Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Der malayische Stamm.
längere Zeit erforderte die Ausbildung der Sprachverschiedenheiten.
Wir können noch hinzufügen, dass die Kunst Thongeschirre zu
fertigen beim Ausschwärmen der Polynesier in der Urheimat noch
nicht bekannt war, denn alle Polynesier kochen ihre Nahrung
mit erhitzten Steinen. Dagegen herrschte im Ursitze bereits
der Brauch, Personen oder Gegenstände bis zur Unberührbar-
keit zu heiligen, denn Ueberreste der Tabusatzungen in der
Form von Interdicten haben sich auf der Insel Timor und unter
den Dayaken Borneos noch erhalten 1).

Der Ausbreitung der Polynesier von West nach Ost erwuchsen
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten durch die herrschenden Ost-
passate und westlich gerichteten Strömungen, denn es fehlt nicht
an gelegentlichen Gegenwinden und Gegenströmungen. Die ältere
Ueberschätzung jener Hindernisse beseitigt vollständig die von
J. R. Forster veröffentlichte, von Horatio Hale aber zuerst richtig
erklärte Karte 2) eines Polynesiers Tupaia der alle Inselgruppen
zwischen den Marquesas im Osten und dem Fidschi-Archipel gegen
Westen kannte, so dass also zu Capt. Cooks Zeiten von Tahiti
aus immer noch ein Verkehr bestand, der sich über vierzig
Längengrade erstreckte. Obendrein gewähren die Vergleiche
polynesischer Mundarten und die Ueberlieferungen der Eingebor-
nen uns die Mittel die Reihenfolge der einzelnen Besiedelungen
festzustellen.

Die Bewohner von Rapa-nui oder der Osterinsel wollen von
Oparo oder Rapaiti (27°35' s. Br. 144°20' w. L. Greenw.) ab-
stammen, und werden daher auf der Fahrt nach ihrer Heimat
Pitcairn berührt aber wieder verlassen haben, weil auf dieser Inse
Reste von alten Steinbauten stehen 3). Nach den Ueberlieferungen
der Eingebornen landeten sie, an Zahl 400, unter einem Anführer
oder König Tu-ku-i-u oder Tocuyo, der auch Hotu oder Hotu
motua genannt wird 4). Seit ihrer Ankunft bis auf unsre Tage

1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 355. Spenser St. John,
Life in the Far East. London 1862. tom. I., p. 175--176.
2) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.
p. 122.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 224.
4) Bericht von Hrn. de Lapelin in Revue maritime et coloniale. Novbr.
1872. tom. XXXV. Paris 1872. p. 105. u. Palmer, Visit to Easter Island
im Journal of the R. Geogr. Society. London 1870. vol. XL. p. 108.
24*

Der malayische Stamm.
längere Zeit erforderte die Ausbildung der Sprachverschiedenheiten.
Wir können noch hinzufügen, dass die Kunst Thongeschirre zu
fertigen beim Ausschwärmen der Polynesier in der Urheimat noch
nicht bekannt war, denn alle Polynesier kochen ihre Nahrung
mit erhitzten Steinen. Dagegen herrschte im Ursitze bereits
der Brauch, Personen oder Gegenstände bis zur Unberührbar-
keit zu heiligen, denn Ueberreste der Tabusatzungen in der
Form von Interdicten haben sich auf der Insel Timor und unter
den Dayaken Borneos noch erhalten 1).

Der Ausbreitung der Polynesier von West nach Ost erwuchsen
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten durch die herrschenden Ost-
passate und westlich gerichteten Strömungen, denn es fehlt nicht
an gelegentlichen Gegenwinden und Gegenströmungen. Die ältere
Ueberschätzung jener Hindernisse beseitigt vollständig die von
J. R. Forster veröffentlichte, von Horatio Hale aber zuerst richtig
erklärte Karte 2) eines Polynesiers Tupaia der alle Inselgruppen
zwischen den Marquesas im Osten und dem Fidschi-Archipel gegen
Westen kannte, so dass also zu Capt. Cooks Zeiten von Tahiti
aus immer noch ein Verkehr bestand, der sich über vierzig
Längengrade erstreckte. Obendrein gewähren die Vergleiche
polynesischer Mundarten und die Ueberlieferungen der Eingebor-
nen uns die Mittel die Reihenfolge der einzelnen Besiedelungen
festzustellen.

