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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
Gueren, zwischen Parahiba und Rio das Contas ausgestreut. Cren
bedeutet wie Cran "die Häupter". Zu den Cren gehören die
Botocuden, die Coroados, Puris und Malalis. Im Innern der Pro-
vinzen Bahia, Pernambuco und Piauhy fasst Martius etliche Indianer-
stämme als Guck- oder Cocohorden zusammen, weil sie sämmtlich
mit diesen Worten den Mutterbruder bezeichnen. Zu ihnen ge-
hören am Amazonas Indianer, die sich Ore Manoas, das heisst
wir die Manoas, nennen, in Guayana und Venezuela die Macusi
und die Maypures. Hatten wir in Nordamerika doch wenigstens
etliche Völkernamen gefunden, so stossen wir in Brasilien nur auf
Hordennamen, deren Hr. v. Martius allein am Rio Negro nicht
weniger als 106 sammelte. Das Bewusstsein, einem Volke anzu-
gehören, setzt bereits eine höhere gesellschaftliche Entwickelung
und gemeinsame geschichtliche Thaten voraus, die dort fehlen.
Nur wenig bessern sich die Zustände am Amazonas. Dort finden
wir die kriegerischen Mundrucu, als Mischlinge den Tupi verwandt,
die sich durch strenge Mannszucht, durch den Gebrauch von
Trompetensignalen im Gefechte und einen geordneten Vorposten-
dienst in Kriegszeiten auszeichnen. Am Rio Negro sitzen die
Miranhas, ehemals Menschenfresser, sonst bekannt als Verfertiger
hochgeschätzter Hängematten, von denen jede sechs Wochen Arbeit
kostet. Da wo der Amazonas der peruanischen Grenze sich
nähert, stossen wir auf die Tecuna, deren Maskenspiele uns bereits
wichtig geworden sind, und an der venezuelanischen Grenze auf
die Uapes, deren geräumige Bauten wir gerühmt haben 1). In
Guayana durcheinander gestreut wohnen hauptsächlich zwei Völker,
die Arowaken oder "Mehlleute", so geheissen, weil wir in ihnen
die Erfinder der Tapiocabereitung zu verehren haben, und die
Cariben, missbräuchlich seit dem 17. Jahrhundert Caraiben ge-
nannt, denen die Spanier alles Hassenswürdige zugeschrieben
haben und die wegen ihrer Rohheit verrufen blieben, bis sie seit
A. v. Humboldt's und der Brüder Schomburgk Reiseerfahrungen
als ein unverdorbener Volksstamm voll besserer Regungen erkannt
wurden 2).

1) S. oben S. 186.
2) Wie Richard Schomburgk bemerkt, vergiften sie ihre Pfeile
nicht, obgleich auf ihrem Gebiete die Curarepflanze (Strychnos toxifera) vor-
kommt. Reisen in Britisch-Guiana. Leipzig 1848. Bd. 2. S. 429.
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Die amerikanische Urbevölkerung.
Gueren, zwischen Parahiba und Rio das Contas ausgestreut. Cren
bedeutet wie Cran „die Häupter“. Zu den Cren gehören die
Botocuden, die Coroados, Puris und Malalis. Im Innern der Pro-
vinzen Bahia, Pernambuco und Piauhy fasst Martius etliche Indianer-
stämme als Guck- oder Cocohorden zusammen, weil sie sämmtlich
mit diesen Worten den Mutterbruder bezeichnen. Zu ihnen ge-
hören am Amazonas Indianer, die sich Ore Manoas, das heisst
wir die Manoas, nennen, in Guayana und Venezuela die Macusi
und die Maypures. Hatten wir in Nordamerika doch wenigstens
etliche Völkernamen gefunden, so stossen wir in Brasilien nur auf
Hordennamen, deren Hr. v. Martius allein am Rio Negro nicht
weniger als 106 sammelte. Das Bewusstsein, einem Volke anzu-
gehören, setzt bereits eine höhere gesellschaftliche Entwickelung
und gemeinsame geschichtliche Thaten voraus, die dort fehlen.
