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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Neger.
Bantuneger offenbart sich darin, dass sie die Abtreibung der
Leibesfrucht1) für strafbar halten und auch den Arzt, der dabei
behilflich war, mit einer Busse bedrohen. Bei Verläumdungen
muss dem Verletzten eine Entschädigung gezahlt werden, denn
"guter Ruf gehöre zum Vermögen"2).

Rührend ist bei Negerkindern ihre Elternliebe, die sich je-
doch nur wenig dem Vater zukehrt. Die Herero (Damara) schwören
"bei den Thränen ihrer Mütter"3). Aus dem Munde eines Man-
dingoburschen hörte Mungo Park4) die Worte: Schlage mich,
wenn Du willst, nur schmähe meine Mutter nicht. Auch verdienen,
fährt der genannte Reisende fort, Mandingomütter diese Liebe,
denn sie sorgen streng für das sittliche Gedeihen ihrer Kinder.
Der höchste Preis aus dem Munde einer solchen Mutter lautet:
Niemals hat mein Sohn gelogen! Ihre Dichter und Barden
brauchen nie zu hungern, denn die Mandingo beschenken sie
reichlich für Gesänge, in denen sie die Thaten des Volkes ver-
herrlichen5). An Sprichwörtern voll goldner Lebensregeln ist bei
Sudan- und Bantunegern kein Mangel. Im Joruba sagt man zur
Bezeichnung eines Schwachkopfes: er weiss nicht, wie viel neun
mal neun ist6). Der Mandingo ersehnt nichts heisser, als dort zu
sterben, wo er geboren wurde. Kein Wasser dünkt ihm so süss,
wie daheim, kein Schatten so erquicklich als der des Tabbabaumes
in seinem Dorfe. Stirbt ein Neger der Goldküste auswärts, so
trachtet man danach, seine Leiche am Geburtsort zu beerdigen7).
Wenn auch einige oder mehrere Stämme durch Trägheit unser
Missfallen erwecken, so führt Otto Kersten8) Beispiele von ost-
afrikanischen Negern an, um zu zeigen, dass sie freiwillig durch
Fleiss ihre Zustände zu bessern suchen. Ihre Geduld und ihre
Geschicklichkeit zeigen die Bewohner der Goldküste bei Anfertigung

1) Maclean, l. c. p. III.
2) Ausland. 1863. S. 1069.
3) Andersson, Reisen in Südwestafrika. Bd. 1. S. 247.
4) Reisen im Innern von Afrika. Berlin 1799. S. 237.
5) Mungo Park l. c. S. 249.
6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 240.
7) Mungo Park l. c. S. 261. Bosman, Guinese Goud-kust. tom. II.
pag. 15.
8) v. d. Decken's Reisen in Ostafrika. Bd. 2. S. 302--303.

Die Neger.
Bantuneger offenbart sich darin, dass sie die Abtreibung der
Leibesfrucht1) für strafbar halten und auch den Arzt, der dabei
behilflich war, mit einer Busse bedrohen. Bei Verläumdungen
muss dem Verletzten eine Entschädigung gezahlt werden, denn
„guter Ruf gehöre zum Vermögen“2).

Rührend ist bei Negerkindern ihre Elternliebe, die sich je-
doch nur wenig dem Vater zukehrt. Die Herero (Damara) schwören
„bei den Thränen ihrer Mütter“3). Aus dem Munde eines Man-
dingoburschen hörte Mungo Park4) die Worte: Schlage mich,
wenn Du willst, nur schmähe meine Mutter nicht. Auch verdienen,
fährt der genannte Reisende fort, Mandingomütter diese Liebe,
denn sie sorgen streng für das sittliche Gedeihen ihrer Kinder.
Der höchste Preis aus dem Munde einer solchen Mutter lautet:
Niemals hat mein Sohn gelogen! Ihre Dichter und Barden
brauchen nie zu hungern, denn die Mandingo beschenken sie
reichlich für Gesänge, in denen sie die Thaten des Volkes ver-
herrlichen5). An Sprichwörtern voll goldner Lebensregeln ist bei
Sudan- und Bantunegern kein Mangel. Im Joruba sagt man zur
Bezeichnung eines Schwachkopfes: er weiss nicht, wie viel neun
mal neun ist6). Der Mandingo ersehnt nichts heisser, als dort zu
sterben, wo er geboren wurde. Kein Wasser dünkt ihm so süss,
wie daheim, kein Schatten so erquicklich als der des Tabbabaumes
in seinem Dorfe. Stirbt ein Neger der Goldküste auswärts, so
trachtet man danach, seine Leiche am Geburtsort zu beerdigen7).
Wenn auch einige oder mehrere Stämme durch Trägheit unser
Missfallen erwecken, so führt Otto Kersten8) Beispiele von ost-
afrikanischen Negern an, um zu zeigen, dass sie freiwillig durch
Fleiss ihre Zustände zu bessern suchen. Ihre Geduld und ihre
Geschicklichkeit zeigen die Bewohner der Goldküste bei Anfertigung