Die Bewohner von Rapa-nui oder der Osterinsel wollen von
Oparo oder Rapaiti (27°35′ s. Br. 144°20′ w. L. Greenw.) ab-
stammen, und werden daher auf der Fahrt nach ihrer Heimat
Pitcairn berührt aber wieder verlassen haben, weil auf dieser Inse
Reste von alten Steinbauten stehen 3). Nach den Ueberlieferungen
der Eingebornen landeten sie, an Zahl 400, unter einem Anführer
oder König Tu-ku-i-u oder Tocuyo, der auch Hotu oder Hotu
motua genannt wird 4). Seit ihrer Ankunft bis auf unsre Tage

1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 355. Spenser St. John,
Life in the Far East. London 1862. tom. I., p. 175—176.
2) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.
p. 122.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 224.
4) Bericht von Hrn. de Lapelin in Revue maritime et coloniale. Novbr.
1872. tom. XXXV. Paris 1872. p. 105. u. Palmer, Visit to Easter Island
im Journal of the R. Geogr. Society. London 1870. vol. XL. p. 108.
24*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0389" n="371"/><fw place="top" type="header">Der malayische Stamm.</fw><lb/>
längere Zeit erforderte die Ausbildung der Sprachverschiedenheiten.<lb/>
Wir können noch hinzufügen, dass die Kunst Thongeschirre zu<lb/>
fertigen beim Ausschwärmen der Polynesier in der Urheimat noch<lb/>
nicht bekannt war, denn alle Polynesier kochen ihre Nahrung<lb/>
mit erhitzten Steinen. Dagegen herrschte im Ursitze bereits<lb/>
der Brauch, Personen oder Gegenstände bis zur Unberührbar-<lb/>
keit zu heiligen, denn Ueberreste der Tabusatzungen in der<lb/>
Form von Interdicten haben sich auf der Insel Timor und unter<lb/>
den Dayaken Borneos noch erhalten <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Waitz</hi> (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 355. <hi rendition="#g">Spenser St. John</hi>,<lb/>
Life in the Far East. London 1862. tom. I., p. 175&#x2014;176.</note>.</p><lb/>
            <p>Der Ausbreitung der Polynesier von West nach Ost erwuchsen<lb/>
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten durch die herrschenden Ost-<lb/>
passate und westlich gerichteten Strömungen, denn es fehlt nicht<lb/>
an gelegentlichen Gegenwinden und Gegenströmungen. Die ältere<lb/>
Ueberschätzung jener Hindernisse beseitigt vollständig die von<lb/>
J. R. Forster veröffentlichte, von Horatio Hale aber zuerst richtig<lb/>
erklärte Karte <note place="foot" n="2)">United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846.<lb/>
p. 122.</note> eines Polynesiers Tupaia der alle Inselgruppen<lb/>
zwischen den Marquesas im Osten und dem Fidschi-Archipel gegen<lb/>
Westen kannte, so dass also zu Capt. Cooks Zeiten von Tahiti<lb/>
aus immer noch ein Verkehr bestand, der sich über vierzig<lb/>
Längengrade erstreckte. Obendrein gewähren die Vergleiche<lb/>
polynesischer Mundarten und die Ueberlieferungen der Eingebor-<lb/>
nen uns die Mittel die Reihenfolge der einzelnen Besiedelungen<lb/>
festzustellen.</p><lb/>
            <p>Die Bewohner von Rapa-nui oder der Osterinsel wollen von<lb/>
Oparo oder Rapaiti (27°35&#x2032; s. Br. 144°20&#x2032; w. L. Greenw.) ab-<lb/>
stammen, und werden daher auf der Fahrt nach ihrer Heimat<lb/>
Pitcairn berührt aber wieder verlassen haben, weil auf dieser Inse<lb/>