Nur wenig bessern sich die Zustände am Amazonas. Dort finden
wir die kriegerischen Mundrucu, als Mischlinge den Tupi verwandt,
die sich durch strenge Mannszucht, durch den Gebrauch von
Trompetensignalen im Gefechte und einen geordneten Vorposten-
dienst in Kriegszeiten auszeichnen. Am Rio Negro sitzen die
Miranhas, ehemals Menschenfresser, sonst bekannt als Verfertiger
hochgeschätzter Hängematten, von denen jede sechs Wochen Arbeit
kostet. Da wo der Amazonas der peruanischen Grenze sich
nähert, stossen wir auf die Tecuna, deren Maskenspiele uns bereits
wichtig geworden sind, und an der venezuelanischen Grenze auf
die Uapes, deren geräumige Bauten wir gerühmt haben 1). In
Guayana durcheinander gestreut wohnen hauptsächlich zwei Völker,
die Arowaken oder „Mehlleute“, so geheissen, weil wir in ihnen
die Erfinder der Tapiocabereitung zu verehren haben, und die
Cariben, missbräuchlich seit dem 17. Jahrhundert Caraiben ge-
nannt, denen die Spanier alles Hassenswürdige zugeschrieben
haben und die wegen ihrer Rohheit verrufen blieben, bis sie seit
A. v. Humboldt’s und der Brüder Schomburgk Reiseerfahrungen
als ein unverdorbener Volksstamm voll besserer Regungen erkannt
wurden 2).

1) S. oben S. 186.
2) Wie Richard Schomburgk bemerkt, vergiften sie ihre Pfeile
nicht, obgleich auf ihrem Gebiete die Curarépflanze (Strychnos toxifera) vor-
kommt. Reisen in Britisch-Guiana. Leipzig 1848. Bd. 2. S. 429.
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[451/0469] Die amerikanische Urbevölkerung. Gueren, zwischen Parahiba und Rio das Contas ausgestreut. Cren bedeutet wie Cran „die Häupter“. Zu den Cren gehören die Botocuden, die Coroados, Puris und Malalis. Im Innern der Pro- vinzen Bahia, Pernambuco und Piauhy fasst Martius etliche Indianer- stämme als Guck- oder Cocohorden zusammen, weil sie sämmtlich mit diesen Worten den Mutterbruder bezeichnen. Zu ihnen ge- hören am Amazonas Indianer, die sich Ore Manoas, das heisst wir die Manoas, nennen, in Guayana und Venezuela die Macusi und die Maypures. Hatten wir in Nordamerika doch wenigstens etliche Völkernamen gefunden, so stossen wir in Brasilien nur auf Hordennamen, deren Hr. v. Martius allein am Rio Negro nicht weniger als 106 sammelte. Das Bewusstsein, einem Volke anzu- gehören, setzt bereits eine höhere gesellschaftliche Entwickelung und gemeinsame geschichtliche Thaten voraus, die dort fehlen. Nur wenig bessern sich die Zustände am Amazonas. Dort finden wir die kriegerischen Mundrucu, als Mischlinge den Tupi verwandt, die sich durch strenge Mannszucht, durch den Gebrauch von Trompetensignalen im Gefechte und einen geordneten Vorposten- dienst in Kriegszeiten auszeichnen. Am Rio Negro sitzen die Miranhas, ehemals Menschenfresser, sonst bekannt als Verfertiger hochgeschätzter Hängematten, von denen jede sechs Wochen Arbeit kostet. Da wo der Amazonas der peruanischen Grenze sich nähert, stossen wir auf die Tecuna, deren Maskenspiele uns bereits wichtig geworden sind, und an der venezuelanischen Grenze auf die Uapes, deren geräumige Bauten wir gerühmt haben 1). In Guayana durcheinander gestreut wohnen hauptsächlich zwei Völker, die Arowaken oder „Mehlleute“, so geheissen, weil wir in ihnen die Erfinder der Tapiocabereitung zu verehren haben, und die Cariben, missbräuchlich seit dem 17. Jahrhundert Caraiben ge- nannt, denen die Spanier alles Hassenswürdige zugeschrieben haben und die wegen ihrer Rohheit verrufen blieben, bis sie seit A. v. Humboldt’s und der Brüder Schomburgk Reiseerfahrungen als ein unverdorbener Volksstamm voll besserer Regungen erkannt wurden 2). 1) S. oben S. 186. 2) Wie Richard Schomburgk bemerkt, vergiften sie ihre Pfeile nicht, obgleich auf ihrem Gebiete die Curarépflanze (Strychnos toxifera) vor- kommt. Reisen in Britisch-Guiana. Leipzig 1848. Bd. 2. S. 429. 29*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/469>, abgerufen am 23.12.2024.