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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Bewaffnung.
verpönter Waffen sich bedienen 1). In Südamerika wurde bereits
des Blasrohres gedacht, hier wollen wir nur noch erinnern, dass
auch die Chiquiten in Paraguay, wie Dobrizhoffer berichtet, ihre
Geschosse mit einem so mörderischen Gifte salbten, dass, wenn
nur Blut floss auch die geringste Verletzung den Tod nach wenig
Stunden herbeiführte.

Irrig wäre es aber, wollte man diese Wahl der Mordwerk-
zeuge nur in heissen oder warmen Erdstrichen suchen. Chine-
sische Schriftsteller gedenken im 3. Jahrh. n. Chr. bei einem
Tungusenstamm und im 5. Jahrhundert bei den Mongolen der
Waffenvergiftung 2). Sie wird noch heutigen Tages von den bär-
tigen Aino 3) auf Saghalien und den Kurilen nicht verschmäht, zu
Stellers Zeiten bedienten sich die Itelmen Kamtschatkas zu gleichem
Zwecke des Sturmhutes (Aconitum Napellus) 4) und selbst die Be-
wohner der Aleuten kannten und benutzten ein Pfeilgift 5).

Auch auf dem Boden des classischen Alterthums begegnen
wir solchen unedlen Mordgeräthen. Horaz gedenkt ihrer in einer
seiner gefeierten Oden 6), Ovid beschuldigt pontische Völkerschaften
in der Nähe seines Verbannungsortes dieses Frevels 7). Plinius hat
uns Gegenmittel für Giftwunden aufgeschrieben und dabei zugleich
einen Blick in den finstern Abgrund der menschlichen Natur geworfen,
insofern wir die Schärfe des Eisens noch mit der Wirkung des Schlangen-
stiches auszustatten suchen8). Selbst die Kelten Galliens verschmähten
gelegentlich nicht dieses Mittel9), und das gleiche geschah sogar
noch von den spanischen Arabern im granadensischen Kriege 1484 10).

So gewahren wir denn, dass jener Brauch über alle Erdräume
mit einziger Ausnahme Australiens und der polynesischen Inseln,
wo Bogen und Pfeile fehlten, sich verbreitet hatte. Wir verweilen
aber deswegen länger, als gewöhnlich bei diesem Gegenstand, von

1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 4. S. 223.
2) Alex. Castren, Ethnol. Vorlesungen. S. 26--27.
3) Nach einem Vortrage des Hrn. v. Brandt, deutschen Consuls in
Japan, vor der Berliner anthropol. Gesellschaft am 10. Decbr. 1871. (Verhand-
lungen. 1872. S. 28.)
4) Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 236.
5) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 316.
6) Lib. I, 22.
7) Tristium lib. III, Eleg. X. v. 62.
8) Hist. nat. lib. XX, 81. lib. XVIII, 1.
9) Forbiger, Handbuch der alten Geographie. Bd. 3. S. 147.
10) Hernando de Pulgar, Cronica. Valencia 1780. P. III. cap. 33.

Die Bewaffnung.
verpönter Waffen sich bedienen 1). In Südamerika wurde bereits
des Blasrohres gedacht, hier wollen wir nur noch erinnern, dass
auch die Chiquiten in Paraguay, wie Dobrizhoffer berichtet, ihre
Geschosse mit einem so mörderischen Gifte salbten, dass, wenn
nur Blut floss auch die geringste Verletzung den Tod nach wenig
Stunden herbeiführte.

Irrig wäre es aber, wollte man diese Wahl der Mordwerk-
zeuge nur in heissen oder warmen Erdstrichen suchen. Chine-
sische Schriftsteller gedenken im 3. Jahrh. n. Chr. bei einem
Tungusenstamm und im 5. Jahrhundert bei den Mongolen der
Waffenvergiftung 2). Sie wird noch heutigen Tages von den bär-
tigen Aino 3) auf Saghalien und den Kurilen nicht verschmäht, zu
Stellers Zeiten bedienten sich die Itelmen Kamtschatkas zu gleichem
Zwecke des Sturmhutes (Aconitum Napellus) 4) und selbst die Be-
wohner der Alëuten kannten und benutzten ein Pfeilgift 5).

