufen, der auf Fakaafo Feuerplätze allenthalben<lb/> vermisste und desshalb vermuthete, die Eingebornen möchten ihre<lb/> Nahrung roh verzehren. Ein Jahr nach Veröffentlichung von<lb/> Wilkes’ Entdeckerbericht erschien jedoch das grosse Werk seines<lb/> Begleiters Horatio Hale über die Südseesprachen. Dieser hoch-<lb/> geschätzte Anthropolog bezeugt nicht nur, dass ein Wort für Feuer<lb/> auf jener Insel vorhanden gewesen sei, sondern bemerkt ausdrück-<lb/> lich, um Wilkes’ Irrthum zu widerlegen, dass er und seine Ge-<lb/> fährten am Abend vor der Landung eine Rauchsäule von Fakaafo<lb/> haben aufsteigen sehen <note place="foot" n="3)">United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.<lb/> p. 149.</note>. Getrost vertreten wir daher den Satz,<lb/> dass auf der ganzen Erde noch der Menschenstamm gefunden<lb/> werden soll, der keinen Verkehr mit dem Feuer unterhielte.</p><lb/> <p>Das Feuer ist aber ein gelehriger und starker Gehilfe des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0158]
Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
wir in seiner Aufzählung auch die Eingebornen von Van Diemens
Land, da Sir John nur den Bericht Abel Tasmans nachzuschlagen
gebraucht hätte 1), um zu finden, dass bereits der erste Entdecker
Rauchsäulen aus dem Innern der Insel habe aufsteigen sehen.
Ganz genau so verhält es sich, wenn Lubbock den Bewohnern von
Fakaafo die Bekanntschaft mit dem Feuer abspricht. Diese Süd-
seeinsel gehört zur Unionsgruppe und liegt im Norden des Samoa-
Archipels, dessen Bewohner wegen ihrer nautischen Geschicklich-
keit und ihrer weiten Seefahrten die Navigatoren genannt worden
sind und welche daher längst ihren Nachbarn auf Fakaafo das
Feuer und die Feuerentzündung überbracht haben würden,
wenn es nöthig gewesen wäre. Dass in der Mundart der Fakaafo-
Leute dasselbe Wort für Feuer vorkommt, welches je nach den
verschiedenen Tonarten der Malayen-Sprache api, afi, ahi lautet,
wäre für jeden Anderen eine hinreichende Warnung gewesen 2).
Sir John Lubbock dagegen beruhigt sein Gewissen mit der Aus-
rede, das Wort möge, wie in der verschwisterten Maori-Sprache,
nur für Licht und Hitze stehen. Zur Begründung seiner Behaup-
tung kann er sich nur auf den bekannten amerikanischen See-
fahrer Wilkes berufen, der auf Fakaafo Feuerplätze allenthalben
vermisste und desshalb vermuthete, die Eingebornen möchten ihre
Nahrung roh verzehren. Ein Jahr nach Veröffentlichung von
Wilkes’ Entdeckerbericht erschien jedoch das grosse Werk seines
Begleiters Horatio Hale über die Südseesprachen. Dieser hoch-
geschätzte Anthropolog bezeugt nicht nur, dass ein Wort für Feuer
auf jener Insel vorhanden gewesen sei, sondern bemerkt ausdrück-
lich, um Wilkes’ Irrthum zu widerlegen, dass er und seine Ge-
fährten am Abend vor der Landung eine Rauchsäule von Fakaafo
haben aufsteigen sehen 3). Getrost vertreten wir daher den Satz,
dass auf der ganzen Erde noch der Menschenstamm gefunden
werden soll, der keinen Verkehr mit dem Feuer unterhielte.
Das Feuer ist aber ein gelehriger und starker Gehilfe des
1) Burney, Discoveries, tom. III. p. 70. Uebrigens besassen die Tas-
manier eine Sage über Herabkunft des Feuers. s. Tylor, Urgeschichte. S. 301.
2) Nach dem Wörterbuche zu Mariner’s Tonga Islands bedeutet tolo-afi
Feuer reiben und tolonga das Rinnenholz, in dem es gerieben wird.
3) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.
p. 149.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |