Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die dualistischen Religionen. als das auferlegte gesellschaftliche Gebot. So wie aber die sitt-lichen Begriffe die Vorstellungen von der Gottheit erfüllen, wirkt die Religion als der stärkste Hebel der Veredelung; der unsichtbare Urheber des Seienden erscheint als der Gesetzgeber und als der Richter über Recht und Unrecht. Am frühesten nun haben die Eranier in Persien Göttliches und Sittliches innig zu- sammengeschmolzen. Die Erforschung ihrer Alterthümer hat übereinstimmend dazu Unter den Eraniern gab es eine geweihte Kaste, in den 1) In den ältesten Stücken des Rigveda Samhita wird der Ausdruck Asura noch in einem guten und hohen Sinne gebraucht. Martin Haug, Religion of the Parsees. Bombay 1862. p. 226. 2) Von den letzteren stammt der Atharva Veda, Haug, l. c. p. 250. Atharva bedeutet: mit Feuer versehen. 3) Fr. Spiegel, das Leben Zarathustra's, in den Sitzungsberichten der
philos.-historischen Classe der Münchner Akademie. München 1867. S. 70 --80. Die dualistischen Religionen. als das auferlegte gesellschaftliche Gebot. So wie aber die sitt-lichen Begriffe die Vorstellungen von der Gottheit erfüllen, wirkt die Religion als der stärkste Hebel der Veredelung; der unsichtbare Urheber des Seienden erscheint als der Gesetzgeber und als der Richter über Recht und Unrecht. Am frühesten nun haben die Erânier in Persien Göttliches und Sittliches innig zu- sammengeschmolzen. Die Erforschung ihrer Alterthümer hat übereinstimmend dazu Unter den Erâniern gab es eine geweihte Kaste, in den 1) In den ältesten Stücken des Rigveda Samhitâ wird der Ausdruck Asura noch in einem guten und hohen Sinne gebraucht. Martin Haug, Religion of the Parsees. Bombay 1862. p. 226. 2) Von den letzteren stammt der Atharva Veda, Haug, l. c. p. 250. Atharva bedeutet: mit Feuer versehen. 3) Fr. Spiegel, das Leben Zarathustra’s, in den Sitzungsberichten der
philos.-historischen Classe der Münchner Akademie. München 1867. S. 70 —80. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0313" n="295"/><fw place="top" type="header">Die dualistischen Religionen.</fw><lb/> als das auferlegte gesellschaftliche Gebot. So wie aber die sitt-<lb/> lichen Begriffe die Vorstellungen von der Gottheit erfüllen,<lb/> wirkt die Religion als der stärkste Hebel der Veredelung; der<lb/> unsichtbare Urheber des Seienden erscheint als der Gesetzgeber<lb/> und als der Richter über Recht und Unrecht. Am frühesten nun<lb/> haben die Erânier in Persien Göttliches und Sittliches innig zu-<lb/> sammengeschmolzen.</p><lb/> <p>Die Erforschung ihrer Alterthümer hat übereinstimmend dazu<lb/> geführt, dass die persischen und indischen Arier in einer nach<lb/> Jahresmaassen noch nicht befestigten Vorzeit eine gemeinsame<lb/> Heimath bewohnten und die nämlichen Religionsvorstellungen<lb/> theilten. Sie dachten sich das Unsichtbare erfüllt mit Wesen,<lb/> die auf das Menschenschicksal Einfluss übten und die sie Deva<lb/> und Ahura nannten. Mag nun in Folge der Trennung eine<lb/> Religionsspaltung oder in Folge der Religionsspaltung eine Tren-<lb/> nung eingetreten sein, später fassten die Erânier die Ahura als<lb/> gütige, die Deva (neupersisch <hi rendition="#i">div</hi>, englisch <hi rendition="#i">devil)</hi> als feindliche<lb/> Mächte auf. Umgekehrt werden bei den indischen Ariern die<lb/> Deva (lateinisch <hi rendition="#i">deus)</hi> zu den heilbringenden und die erânischen<lb/> Ahura zu den verderbenbringenden Gewalten gerechnet <note place="foot" n="1)">In den ältesten Stücken des Rigveda Samhitâ wird der Ausdruck<lb/> Asura noch in einem guten und hohen Sinne gebraucht. <hi rendition="#g">Martin Haug</hi>,<lb/> Religion of the Parsees. Bombay 1862. p. 226.