Auch auf dem Boden des classischen Alterthums begegnen
wir solchen unedlen Mordgeräthen. Horaz gedenkt ihrer in einer
seiner gefeierten Oden 6), Ovid beschuldigt pontische Völkerschaften
in der Nähe seines Verbannungsortes dieses Frevels 7). Plinius hat
uns Gegenmittel für Giftwunden aufgeschrieben und dabei zugleich
einen Blick in den finstern Abgrund der menschlichen Natur geworfen,
insofern wir die Schärfe des Eisens noch mit der Wirkung des Schlangen-
stiches auszustatten suchen8). Selbst die Kelten Galliens verschmähten
gelegentlich nicht dieses Mittel9), und das gleiche geschah sogar
noch von den spanischen Arabern im granadensischen Kriege 1484 10).

So gewahren wir denn, dass jener Brauch über alle Erdräume
mit einziger Ausnahme Australiens und der polynesischen Inseln,
wo Bogen und Pfeile fehlten, sich verbreitet hatte. Wir verweilen
aber deswegen länger, als gewöhnlich bei diesem Gegenstand, von

1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 4. S. 223.
2) Alex. Castrén, Ethnol. Vorlesungen. S. 26—27.
3) Nach einem Vortrage des Hrn. v. Brandt, deutschen Consuls in
Japan, vor der Berliner anthropol. Gesellschaft am 10. Decbr. 1871. (Verhand-
lungen. 1872. S. 28.)
4) Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 236.
5) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 316.
6) Lib. I, 22.
7) Tristium lib. III, Eleg. X. v. 62.
8) Hist. nat. lib. XX, 81. lib. XVIII, 1.
9) Forbiger, Handbuch der alten Geographie. Bd. 3. S. 147.
10) Hernando de Pulgar, Crónica. Valencia 1780. P. III. cap. 33.
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[196/0214] Die Bewaffnung. verpönter Waffen sich bedienen 1). In Südamerika wurde bereits des Blasrohres gedacht, hier wollen wir nur noch erinnern, dass auch die Chiquiten in Paraguay, wie Dobrizhoffer berichtet, ihre Geschosse mit einem so mörderischen Gifte salbten, dass, wenn nur Blut floss auch die geringste Verletzung den Tod nach wenig Stunden herbeiführte. Irrig wäre es aber, wollte man diese Wahl der Mordwerk- zeuge nur in heissen oder warmen Erdstrichen suchen. Chine- sische Schriftsteller gedenken im 3. Jahrh. n. Chr. bei einem Tungusenstamm und im 5. Jahrhundert bei den Mongolen der Waffenvergiftung 2). Sie wird noch heutigen Tages von den bär- tigen Aino 3) auf Saghalien und den Kurilen nicht verschmäht, zu Stellers Zeiten bedienten sich die Itelmen Kamtschatkas zu gleichem Zwecke des Sturmhutes (Aconitum Napellus) 4) und selbst die Be- wohner der Alëuten kannten und benutzten ein Pfeilgift 5). Auch auf dem Boden des classischen Alterthums begegnen wir solchen unedlen Mordgeräthen. Horaz gedenkt ihrer in einer seiner gefeierten Oden 6), Ovid beschuldigt pontische Völkerschaften in der Nähe seines Verbannungsortes dieses Frevels 7). Plinius hat uns Gegenmittel für Giftwunden aufgeschrieben und dabei zugleich einen Blick in den finstern Abgrund der menschlichen Natur geworfen, insofern wir die Schärfe des Eisens noch mit der Wirkung des Schlangen- stiches auszustatten suchen 8). Selbst die Kelten Galliens verschmähten gelegentlich nicht dieses Mittel 9), und das gleiche geschah sogar noch von den spanischen Arabern im granadensischen Kriege 1484 10). So gewahren wir denn, dass jener Brauch über alle Erdräume mit einziger Ausnahme Australiens und der polynesischen Inseln, wo Bogen und Pfeile fehlten, sich verbreitet hatte. Wir verweilen aber deswegen länger, als gewöhnlich bei diesem Gegenstand, von 1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 4. S. 223. 2) Alex. Castrén, Ethnol. Vorlesungen. S. 26—27. 3) Nach einem Vortrage des Hrn. v. Brandt, deutschen Consuls in Japan, vor der Berliner anthropol. Gesellschaft am 10. Decbr. 1871. (Verhand- lungen. 1872. S. 28.) 4) Kamtschatka. Frankfurt 1774. S. 236. 5) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 316. 6) Lib. I, 22. 7) Tristium lib. III, Eleg. X. v. 62. 8) Hist. nat. lib. XX, 81. lib. XVIII, 1. 9) Forbiger, Handbuch der alten Geographie. Bd. 3. S. 147. 10) Hernando de Pulgar, Crónica. Valencia 1780. P. III. cap. 33.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/214>, abgerufen am 22.12.2024.