Endlich stossen wir weit westlich noch auf die Mincopie 1) der Andamaninseln, einen kleinen Menschenstamm mit papuani- schem Haarwuchs. Da sie sich den Kopf mit den Scherben zer- brochner Flaschen, wenn solche an den Strand gespült werden, oder mit Muscheln ganz glatt scheeren, so darf diese Angabe einigermassen befremden 2), doch wurde die büschelförmige Grup- pirung der Haare an gefangenen Mincopie von A. Fytche in Moulmein beobachtet, der ausserdem ihre Haut als "russig nicht tief schwarz" beschreibt und bei ihnen jeden Bartwuchs vermisst 3), Wer sich ausschliesslich nach der Beschaffenheit des Haarwuchses richtet, kann die Mincopie als den westlichen Vorposten der papu- anischen Race betrachten und muss annehmen, dass diese letztere aus dem südasiatischen Festlande, in einer grauen Vorzeit ost- wärts nach dem australischen Ocean sich verbreitet habe. Dies würde als gut bestätigt gelten, wenn die Semang auf der Halb- insel Malaka, ein kleiner, körperlich und geistig schwach entwickel- ter, im Aussterben begriffener Menschenstamm, wegen ihres star- ken Bartwuchses und ihres krausen Haares bei brauner bis schwar- zer Hautfarbe nach Logan's Beschreibung 4) ebenfalls zu den asia- tischen Papuanen gezählt werden dürfen. Latham, der ihre Sprache untersucht hat und sie unter die Negritos zählt, was bei ihm eine Verwandtschaft mit den philippinischen Aeta bedeutet, will fast gar keine Aehnlichkeit mit dem Andamanischen entdecken und stellt sie unbefangen unter die malayische Gruppe 5).
Die Sprachen der australischen Papuanen bedienen sich ein- und mehrsylbiger Wurzeln und vollziehen die Sinnbegrenzung durch Präfixe und Suffixe, deren ursprüngliche Bedeutung meist dem Sprachverständniss entschwunden ist. Hr. v. d. Gabelentz, der zehn papuanische Inselsprachen untersucht und verglichen hat entdeckte bei aller sonstigen Verschiedenheit der Wurzelschätze
1) S. oben S. 150 ihre Sittenschilderung.
2)Helfer beschreibt indessen in seinem Tagebuch einen Mincopie unter andern mit den Worten: "Sein Haar, zu beiden Seiten abgeschoren, bildete einen krausen wolligen Kamm." Gräfin Pauline Nostiz, J. W. Helfer's Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig 1873. Bd. 2. S. 259.
3)Fytche in Petermanns Mittheilungen 1862. S. 236.
4)Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 88.
5) Opuscula. London 1860. p. 192. p. 205. p. 218.
Die australischen und asiatischen Papuanen.
Endlich stossen wir weit westlich noch auf die Mincopie 1) der Andamaninseln, einen kleinen Menschenstamm mit papuani- schem Haarwuchs. Da sie sich den Kopf mit den Scherben zer- brochner Flaschen, wenn solche an den Strand gespült werden, oder mit Muscheln ganz glatt scheeren, so darf diese Angabe einigermassen befremden 2), doch wurde die büschelförmige Grup- pirung der Haare an gefangenen Mincopie von A. Fytche in Moulmein beobachtet, der ausserdem ihre Haut als „russig nicht tief schwarz“ beschreibt und bei ihnen jeden Bartwuchs vermisst 3), Wer sich ausschliesslich nach der Beschaffenheit des Haarwuchses richtet, kann die Mincopie als den westlichen Vorposten der papu- anischen Race betrachten und muss annehmen, dass diese letztere aus dem südasiatischen Festlande, in einer grauen Vorzeit ost- wärts nach dem australischen Ocean sich verbreitet habe. Dies würde als gut bestätigt gelten, wenn die Semang auf der Halb- insel Malaka, ein kleiner, körperlich und geistig schwach entwickel- ter, im Aussterben begriffener Menschenstamm, wegen ihres star- ken Bartwuchses und ihres krausen Haares bei brauner bis schwar- zer Hautfarbe nach Logan’s Beschreibung 4) ebenfalls zu den asia- tischen Papuanen gezählt werden dürfen. Latham, der ihre Sprache untersucht hat und sie unter die Negritos zählt, was bei ihm eine Verwandtschaft mit den philippinischen Aëta bedeutet, will fast gar keine Aehnlichkeit mit dem Andamanischen entdecken und stellt sie unbefangen unter die malayische Gruppe 5).
