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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
Singvögel vor räuberischen Händen, Verbote gegen das Tragen
von Waffen oder das scharfe Reiten durch die Gassen der Städte.
Wollten wir einer Angabe aus dem Jahre 282 n. Chr. folgen, so
hätte schon zu Yü's Zeiten China eine Bevölkerung von 13,553,923
Köpfen besessen, allein James Legge hält alle Volksziffern aus dem
alten Reiche nur für müssige Rechnungsübungen späterer chinesi-
schen Gelehrten 1). Das Gebiet des ersten Herrscherhauses hatte
noch Raum in dem grossen Ellenbogen den der Hoangho in der
Provinz Schansi bildet und lange Zeiträume verstrichen, ehe es
sich bis zum Yangtsekiang erstreckte. Erst 537 v. Chr. wurde
Tschekiang einverleibt und Südchina, das heisst Fokien, Kuang-
tung, Kuangsi, Kueitscheu im Süden der Nanlingkette durch
Colonisten seit 214 v. Chr. erworben, ebenso friedlich oder viel-
mehr friedlicher als die Unionsstaaten unter unsern Augen über
den Mississippi in den fernen Westen hinausgewachsen sind. An
Ausbreitung hat China noch 1255 n. Chr, gewonnen, als die Mon-
golen Yünnan ihm hinzufügten, ja die Insel Formosa ist erst 1683
in den Besitz des Reiches gekommen 2). Wenn dagegen seit den
letzten zwanzig Jahren nicht bloss das transamurische Gebiet,
sondern grosse Bruchstücke Mandschuriens an Russland abgetreten
wurden, wenn Kaschgarien durch eine Empörung verloren ging
und im Süden Yünnans ein mohammedanisches Reich entstanden
ist, so muss man erwägen, dass diese Verluste in eine Zeit innerer
Zerrüttung fallen. Die Mandschu sind offenbar entkräftet worden
und China reift einem Dynastienwechsel entgegen, einer gesell-
schaftlichen Krankheit wie es deren schon manche erlitten und
überstanden hat, um stets wieder unter einem neuen Herrscher-
geschlechte frisch zu erblühen.

Ehe wir zur Untersuchung schreiten, inwiefern die Länder-
beschaffenheit den Entwicklungsgang der chinesischen Gesellschaft
gefördert habe, müssen wir zuvor über die körperlichen und gei-
stigen Befähigungen, sowie über die Gemüthsart des Volkes uns
unterrichten. Es ist zunächst an die Biegsamkeit des chinesischen
Menschenschlages zu erinnern, der, allen Gegensätzen der Luft-
erwärmung zum Trotz, in Kiachta oder genauer in Maimatschin

1) Chinese Classics. vol. III, part. 1. p. 77--79.
2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung China's unter den drei
ersten Dynastien. München 1865. S. 8.

Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
Singvögel vor räuberischen Händen, Verbote gegen das Tragen
von Waffen oder das scharfe Reiten durch die Gassen der Städte.
Wollten wir einer Angabe aus dem Jahre 282 n. Chr. folgen, so
hätte schon zu Yü’s Zeiten China eine Bevölkerung von 13,553,923
Köpfen besessen, allein James Legge hält alle Volksziffern aus dem
alten Reiche nur für müssige Rechnungsübungen späterer chinesi-
schen Gelehrten 1). Das Gebiet des ersten Herrscherhauses hatte
noch Raum in dem grossen Ellenbogen den der Hoangho in der
Provinz Schansi bildet und lange Zeiträume verstrichen, ehe es
sich bis zum Yangtsekiang erstreckte. Erst 537 v. Chr. wurde
Tschekiang einverleibt und Südchina, das heisst Fokien, Kuang-
tung, Kuangsi, Kueitscheu im Süden der Nanlingkette durch
Colonisten seit 214 v. Chr. erworben, ebenso friedlich oder viel-
mehr friedlicher als die Unionsstaaten unter unsern Augen über
den Mississippi in den fernen Westen hinausgewachsen sind. An
Ausbreitung hat China noch 1255 n. Chr, gewonnen, als die Mon-
golen Yünnan ihm hinzufügten, ja die Insel Formosa ist erst 1683
in den Besitz des Reiches gekommen 2). Wenn dagegen seit den
letzten zwanzig Jahren nicht bloss das transamurische Gebiet,
sondern grosse Bruchstücke Mandschuriens an Russland abgetreten
wurden, wenn Kaschgarien durch eine Empörung verloren ging
und im Süden Yünnans ein mohammedanisches Reich entstanden
ist, so muss man erwägen, dass diese Verluste in eine Zeit innerer
Zerrüttung fallen. Die Mandschu sind offenbar entkräftet worden
und China reift einem Dynastienwechsel entgegen, einer gesell-
schaftlichen Krankheit wie es deren schon manche erlitten und
überstanden hat, um stets wieder unter einem neuen Herrscher-
geschlechte frisch zu erblühen.