1) Maclean, l. c. p. III.
2) Ausland. 1863. S. 1069.
3) Andersson, Reisen in Südwestafrika. Bd. 1. S. 247.
4) Reisen im Innern von Afrika. Berlin 1799. S. 237.
5) Mungo Park l. c. S. 249.
6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 240.
7) Mungo Park l. c. S. 261. Bosman, Guinese Goud-kust. tom. II.
pag. 15.
8) v. d. Decken’s Reisen in Ostafrika. Bd. 2. S. 302—303.
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[514/0532] Die Neger. Bantuneger offenbart sich darin, dass sie die Abtreibung der Leibesfrucht 1) für strafbar halten und auch den Arzt, der dabei behilflich war, mit einer Busse bedrohen. Bei Verläumdungen muss dem Verletzten eine Entschädigung gezahlt werden, denn „guter Ruf gehöre zum Vermögen“ 2). Rührend ist bei Negerkindern ihre Elternliebe, die sich je- doch nur wenig dem Vater zukehrt. Die Herero (Damara) schwören „bei den Thränen ihrer Mütter“ 3). Aus dem Munde eines Man- dingoburschen hörte Mungo Park 4) die Worte: Schlage mich, wenn Du willst, nur schmähe meine Mutter nicht. Auch verdienen, fährt der genannte Reisende fort, Mandingomütter diese Liebe, denn sie sorgen streng für das sittliche Gedeihen ihrer Kinder. Der höchste Preis aus dem Munde einer solchen Mutter lautet: Niemals hat mein Sohn gelogen! Ihre Dichter und Barden brauchen nie zu hungern, denn die Mandingo beschenken sie reichlich für Gesänge, in denen sie die Thaten des Volkes ver- herrlichen 5). An Sprichwörtern voll goldner Lebensregeln ist bei Sudan- und Bantunegern kein Mangel. Im Joruba sagt man zur Bezeichnung eines Schwachkopfes: er weiss nicht, wie viel neun mal neun ist 6). Der Mandingo ersehnt nichts heisser, als dort zu sterben, wo er geboren wurde. Kein Wasser dünkt ihm so süss, wie daheim, kein Schatten so erquicklich als der des Tabbabaumes in seinem Dorfe. Stirbt ein Neger der Goldküste auswärts, so trachtet man danach, seine Leiche am Geburtsort zu beerdigen 7). Wenn auch einige oder mehrere Stämme durch Trägheit unser Missfallen erwecken, so führt Otto Kersten 8) Beispiele von ost- afrikanischen Negern an, um zu zeigen, dass sie freiwillig durch Fleiss ihre Zustände zu bessern suchen. Ihre Geduld und ihre Geschicklichkeit zeigen die Bewohner der Goldküste bei Anfertigung 1) Maclean, l. c. p. III. 2) Ausland. 1863. S. 1069. 3) Andersson, Reisen in Südwestafrika. Bd. 1. S. 247. 4) Reisen im Innern von Afrika. Berlin 1799. S. 237. 5) Mungo Park l. c. S. 249. 6) Tylor, Anfänge der Cultur. Bd. 1. S. 240. 7) Mungo Park l. c. S. 261. Bosman, Guinese Goud-kust. tom. II. pag. 15. 8) v. d. Decken’s Reisen in Ostafrika. Bd. 2. S. 302—303.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/532>, abgerufen am 23.12.2024.