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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Stellung des Menschen in der Schöpfung.
Zehe nicht bloss vergleichsweise kürzer und schwächer, sondern
durch ein beweglicheres Gelenk mit ihren Metatarsalknochen an die
Fusswurzel gelenkt ist 1). Ferner besitzt der Greiffuss der Affen
die drei Muskeln (M. peronaeus longus, flexor brevis, extensor
brevis), welche der Hand fehlen 2), wenn auch die Befestigung der
Zehenbeuger beim Menschenfuss etwas verschieden sein mag. Wenn
aber auch die hintern Gliedmassen des Gorilla als echte Füsse
anerkannt werden müssen, so sind doch ihre Verrichtungen andere
als die unseres Fusses und durch sie allein erhöht sich schon der
morphologische Rang des Menschen weit über die am höchsten
gestellten Affen. Als höher gilt uns nämlich derjenige Körperbau,
der besondere Verrichtungen auf besondere Werkzeuge beschränkt.
Niedriger stehen uns dagegen solche Geschöpfe, die mit den-
selben Gliedmassen eine Mehrzahl von Thätigkeiten vollziehen
müssen, wie etwa Vögel ihre Kiefern, die uns nur zur Zermal-
mung der Nahrung dienen, zum Ergreifen, bisweilen selbst zum
Klettern also zur Ortsbewegung benützen müssen. Die vordern und
die hintern Gliedmassen der Affen verrichten die nämlichen Dienste,
nämlich sie greifen und sie klettern, wobei noch zu erwägen ist,
dass gerade im Klettern die wichtigste Ortsbewegung jener Ge-
schöpfe besteht. Wohl versuchen auch die menschenähnlichen
Affen sich zum aufrechten Gange zu erheben, doch legen sie nur
kurze Strecken und diese nicht ohne Anstrengung zurück. Im
malayischen Indien gehen die Hylobatesarten, die sonst dem
Menschen viel ferner stehen als die drei andern höchsten Affen,
wiewohl mit gebogenen Knien stets aufrecht, dabei berühren sie
jedoch mit ihren langen bis auf die Erde herabreichenden Finger-
spitzen, um sich im Gleichgewicht zu erhalten, bald rechts bald
links den Boden 3). Andrerseits muss zugegeben werden, dass bei
manchen Menschenstämmen der Fuss zum Ergreifen benutzt wird,
namentlich sind es Nubier, die sich mit der grossen Zehe im Schiffs-
tauwerk festhalten 4) oder Eingeborene der Philippinen, die mit ihren
Zehen kleine Geldstücke vom Boden aufheben, ja selbst im Schoosse

1) Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. Braunschweig 1863. S. 105.
2) Claus, Grundzüge der Zoologie. Marburg 1873. S. 1125.
3) Dr. Mohnike. Die Affen der indischen Welt. Ausland Bd. 45.
1872. No. 30. S. 714.
4) G. Pouchet, Plurality of the Human Race. London 1864. p. 39.

Stellung des Menschen in der Schöpfung.
Zehe nicht bloss vergleichsweise kürzer und schwächer, sondern
durch ein beweglicheres Gelenk mit ihren Metatarsalknochen an die
Fusswurzel gelenkt ist 1). Ferner besitzt der Greiffuss der Affen
die drei Muskeln (M. peronaeus longus, flexor brevis, extensor
brevis), welche der Hand fehlen 2), wenn auch die Befestigung der
Zehenbeuger beim Menschenfuss etwas verschieden sein mag. Wenn
aber auch die hintern Gliedmassen des Gorilla als echte Füsse
anerkannt werden müssen, so sind doch ihre Verrichtungen andere
als die unseres Fusses und durch sie allein erhöht sich schon der
morphologische Rang des Menschen weit über die am höchsten
gestellten Affen. Als höher gilt uns nämlich derjenige Körperbau,
der besondere Verrichtungen auf besondere Werkzeuge beschränkt.
Niedriger stehen uns dagegen solche Geschöpfe, die mit den-
selben Gliedmassen eine Mehrzahl von Thätigkeiten vollziehen
müssen, wie etwa Vögel ihre Kiefern, die uns nur zur Zermal-
mung der Nahrung dienen, zum Ergreifen, bisweilen selbst zum
Klettern also zur Ortsbewegung benützen müssen. Die vordern und
die hintern Gliedmassen der Affen verrichten die nämlichen Dienste,
nämlich sie greifen und sie klettern, wobei noch zu erwägen ist,
dass gerade im Klettern die wichtigste Ortsbewegung jener Ge-
schöpfe besteht. Wohl versuchen auch die menschenähnlichen
Affen sich zum aufrechten Gange zu erheben, doch legen sie nur
kurze Strecken und diese nicht ohne Anstrengung zurück. Im
malayischen Indien gehen die Hylobatesarten, die sonst dem
Menschen viel ferner stehen als die drei andern höchsten Affen,
wiewohl mit gebogenen Knien stets aufrecht, dabei berühren sie
jedoch mit ihren langen bis auf die Erde herabreichenden Finger-
spitzen, um sich im Gleichgewicht zu erhalten, bald rechts bald
links den Boden 3). Andrerseits muss zugegeben werden, dass bei
manchen Menschenstämmen der Fuss zum Ergreifen benutzt wird,
namentlich sind es Nubier, die sich mit der grossen Zehe im Schiffs-
tauwerk festhalten 4) oder Eingeborene der Philippinen, die mit ihren
Zehen kleine Geldstücke vom Boden aufheben, ja selbst im Schoosse

1) Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. Braunschweig 1863. S. 105.
2) Claus, Grundzüge der Zoologie. Marburg 1873. S. 1125.
3) Dr. Mohnike. Die Affen der indischen Welt. Ausland Bd. 45.
1872. No. 30. S. 714.
4) G. Pouchet, Plurality of the Human Race. London 1864. p. 39.
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[2/0020] Stellung des Menschen in der Schöpfung. Zehe nicht bloss vergleichsweise kürzer und schwächer, sondern durch ein beweglicheres Gelenk mit ihren Metatarsalknochen an die Fusswurzel gelenkt ist 1). Ferner besitzt der Greiffuss der Affen die drei Muskeln (M. peronaeus longus, flexor brevis, extensor brevis), welche der Hand fehlen 2), wenn auch die Befestigung der Zehenbeuger beim Menschenfuss etwas verschieden sein mag. Wenn aber auch die hintern Gliedmassen des Gorilla als echte Füsse anerkannt werden müssen, so sind doch ihre Verrichtungen andere als die unseres Fusses und durch sie allein erhöht sich schon der morphologische Rang des Menschen weit über die am höchsten gestellten Affen. Als höher gilt uns nämlich derjenige Körperbau, der besondere Verrichtungen auf besondere Werkzeuge beschränkt. Niedriger stehen uns dagegen solche Geschöpfe, die mit den- selben Gliedmassen eine Mehrzahl von Thätigkeiten vollziehen müssen, wie etwa Vögel ihre Kiefern, die uns nur zur Zermal- mung der Nahrung dienen, zum Ergreifen, bisweilen selbst zum Klettern also zur Ortsbewegung benützen müssen. Die vordern und die hintern Gliedmassen der Affen verrichten die nämlichen Dienste, nämlich sie greifen und sie klettern, wobei noch zu erwägen ist, dass gerade im Klettern die wichtigste Ortsbewegung jener Ge- schöpfe besteht. Wohl versuchen auch die menschenähnlichen Affen sich zum aufrechten Gange zu erheben, doch legen sie nur kurze Strecken und diese nicht ohne Anstrengung zurück. Im malayischen Indien gehen die Hylobatesarten, die sonst dem Menschen viel ferner stehen als die drei andern höchsten Affen, wiewohl mit gebogenen Knien stets aufrecht, dabei berühren sie jedoch mit ihren langen bis auf die Erde herabreichenden Finger- spitzen, um sich im Gleichgewicht zu erhalten, bald rechts bald links den Boden 3). Andrerseits muss zugegeben werden, dass bei manchen Menschenstämmen der Fuss zum Ergreifen benutzt wird, namentlich sind es Nubier, die sich mit der grossen Zehe im Schiffs- tauwerk festhalten 4) oder Eingeborene der Philippinen, die mit ihren Zehen kleine Geldstücke vom Boden aufheben, ja selbst im Schoosse 1) Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. Braunschweig 1863. S. 105. 2) Claus, Grundzüge der Zoologie. Marburg 1873. S. 1125. 3) Dr. Mohnike. Die Affen der indischen Welt. Ausland Bd. 45. 1872. No. 30. S. 714. 4) G. Pouchet, Plurality of the Human Race. London 1864. p. 39.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/20>, abgerufen am 27.04.2024.