Anlagen ist die mongolenähnliche Race der neuen Welt den transsaharischen Afrikanern weit überlegen gewesen, zumal alle Culturleistungen in Amerika von dem Verdacht fremder Anleitung völlig befreit sind.
Dafür war in Afrika die Entwicklung viel gleichförmiger, denn überall treffen wir dort Ackerbau und Viehzucht, ja nicht bloss Viehzucht, sondern recht eigentliche Milchwirthschaft. Als Halb- insel der alten Welt war Afrika auch für diese Fortschritte in der Ernährungsweise vor Amerika begünstigt. Dieses besitzt als einzige Getreideart den Mais, in Afrika finden wir dafür zwei, die Neger- hirse oder Dochn (Panicum oder Pennisetum distichum und P. dy- phoideum) und das Kafirkorn (Holcus sorghum oder Sorghum vulgare). Leider versagt die Pflanzengeographie noch immer uns ihren Beistand, um entscheiden zu können, ob jene jetzt durch und durch afrikanischen Getreidearten in Afrika selbst zu Cultur- pflanzen veredelt oder nur eingeführt worden sind. Das tropische Amerika hat ferner an essbaren Wurzeln die Mandioca, und in den kühleren Theilen die Kartoffel, zu welcher sich auf den höch- sten Hochlanden als Getreideart noch die Quinoahirse gesellt. Afrika besitzt dafür die "Brodwurzeln" (sp.?), von denen Barth uns mittheilt, dass sie in einigen Landschaften Adamauas zur Tagesnahrung dienen, ausserdem die Erdmandeln. Leider wissen wir auch in Bezug auf letztere (Arachis hypogaea) nicht genau, ob sie in Afrika zuerst angebaut worden sind. In Bezug auf die Fruchtbäume halten sich beide Theile das Gleichgewicht, wenn nicht Amerika für bevorzugt gelten darf. Doch gehören Afrika die Dum- und Oelpalmen, sowie der Butterbaum (Bassia Parkii). Sollten auch die Neger keine ihrer einheimischen Getreidearten zuerst veredelt haben, so griffen sie doch bereitwillig nach allen Culturgeschenken, die Fremde ihnen boten. Mögen sie aus Ae- gypten oder Abessinien die erste Aussaat empfangen haben, rasch ist sie durch den ganzen Welttheil gewandert, gerade so wie jetzt der Mais, die Maniocwurzel 1), der Weizen, die Gerste, das Zucker- rohr u. a. sich oft weit in's Innere schon verbreitet haben. Selbst
1) Selbst bei den Bongonegern westlich vom weissen Nil sah Schwein- furth (Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 76) Maisfelder und bei den Mon- buttu am Uelle den Anbau von Jatropha Manihot. (Zeitschrift für Ethnologie. 1873. Heft 1. S. 5.)
Die Neger.
Anlagen ist die mongolenähnliche Race der neuen Welt den transsaharischen Afrikanern weit überlegen gewesen, zumal alle Culturleistungen in Amerika von dem Verdacht fremder Anleitung völlig befreit sind.