Die Sprachen der australischen Papuanen bedienen sich ein- und mehrsylbiger Wurzeln und vollziehen die Sinnbegrenzung durch Präfixe und Suffixe, deren ursprüngliche Bedeutung meist dem Sprachverständniss entschwunden ist. Hr. v. d. Gabelentz, der zehn papuanische Inselsprachen untersucht und verglichen hat entdeckte bei aller sonstigen Verschiedenheit der Wurzelschätze
1) S. oben S. 150 ihre Sittenschilderung.
2)Helfer beschreibt indessen in seinem Tagebuch einen Mincopie unter andern mit den Worten: „Sein Haar, zu beiden Seiten abgeschoren, bildete einen krausen wolligen Kamm.“ Gräfin Pauline Nostiz, J. W. Helfer’s Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig 1873. Bd. 2. S. 259.
3)Fytche in Petermanns Mittheilungen 1862. S. 236.
4)Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 88.
5) Opuscula. London 1860. p. 192. p. 205. p. 218.
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Die australischen und asiatischen Papuanen.
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der Andamaninseln, einen kleinen Menschenstamm mit papuani-
schem Haarwuchs. Da sie sich den Kopf mit den Scherben zer-
brochner Flaschen, wenn solche an den Strand gespült werden,
oder mit Muscheln ganz glatt scheeren, so darf diese Angabe
einigermassen befremden 2), doch wurde die büschelförmige Grup-
pirung der Haare an gefangenen Mincopie von A. Fytche in
Moulmein beobachtet, der ausserdem ihre Haut als „russig nicht
tief schwarz“ beschreibt und bei ihnen jeden Bartwuchs vermisst 3),
Wer sich ausschliesslich nach der Beschaffenheit des Haarwuchses
richtet, kann die Mincopie als den westlichen Vorposten der papu-
anischen Race betrachten und muss annehmen, dass diese letztere
aus dem südasiatischen Festlande, in einer grauen Vorzeit ost-
wärts nach dem australischen Ocean sich verbreitet habe. Dies
würde als gut bestätigt gelten, wenn die Semang auf der Halb-
insel Malaka, ein kleiner, körperlich und geistig schwach entwickel-
ter, im Aussterben begriffener Menschenstamm, wegen ihres star-
ken Bartwuchses und ihres krausen Haares bei brauner bis schwar-
zer Hautfarbe nach Logan’s Beschreibung 4) ebenfalls zu den asia-
tischen Papuanen gezählt werden dürfen. Latham, der ihre Sprache
untersucht hat und sie unter die Negritos zählt, was bei ihm eine
Verwandtschaft mit den philippinischen Aëta bedeutet, will fast
gar keine Aehnlichkeit mit dem Andamanischen entdecken und
stellt sie unbefangen unter die malayische Gruppe 5).
Die Sprachen der australischen Papuanen bedienen sich ein-
und mehrsylbiger Wurzeln und vollziehen die Sinnbegrenzung durch
Präfixe und Suffixe, deren ursprüngliche Bedeutung meist dem
Sprachverständniss entschwunden ist. Hr. v. d. Gabelentz, der
zehn papuanische Inselsprachen untersucht und verglichen hat
entdeckte bei aller sonstigen Verschiedenheit der Wurzelschätze
1) S. oben S. 150 ihre Sittenschilderung.
2) Helfer beschreibt indessen in seinem Tagebuch einen Mincopie unter
andern mit den Worten: „Sein Haar, zu beiden Seiten abgeschoren, bildete
einen krausen wolligen Kamm.“ Gräfin Pauline Nostiz, J. W. Helfer’s
Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig 1873. Bd. 2. S. 259.
3) Fytche in Petermanns Mittheilungen 1862. S. 236.
4) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 88.
5) Opuscula. London 1860. p. 192. p. 205. p. 218.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/380>, abgerufen am 23.12.2024.
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