Ehe wir zur Untersuchung schreiten, inwiefern die Länder-
beschaffenheit den Entwicklungsgang der chinesischen Gesellschaft
gefördert habe, müssen wir zuvor über die körperlichen und gei-
stigen Befähigungen, sowie über die Gemüthsart des Volkes uns
unterrichten. Es ist zunächst an die Biegsamkeit des chinesischen
Menschenschlages zu erinnern, der, allen Gegensätzen der Luft-
erwärmung zum Trotz, in Kiachta oder genauer in Maimatschin

1) Chinese Classics. vol. III, part. 1. p. 77—79.
2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung China’s unter den drei
ersten Dynastien. München 1865. S. 8.
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[391/0409] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. Singvögel vor räuberischen Händen, Verbote gegen das Tragen von Waffen oder das scharfe Reiten durch die Gassen der Städte. Wollten wir einer Angabe aus dem Jahre 282 n. Chr. folgen, so hätte schon zu Yü’s Zeiten China eine Bevölkerung von 13,553,923 Köpfen besessen, allein James Legge hält alle Volksziffern aus dem alten Reiche nur für müssige Rechnungsübungen späterer chinesi- schen Gelehrten 1). Das Gebiet des ersten Herrscherhauses hatte noch Raum in dem grossen Ellenbogen den der Hoangho in der Provinz Schansi bildet und lange Zeiträume verstrichen, ehe es sich bis zum Yangtsekiang erstreckte. Erst 537 v. Chr. wurde Tschekiang einverleibt und Südchina, das heisst Fokien, Kuang- tung, Kuangsi, Kueitscheu im Süden der Nanlingkette durch Colonisten seit 214 v. Chr. erworben, ebenso friedlich oder viel- mehr friedlicher als die Unionsstaaten unter unsern Augen über den Mississippi in den fernen Westen hinausgewachsen sind. An Ausbreitung hat China noch 1255 n. Chr, gewonnen, als die Mon- golen Yünnan ihm hinzufügten, ja die Insel Formosa ist erst 1683 in den Besitz des Reiches gekommen 2). Wenn dagegen seit den letzten zwanzig Jahren nicht bloss das transamurische Gebiet, sondern grosse Bruchstücke Mandschuriens an Russland abgetreten wurden, wenn Kaschgarien durch eine Empörung verloren ging und im Süden Yünnans ein mohammedanisches Reich entstanden ist, so muss man erwägen, dass diese Verluste in eine Zeit innerer Zerrüttung fallen. Die Mandschu sind offenbar entkräftet worden und China reift einem Dynastienwechsel entgegen, einer gesell- schaftlichen Krankheit wie es deren schon manche erlitten und überstanden hat, um stets wieder unter einem neuen Herrscher- geschlechte frisch zu erblühen. Ehe wir zur Untersuchung schreiten, inwiefern die Länder- beschaffenheit den Entwicklungsgang der chinesischen Gesellschaft gefördert habe, müssen wir zuvor über die körperlichen und gei- stigen Befähigungen, sowie über die Gemüthsart des Volkes uns unterrichten. Es ist zunächst an die Biegsamkeit des chinesischen Menschenschlages zu erinnern, der, allen Gegensätzen der Luft- erwärmung zum Trotz, in Kiachta oder genauer in Maimatschin 1) Chinese Classics. vol. III, part. 1. p. 77—79. 2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung China’s unter den drei ersten Dynastien. München 1865. S. 8.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/409>, abgerufen am 23.12.2024.