So weit wir bis jetzt Australien kennen, ist die Abwesenheit von erhabenen Gebirgsketten und folglich auch der Mangel grosser Ströme der auffallendste Zug. Es gesellt sich also zur tellurischen Abgelegenheit und zum Mangel an aus- und einspringenden Um- rissen auch eine Vernachlässigung der plastischen Gliederungen. Ja als hätte Australien uns das warnende Beispiel eines verkehrt angelegten Erdraumes bieten sollen, finden sich seine kräftigsten Bodenerhebungen, die sogenannten Alpen, mit Gipfelhöhen von 7000 Fuss gerade wieder an der am meisten entlegenen Ecke des Festlandes, und in Folge dessen hat sich auch sein einziges grosses Stromsystem, auf dem etliche tausend engl. Meilen für Dampfer schiffbar gefunden worden sind, nach einer von den Culturräumen der alten Welt abgekehrten Seite des Festlandes entwickelt. Die höhern Gebirge Australiens oder vielmehr die Abstürze des öst- lichen Festlandes, eine ähnliche plastische Erscheinung wie die Ghat in Indien, sind aber geradezu zum Nachtheil für das leewärts liegende Festland aufgestiegen, denn die hoch aufgerichteten Ost- küsten fangen den feuchten Passat auf und zwingen ihn, seine Wasserdämpfe an ihren Abhängen fallen zu lassen, so dass er beträchtlich ausgesogen die Hochebenen erreicht und diesen nur wenig Benetzung zuführen kann1). Wäre statt dessen, wie in Südamerika, eine hohe Gebirgskette am Westrande des Festlandes aufgestiegen, der Ostrand dagegen flach gewesen oder mässig an- geschwollen, so würde sich ein Strom, wenn auch nicht von der Herrlichkeit des Amazonas, doch wenigstens von der Mächtigkeit des Orinoco entwickelt haben, und die Eingebornen hätten sich an seinen Ufern vielleicht auf die Stufe der brasilianischen Jäger- völker schwingen können.
Jetzt, wo wir etwa auf zwei Dritteln des Flächenraums die Natur Australiens kennen, ist das alte Trugbild verscheucht worden, als sei das Innere völlig von einer pflanzenleeren Wüste ausge- füllt. Besässe Australien wirklich eine Sahara, so ist sie jedenfalls nur eingeschränkt auf den Kern der westlichen Ausbauschung des Festlandes. Alles übrige Gebiet geniesst eine zwar kurze, aber
1) Die Küstenflüsse richten daher durch ihre Ueberschwemmungen oft grosses Verderben an, wie der Hawkesbury 1867 plötzlich um 62 über seinen mittleren Spiegel stieg. Peterm. Mitth. 1868. S. 347. Oberländer und Christmann, Australien. S. 332--339.
Die Australier.
So weit wir bis jetzt Australien kennen, ist die Abwesenheit von erhabenen Gebirgsketten und folglich auch der Mangel grosser Ströme der auffallendste Zug. Es gesellt sich also zur tellurischen Abgelegenheit und zum Mangel an aus- und einspringenden Um- rissen auch eine Vernachlässigung der plastischen Gliederungen. Ja als hätte Australien uns das warnende Beispiel eines verkehrt angelegten Erdraumes bieten sollen, finden sich seine kräftigsten Bodenerhebungen, die sogenannten Alpen, mit Gipfelhöhen von 7000 Fuss gerade wieder an der am meisten entlegenen Ecke des Festlandes, und in Folge dessen hat sich auch sein einziges grosses Stromsystem, auf dem etliche tausend engl. Meilen für Dampfer schiffbar gefunden worden sind, nach einer von den Culturräumen der alten Welt abgekehrten Seite des Festlandes entwickelt. Die höhern Gebirge Australiens oder vielmehr die Abstürze des öst- lichen Festlandes, eine ähnliche plastische Erscheinung wie die Ghat in Indien, sind aber geradezu zum Nachtheil für das leewärts liegende Festland aufgestiegen, denn die hoch aufgerichteten Ost- küsten fangen den feuchten Passat auf und zwingen ihn, seine Wasserdämpfe an ihren Abhängen fallen zu lassen, so dass er beträchtlich ausgesogen die Hochebenen erreicht und diesen nur wenig Benetzung zuführen kann1). Wäre statt dessen, wie in Südamerika, eine hohe Gebirgskette am Westrande des Festlandes aufgestiegen, der Ostrand dagegen flach gewesen oder mässig an- geschwollen, so würde sich ein Strom, wenn auch nicht von der Herrlichkeit des Amazonas, doch wenigstens von der Mächtigkeit des Orinoco entwickelt haben, und die Eingebornen hätten sich an seinen Ufern vielleicht auf die Stufe der brasilianischen Jäger- völker schwingen können.