Reste von alten Steinbauten stehen <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie. Bd. 5. S. 224.</note>. Nach den Ueberlieferungen<lb/>
der Eingebornen landeten sie, an Zahl 400, unter einem Anführer<lb/>
oder König Tu-ku-i-u oder Tocuyo, der auch Hotu oder Hotu<lb/>
motua genannt wird <note place="foot" n="4)">Bericht von Hrn. de <hi rendition="#g">Lapelin</hi> in Revue maritime et coloniale. Novbr.<lb/>
1872. tom. XXXV. Paris 1872. p. 105. u. <hi rendition="#g">Palmer</hi>, Visit to Easter Island<lb/>
im Journal of the R. Geogr. Society. London 1870. vol. XL. p. 108.</note>. Seit ihrer Ankunft bis auf unsre Tage<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">24*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0389] Der malayische Stamm. längere Zeit erforderte die Ausbildung der Sprachverschiedenheiten. Wir können noch hinzufügen, dass die Kunst Thongeschirre zu fertigen beim Ausschwärmen der Polynesier in der Urheimat noch nicht bekannt war, denn alle Polynesier kochen ihre Nahrung mit erhitzten Steinen. Dagegen herrschte im Ursitze bereits der Brauch, Personen oder Gegenstände bis zur Unberührbar- keit zu heiligen, denn Ueberreste der Tabusatzungen in der Form von Interdicten haben sich auf der Insel Timor und unter den Dayaken Borneos noch erhalten 1). Der Ausbreitung der Polynesier von West nach Ost erwuchsen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten durch die herrschenden Ost- passate und westlich gerichteten Strömungen, denn es fehlt nicht an gelegentlichen Gegenwinden und Gegenströmungen. Die ältere Ueberschätzung jener Hindernisse beseitigt vollständig die von J. R. Forster veröffentlichte, von Horatio Hale aber zuerst richtig erklärte Karte 2) eines Polynesiers Tupaia der alle Inselgruppen zwischen den Marquesas im Osten und dem Fidschi-Archipel gegen Westen kannte, so dass also zu Capt. Cooks Zeiten von Tahiti aus immer noch ein Verkehr bestand, der sich über vierzig Längengrade erstreckte. Obendrein gewähren die Vergleiche polynesischer Mundarten und die Ueberlieferungen der Eingebor- nen uns die Mittel die Reihenfolge der einzelnen Besiedelungen festzustellen. Die Bewohner von Rapa-nui oder der Osterinsel wollen von Oparo oder Rapaiti (27°35′ s. Br. 144°20′ w. L. Greenw.) ab- stammen, und werden daher auf der Fahrt nach ihrer Heimat Pitcairn berührt aber wieder verlassen haben, weil auf dieser Inse Reste von alten Steinbauten stehen 3). Nach den Ueberlieferungen der Eingebornen landeten sie, an Zahl 400, unter einem Anführer oder König Tu-ku-i-u oder Tocuyo, der auch Hotu oder Hotu motua genannt wird 4). Seit ihrer Ankunft bis auf unsre Tage 1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 355. Spenser St. John, Life in the Far East. London 1862. tom. I., p. 175—176. 2) United States Exploring Expedition. Ethnography. Philadelphia 1846. p. 122. 3) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 224. 4) Bericht von Hrn. de Lapelin in Revue maritime et coloniale. Novbr. 1872. tom. XXXV. Paris 1872. p. 105. u. Palmer, Visit to Easter Island im Journal of the R. Geogr. Society. London 1870. vol. XL. p. 108. 24*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/389
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/389>, abgerufen am 23.12.2024.