</note>.</p><lb/> <p>Unter den Erâniern gab es eine geweihte Kaste, in den<lb/> ältesten heiligen Schriften Soschianto geheissen, die in Vorzeiten<lb/> mit den indischen Atharva genau übereinstimmten: beide nämlich<lb/> waren Feuerpriester <note place="foot" n="2)">Von den letzteren stammt der Atharva Veda, <hi rendition="#g">Haug</hi>, l. c. p. 250.<lb/> Atharva bedeutet: mit Feuer versehen.</note>. Die Magier, deren Name erst auf den<lb/> Inschriften des Darius vorkommt, vertreten im alten Medien die<lb/> Verrichtungen der genannten Soschianto und Atharva <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#g">Fr. Spiegel</hi>, das Leben Zarathustra’s, in den Sitzungsberichten der<lb/> philos.-historischen Classe der Münchner Akademie. München 1867. S. 70<lb/> —80.</note>. Sie trugen<lb/> weisse Gewänder, enthielten sich der Fleischkost und dienten per-<lb/> sönlich gedachten Naturkräften oder den hohen Formen von<lb/> Fetischen, der Sonne (Mithra), dem Monde, den Sternen, der<lb/> Erde, dem fliessenden Wasser, vor allem dem Feuer. Unter<lb/> diesen Priestern erhob sich ein Religionsstifter Namens Zoroaster<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0313]
Die dualistischen Religionen.
als das auferlegte gesellschaftliche Gebot. So wie aber die sitt-
lichen Begriffe die Vorstellungen von der Gottheit erfüllen,
wirkt die Religion als der stärkste Hebel der Veredelung; der
unsichtbare Urheber des Seienden erscheint als der Gesetzgeber
und als der Richter über Recht und Unrecht. Am frühesten nun
haben die Erânier in Persien Göttliches und Sittliches innig zu-
sammengeschmolzen.
Die Erforschung ihrer Alterthümer hat übereinstimmend dazu
geführt, dass die persischen und indischen Arier in einer nach
Jahresmaassen noch nicht befestigten Vorzeit eine gemeinsame
Heimath bewohnten und die nämlichen Religionsvorstellungen
theilten. Sie dachten sich das Unsichtbare erfüllt mit Wesen,
die auf das Menschenschicksal Einfluss übten und die sie Deva
und Ahura nannten. Mag nun in Folge der Trennung eine
Religionsspaltung oder in Folge der Religionsspaltung eine Tren-
nung eingetreten sein, später fassten die Erânier die Ahura als
gütige, die Deva (neupersisch div, englisch devil) als feindliche
Mächte auf. Umgekehrt werden bei den indischen Ariern die
Deva (lateinisch deus) zu den heilbringenden und die erânischen
Ahura zu den verderbenbringenden Gewalten gerechnet 1).
Unter den Erâniern gab es eine geweihte Kaste, in den
ältesten heiligen Schriften Soschianto geheissen, die in Vorzeiten
mit den indischen Atharva genau übereinstimmten: beide nämlich
waren Feuerpriester 2). Die Magier, deren Name erst auf den
Inschriften des Darius vorkommt, vertreten im alten Medien die
Verrichtungen der genannten Soschianto und Atharva 3). Sie trugen
weisse Gewänder, enthielten sich der Fleischkost und dienten per-
sönlich gedachten Naturkräften oder den hohen Formen von
Fetischen, der Sonne (Mithra), dem Monde, den Sternen, der
Erde, dem fliessenden Wasser, vor allem dem Feuer. Unter
diesen Priestern erhob sich ein Religionsstifter Namens Zoroaster
1) In den ältesten Stücken des Rigveda Samhitâ wird der Ausdruck
Asura noch in einem guten und hohen Sinne gebraucht. Martin Haug,
Religion of the Parsees. Bombay 1862. p. 226.
2) Von den letzteren stammt der Atharva Veda, Haug, l. c. p. 250.
Atharva bedeutet: mit Feuer versehen.
3) Fr. Spiegel, das Leben Zarathustra’s, in den Sitzungsberichten der
philos.-historischen Classe der Münchner Akademie. München 1867. S. 70
—80.
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