Jetzt, wo wir etwa auf zwei Dritteln des Flächenraums die Natur Australiens kennen, ist das alte Trugbild verscheucht worden, als sei das Innere völlig von einer pflanzenleeren Wüste ausge- füllt. Besässe Australien wirklich eine Sahara, so ist sie jedenfalls nur eingeschränkt auf den Kern der westlichen Ausbauschung des Festlandes. Alles übrige Gebiet geniesst eine zwar kurze, aber
1) Die Küstenflüsse richten daher durch ihre Ueberschwemmungen oft grosses Verderben an, wie der Hawkesbury 1867 plötzlich um 62 über seinen mittleren Spiegel stieg. Peterm. Mitth. 1868. S. 347. Oberländer und Christmann, Australien. S. 332—339.
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Die Australier.
So weit wir bis jetzt Australien kennen, ist die Abwesenheit
von erhabenen Gebirgsketten und folglich auch der Mangel grosser
Ströme der auffallendste Zug. Es gesellt sich also zur tellurischen
Abgelegenheit und zum Mangel an aus- und einspringenden Um-
rissen auch eine Vernachlässigung der plastischen Gliederungen.
Ja als hätte Australien uns das warnende Beispiel eines verkehrt
angelegten Erdraumes bieten sollen, finden sich seine kräftigsten
Bodenerhebungen, die sogenannten Alpen, mit Gipfelhöhen von
7000 Fuss gerade wieder an der am meisten entlegenen Ecke des
Festlandes, und in Folge dessen hat sich auch sein einziges grosses
Stromsystem, auf dem etliche tausend engl. Meilen für Dampfer
schiffbar gefunden worden sind, nach einer von den Culturräumen
der alten Welt abgekehrten Seite des Festlandes entwickelt. Die
höhern Gebirge Australiens oder vielmehr die Abstürze des öst-
lichen Festlandes, eine ähnliche plastische Erscheinung wie die
Ghat in Indien, sind aber geradezu zum Nachtheil für das leewärts
liegende Festland aufgestiegen, denn die hoch aufgerichteten Ost-
küsten fangen den feuchten Passat auf und zwingen ihn, seine
Wasserdämpfe an ihren Abhängen fallen zu lassen, so dass er
beträchtlich ausgesogen die Hochebenen erreicht und diesen nur
wenig Benetzung zuführen kann 1). Wäre statt dessen, wie in
Südamerika, eine hohe Gebirgskette am Westrande des Festlandes
aufgestiegen, der Ostrand dagegen flach gewesen oder mässig an-
geschwollen, so würde sich ein Strom, wenn auch nicht von der
Herrlichkeit des Amazonas, doch wenigstens von der Mächtigkeit
des Orinoco entwickelt haben, und die Eingebornen hätten sich
an seinen Ufern vielleicht auf die Stufe der brasilianischen Jäger-
völker schwingen können.
Jetzt, wo wir etwa auf zwei Dritteln des Flächenraums die
Natur Australiens kennen, ist das alte Trugbild verscheucht worden,
als sei das Innere völlig von einer pflanzenleeren Wüste ausge-
füllt. Besässe Australien wirklich eine Sahara, so ist sie jedenfalls
nur eingeschränkt auf den Kern der westlichen Ausbauschung des
Festlandes. Alles übrige Gebiet geniesst eine zwar kurze, aber
1) Die Küstenflüsse richten daher durch ihre Ueberschwemmungen oft
grosses Verderben an, wie der Hawkesbury 1867 plötzlich um 62 über
seinen mittleren Spiegel stieg. Peterm. Mitth. 1868. S. 347. Oberländer
und Christmann, Australien. S. 332—339.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/362>, abgerufen am 23.12.2024.
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