Dafür war in Afrika die Entwicklung viel gleichförmiger, denn überall treffen wir dort Ackerbau und Viehzucht, ja nicht bloss Viehzucht, sondern recht eigentliche Milchwirthschaft. Als Halb- insel der alten Welt war Afrika auch für diese Fortschritte in der Ernährungsweise vor Amerika begünstigt. Dieses besitzt als einzige Getreideart den Mais, in Afrika finden wir dafür zwei, die Neger- hirse oder Dochn (Panicum oder Pennisetum distichum und P. dy- phoideum) und das Kafirkorn (Holcus sorghum oder Sorghum vulgare). Leider versagt die Pflanzengeographie noch immer uns ihren Beistand, um entscheiden zu können, ob jene jetzt durch und durch afrikanischen Getreidearten in Afrika selbst zu Cultur- pflanzen veredelt oder nur eingeführt worden sind. Das tropische Amerika hat ferner an essbaren Wurzeln die Mandioca, und in den kühleren Theilen die Kartoffel, zu welcher sich auf den höch- sten Hochlanden als Getreideart noch die Quinoahirse gesellt. Afrika besitzt dafür die „Brodwurzeln“ (sp.?), von denen Barth uns mittheilt, dass sie in einigen Landschaften Adamauas zur Tagesnahrung dienen, ausserdem die Erdmandeln. Leider wissen wir auch in Bezug auf letztere (Arachis hypogaea) nicht genau, ob sie in Afrika zuerst angebaut worden sind. In Bezug auf die Fruchtbäume halten sich beide Theile das Gleichgewicht, wenn nicht Amerika für bevorzugt gelten darf. Doch gehören Afrika die Dum- und Oelpalmen, sowie der Butterbaum (Bassia Parkii). Sollten auch die Neger keine ihrer einheimischen Getreidearten zuerst veredelt haben, so griffen sie doch bereitwillig nach allen Culturgeschenken, die Fremde ihnen boten. Mögen sie aus Ae- gypten oder Abessinien die erste Aussaat empfangen haben, rasch ist sie durch den ganzen Welttheil gewandert, gerade so wie jetzt der Mais, die Maniocwurzel 1), der Weizen, die Gerste, das Zucker- rohr u. a. sich oft weit in’s Innere schon verbreitet haben. Selbst
1) Selbst bei den Bongonegern westlich vom weissen Nil sah Schwein- furth (Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 76) Maisfelder und bei den Mon- buttu am Uëlle den Anbau von Jatropha Manihot. (Zeitschrift für Ethnologie. 1873. Heft 1. S. 5.)
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Die Neger.
Anlagen ist die mongolenähnliche Race der neuen Welt den
transsaharischen Afrikanern weit überlegen gewesen, zumal alle
Culturleistungen in Amerika von dem Verdacht fremder Anleitung
völlig befreit sind.
Dafür war in Afrika die Entwicklung viel gleichförmiger, denn
überall treffen wir dort Ackerbau und Viehzucht, ja nicht bloss
Viehzucht, sondern recht eigentliche Milchwirthschaft. Als Halb-
insel der alten Welt war Afrika auch für diese Fortschritte in der
Ernährungsweise vor Amerika begünstigt. Dieses besitzt als einzige
Getreideart den Mais, in Afrika finden wir dafür zwei, die Neger-
hirse oder Dochn (Panicum oder Pennisetum distichum und P. dy-
phoideum) und das Kafirkorn (Holcus sorghum oder Sorghum
vulgare). Leider versagt die Pflanzengeographie noch immer uns
ihren Beistand, um entscheiden zu können, ob jene jetzt durch
und durch afrikanischen Getreidearten in Afrika selbst zu Cultur-
pflanzen veredelt oder nur eingeführt worden sind. Das tropische
Amerika hat ferner an essbaren Wurzeln die Mandioca, und in
den kühleren Theilen die Kartoffel, zu welcher sich auf den höch-
sten Hochlanden als Getreideart noch die Quinoahirse gesellt.
Afrika besitzt dafür die „Brodwurzeln“ (sp.?), von denen Barth
uns mittheilt, dass sie in einigen Landschaften Adamauas zur
Tagesnahrung dienen, ausserdem die Erdmandeln. Leider wissen
wir auch in Bezug auf letztere (Arachis hypogaea) nicht genau, ob
sie in Afrika zuerst angebaut worden sind. In Bezug auf die
Fruchtbäume halten sich beide Theile das Gleichgewicht, wenn
nicht Amerika für bevorzugt gelten darf. Doch gehören Afrika
die Dum- und Oelpalmen, sowie der Butterbaum (Bassia Parkii).
Sollten auch die Neger keine ihrer einheimischen Getreidearten
zuerst veredelt haben, so griffen sie doch bereitwillig nach allen
Culturgeschenken, die Fremde ihnen boten. Mögen sie aus Ae-
gypten oder Abessinien die erste Aussaat empfangen haben, rasch
ist sie durch den ganzen Welttheil gewandert, gerade so wie jetzt
der Mais, die Maniocwurzel 1), der Weizen, die Gerste, das Zucker-
rohr u. a. sich oft weit in’s Innere schon verbreitet haben. Selbst
1) Selbst bei den Bongonegern westlich vom weissen Nil sah Schwein-
furth (Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 76) Maisfelder und bei den Mon-
buttu am Uëlle den Anbau von Jatropha Manihot. (Zeitschrift für Ethnologie.
1873. Heft 1. S. 5.)
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/529>, abgerufen am 23.12.2024.
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