Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. gewendet 1). Jenseits der Felsengebirge bedienen sich die Aht derVancouverinsel 2), sowie die Tschinuk in Oregon erhitzter Steine und Holzgefässe beim Kochen 3) und die nördlicher sitzenden Koloschen verwenden sogar, wenn es gilt, grössere Fische zu sieden, ihre Kähne als Geschirr. Auch die Kamtschadalen kochen in ihren hölzernen Trögen mit glühenden Steinen 4). Selbst in Europa hatte sich noch bis 1732, wie Linne berichtet, das Kochen mit Steinen als Rest einer grauen Vorzeit im finnischen Ostbotlande erhalten 5). Wie Tylor ermittelt hat, wurden in Irland noch um 1600 glühende Steine zum Erwärmen von Milch benutzt und auf den Hebriden wurde im 16. Jahrhundert das Fleisch noch in der Haut des Thieres gekocht 6). Dieses letztere Verfahren war zu Herodots Zeit in den holzarmen südrussischen Steppen im Gebrauche. Seine Skythen benutzten die Knochen als Brennstoff und die Haut des Thieres als Gefäss, welches das Fleisch und Wasser beim Kochen aufnahm 7). Die Polynesier, welche keine Thongeschirre besassen, bereiteten ihre Nahrung in Erdgruben, die, mit Blättern ausgefüllt, Fleisch oder Pflanzenkost samt den glühenden Steinen aufnahmen, dann wieder mit Blättern zugedeckt und mit Erde überschüttet wurden. Wenn daher von einem Volke gesagt wird, dass es mit Steinen koche oder dass ihm Thongeschirre fehlen, so er- halten wir eine klare Vorstellung von der Zubereitung seiner Kost. Zur Erfindung der Thongeschirre können die Menschen der 1) Auch die Patagonier verfahren bei ihren Jagdzügen noch auf die gleiche Weise, wenn sie auch daheim sich eiserner Töpfe bedienen. Musters im Journal of the Anthropol. Institute. London 1872. tom. 1. p. 199. 2) Ausland 1868. S. 688. 3) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 336. 4) G. W. Steller, Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 322. 5) Linnäus bei Tylor, Urgeschichte. S. 342. 6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 45. 7) Herod. lib. IV. 61.
Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. gewendet 1). Jenseits der Felsengebirge bedienen sich die Aht derVancouverinsel 2), sowie die Tschinuk in Oregon erhitzter Steine und Holzgefässe beim Kochen 3) und die nördlicher sitzenden Koloschen verwenden sogar, wenn es gilt, grössere Fische zu sieden, ihre Kähne als Geschirr. Auch die Kamtschadalen kochen in ihren hölzernen Trögen mit glühenden Steinen 4). Selbst in Europa hatte sich noch bis 1732, wie Linné berichtet, das Kochen mit Steinen als Rest einer grauen Vorzeit im finnischen Ostbotlande erhalten 5). Wie Tylor ermittelt hat, wurden in Irland noch um 1600 glühende Steine zum Erwärmen von Milch benutzt und auf den Hebriden wurde im 16. Jahrhundert das Fleisch noch in der Haut des Thieres gekocht 6). Dieses letztere Verfahren war zu Herodots Zeit in den holzarmen südrussischen Steppen im Gebrauche. Seine Skythen benutzten die Knochen als Brennstoff und die Haut des Thieres als Gefäss, welches das Fleisch und Wasser beim Kochen aufnahm 7). Die Polynesier, welche keine Thongeschirre besassen, bereiteten ihre Nahrung in Erdgruben, die, mit Blättern ausgefüllt, Fleisch oder Pflanzenkost samt den glühenden Steinen aufnahmen, dann wieder mit Blättern zugedeckt und mit Erde überschüttet wurden. Wenn daher von einem Volke gesagt wird, dass es mit Steinen koche oder dass ihm Thongeschirre fehlen, so er- halten wir eine klare Vorstellung von der Zubereitung seiner Kost. Zur Erfindung der Thongeschirre können die Menschen der 1) Auch die Patagonier verfahren bei ihren Jagdzügen noch auf die gleiche Weise, wenn sie auch daheim sich eiserner Töpfe bedienen. Musters im Journal of the Anthropol. Institute. London 1872. tom. 1. p. 199. 2) Ausland 1868. S. 688. 3) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 336. 4) G. W. Steller, Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 322. 5) Linnäus bei Tylor, Urgeschichte. S. 342. 6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 45. 7) Herod. lib. IV. 61.
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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
gewendet 1). Jenseits der Felsengebirge bedienen sich die Aht der
Vancouverinsel 2), sowie die Tschinuk in Oregon erhitzter Steine und
Holzgefässe beim Kochen 3) und die nördlicher sitzenden Koloschen
verwenden sogar, wenn es gilt, grössere Fische zu sieden, ihre
Kähne als Geschirr. Auch die Kamtschadalen kochen in ihren
hölzernen Trögen mit glühenden Steinen 4). Selbst in Europa hatte
sich noch bis 1732, wie Linné berichtet, das Kochen mit Steinen
als Rest einer grauen Vorzeit im finnischen Ostbotlande erhalten 5).
Wie Tylor ermittelt hat, wurden in Irland noch um 1600 glühende
Steine zum Erwärmen von Milch benutzt und auf den Hebriden
wurde im 16. Jahrhundert das Fleisch noch in der Haut des
Thieres gekocht 6). Dieses letztere Verfahren war zu Herodots
Zeit in den holzarmen südrussischen Steppen im Gebrauche. Seine
Skythen benutzten die Knochen als Brennstoff und die Haut des
Thieres als Gefäss, welches das Fleisch und Wasser beim Kochen
aufnahm 7). Die Polynesier, welche keine Thongeschirre besassen,
bereiteten ihre Nahrung in Erdgruben, die, mit Blättern ausgefüllt,
Fleisch oder Pflanzenkost samt den glühenden Steinen aufnahmen,
dann wieder mit Blättern zugedeckt und mit Erde überschüttet
wurden. Wenn daher von einem Volke gesagt wird, dass es
mit Steinen koche oder dass ihm Thongeschirre fehlen, so er-
halten wir eine klare Vorstellung von der Zubereitung seiner Kost.
Zur Erfindung der Thongeschirre können die Menschen der
Vorzeit auf verschiednen Wegen gelangt sein. Sir John Lubbock
erinnert nämlich daran, dass Capt. Cook auf Unalaschka bei den
Alëuten Steine sah, die mit einem Lehmrand umgeben waren,
doch könnte dies auch als eine Nachahmung von europäischen
Geschirren betrachtet werden, mit welchen letzteren jene Inselbe-
wohner durch russische Seefahrer damals schon bekannt geworden
1) Auch die Patagonier verfahren bei ihren Jagdzügen noch auf die
gleiche Weise, wenn sie auch daheim sich eiserner Töpfe bedienen. Musters
im Journal of the Anthropol. Institute. London 1872. tom. 1. p. 199.
2) Ausland 1868. S. 688.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 336.
4) G. W. Steller, Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 322.
5) Linnäus bei Tylor, Urgeschichte. S. 342.
6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 45.
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