Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker. sowie jetzt auf Gebieten des Kafirlandes, allenthalben jedoch nurin sehr spärlichen Mengen, so dass Afrika ohne goldenes Vliess niemals Argonauten an sich gezogen hat, denn vergebens würden wir uns dort umsehen nach Ländern, die sich an Metallreichthum mit Peru, Mexico, Californien oder nur mit den Minas Geraes messen könnten. Daher sind auch bis heutigen Tags alle euro- päischen Niederlassungen der Portugiesen, Franzosen, Briten und der Niederländer in Afrika dürftig und bedeutungslos geblieben, im Vergleich zu dem, was im benachbarten Südamerika sich zuge- tragen hat. Nur die Caplande, zuerst als Zwischenplatz für die Indienfahrer, dann als Ackerbaucolonien, haben sich seit der Zeit der überseeischen Völkerwanderung günstig entwickelt. Ohne Me- talle, ohne Gewürze, ohne Droguen, ohne irgendeine vegetabilische Seltenheit blieb Afrika verschont von Conquistadoren, aber auch ungeleckt von der Cultur und musste europäischen Tand und europäische Berauschungsmittel drei Jahrhunderte lang, traurig genug, mit seinen eigenen Kindern bezahlen. Der Sklavenhandel wird daher zwar nicht gerechtfertigt, doch einigermassen erklärt durch den Mangel einer grossen Rimesse. Allein der Sklaven- handel führt wohl von dem Innern an die Küste, er führt aber nicht eine höhere Gesittung von der Küste nach dem Innern. Endlich nach langen Zeiträumen ist in unsern Tagen selbst für Afrika ein Lockmittel gefunden worden, welches in berechenbarer Zeit jenem Festlande seine lange bewahrten Geheimnisse völlig entreissen wird. Es ist diess weder ein Erzeugniss des Stein- noch des Pflanzenreiches, sondern es sind die Stosszähne der Elephanten. Elfenbeinjäger durchschwärmen auf den Spuren Livingstones Süd- afrika nach allen Richtungen, und ihnen folgen dann Missionäre, Handelsleute und die ersten Ansiedler. Ferner ist alles was west- lich und östlich liegt vom weissen Nil entdeckt worden, und wird alljährlich durchstreift von italienischen Elfenbeinjägern, die jedes Jahr immer tiefer vordringen müssen, weil sie hinter sich ausge- leerte Reviere zurücklassen. Wurden unsere bisherigen Beispiele aus der neueren Ge- Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker. sowie jetzt auf Gebieten des Kafirlandes, allenthalben jedoch nurin sehr spärlichen Mengen, so dass Afrika ohne goldenes Vliess niemals Argonauten an sich gezogen hat, denn vergebens würden wir uns dort umsehen nach Ländern, die sich an Metallreichthum mit Peru, Mexico, Californien oder nur mit den Minas Geraes messen könnten. Daher sind auch bis heutigen Tags alle euro- päischen Niederlassungen der Portugiesen, Franzosen, Briten und der Niederländer in Afrika dürftig und bedeutungslos geblieben, im Vergleich zu dem, was im benachbarten Südamerika sich zuge- tragen hat. Nur die Caplande, zuerst als Zwischenplatz für die Indienfahrer, dann als Ackerbaucolonien, haben sich seit der Zeit der überseeischen Völkerwanderung günstig entwickelt. Ohne Me- talle, ohne Gewürze, ohne Droguen, ohne irgendeine vegetabilische Seltenheit blieb Afrika verschont von Conquistadoren, aber auch ungeleckt von der Cultur und musste europäischen Tand und europäische Berauschungsmittel drei Jahrhunderte lang, traurig genug, mit seinen eigenen Kindern bezahlen. Der Sklavenhandel wird daher zwar nicht gerechtfertigt, doch einigermassen erklärt durch den Mangel einer grossen Rimesse. Allein der Sklaven- handel führt wohl von dem Innern an die Küste, er führt aber nicht eine höhere Gesittung von der Küste nach dem Innern. Endlich nach langen Zeiträumen ist in unsern Tagen selbst für Afrika ein Lockmittel gefunden worden, welches in berechenbarer Zeit jenem Festlande seine lange bewahrten Geheimnisse völlig entreissen wird. Es ist diess weder ein Erzeugniss des Stein- noch des Pflanzenreiches, sondern es sind die Stosszähne der Elephanten. Elfenbeinjäger durchschwärmen auf den Spuren Livingstones Süd- afrika nach allen Richtungen, und ihnen folgen dann Missionäre, Handelsleute und die ersten Ansiedler. Ferner ist alles was west- lich und östlich liegt vom weissen Nil entdeckt worden, und wird alljährlich durchstreift von italienischen Elfenbeinjägern, die jedes Jahr immer tiefer vordringen müssen, weil sie hinter sich ausge- leerte Reviere zurücklassen. 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Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
sowie jetzt auf Gebieten des Kafirlandes, allenthalben jedoch nur
in sehr spärlichen Mengen, so dass Afrika ohne goldenes Vliess
niemals Argonauten an sich gezogen hat, denn vergebens würden
wir uns dort umsehen nach Ländern, die sich an Metallreichthum
mit Peru, Mexico, Californien oder nur mit den Minas Geraes
messen könnten. Daher sind auch bis heutigen Tags alle euro-
päischen Niederlassungen der Portugiesen, Franzosen, Briten und
der Niederländer in Afrika dürftig und bedeutungslos geblieben, im
Vergleich zu dem, was im benachbarten Südamerika sich zuge-
tragen hat. Nur die Caplande, zuerst als Zwischenplatz für die
Indienfahrer, dann als Ackerbaucolonien, haben sich seit der Zeit
der überseeischen Völkerwanderung günstig entwickelt. Ohne Me-
talle, ohne Gewürze, ohne Droguen, ohne irgendeine vegetabilische
Seltenheit blieb Afrika verschont von Conquistadoren, aber auch
ungeleckt von der Cultur und musste europäischen Tand und
europäische Berauschungsmittel drei Jahrhunderte lang, traurig
genug, mit seinen eigenen Kindern bezahlen. Der Sklavenhandel
wird daher zwar nicht gerechtfertigt, doch einigermassen erklärt
durch den Mangel einer grossen Rimesse. Allein der Sklaven-
handel führt wohl von dem Innern an die Küste, er führt aber
nicht eine höhere Gesittung von der Küste nach dem Innern.
Endlich nach langen Zeiträumen ist in unsern Tagen selbst für
Afrika ein Lockmittel gefunden worden, welches in berechenbarer
Zeit jenem Festlande seine lange bewahrten Geheimnisse völlig
entreissen wird. Es ist diess weder ein Erzeugniss des Stein- noch
des Pflanzenreiches, sondern es sind die Stosszähne der Elephanten.
Elfenbeinjäger durchschwärmen auf den Spuren Livingstones Süd-
afrika nach allen Richtungen, und ihnen folgen dann Missionäre,
Handelsleute und die ersten Ansiedler. Ferner ist alles was west-
lich und östlich liegt vom weissen Nil entdeckt worden, und wird
alljährlich durchstreift von italienischen Elfenbeinjägern, die jedes
Jahr immer tiefer vordringen müssen, weil sie hinter sich ausge-
leerte Reviere zurücklassen.
Wurden unsere bisherigen Beispiele aus der neueren Ge-
schichte geschöpft, so könnten wir aus der alten noch anführen
das frühe Auftreten der Phönicier oder ihrer Abkömmlinge, der
Carthaginienser in Spanien, wo sie durch die Ausbeutung der
Silbererze festgehalten wurden. Mehr noch als das Silber hat in
früheren Entwicklungsstufen das Zinn die menschliche Gesittung
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