Uebrigens ist das Vorgetragene nur eine Hypothese, die nie- manden beunruhigen darf, der sich lieber das Paradies dort denkt, wo die Lotosblumen blühen, oder der sich vielleicht nach den mit Papyrusstauden umsäumten Ufern der frischentdeckten Nilseen sehnt, oder der es noch näher dem biblischen Morgenlande rücken möchte. Der Werth der Hypothese liegt darin, dass sie eine Herausforderug enthält, eine Herausforderung zu geologischen Untersuchungen Ma- dagaskars, Ceylons, der Insel Rodriguez, sowie zu Seetiefenmessungen im indischen Ocean, ob noch Höhenüberreste des verschwundenen Lemurien vorhanden sein möchten. Unerlässlich bleibt nur die Behauptung eines einzigen Ausgangsortes sämmtlicher Menschen- racen, im Gegensatz zur Anthropologenschule unter den Ameri- kanern, die in neuester Zeit über hundert Menschenarten, nicht Menschenracen, überhaupt so viele geschaffen hat, als Völker- typen sich aufstellen lassen, und die sie durch einen grossen Saat- wurf des Schöpfers sogleich in Mehrzahl wie Bienenschwärme dort ausgestreut sich denkt, wo sie noch jetzt sitzen.
Eine solche Hypothese beantwortet uns nicht, warum die In- seln bei jenem Saatwurf leer ausgingen, warum die einzelnen Welt- theile durch ihre Thier- und Pflanzenwelten als Provinzen sich charakterisiren lassen. Sie verzichtet überhaupt auf jede Erklä- rung der Gegenwart aus der Vergangenheit, während es doch tief begründet liegt in der menschlichen Natur, nicht eher sich mit den beobachteten Thatsachen auszusöhnen als bis wir sie irgend einer Causalität untergeordnet haben.
Schöpfungsherd des Menschengeschlechtes.
Uebrigens ist das Vorgetragene nur eine Hypothese, die nie- manden beunruhigen darf, der sich lieber das Paradies dort denkt, wo die Lotosblumen blühen, oder der sich vielleicht nach den mit Papyrusstauden umsäumten Ufern der frischentdeckten Nilseen sehnt, oder der es noch näher dem biblischen Morgenlande rücken möchte. Der Werth der Hypothese liegt darin, dass sie eine Herausforderug enthält, eine Herausforderung zu geologischen Untersuchungen Ma- dagaskars, Ceylons, der Insel Rodriguez, sowie zu Seetiefenmessungen im indischen Ocean, ob noch Höhenüberreste des verschwundenen Lemurien vorhanden sein möchten. Unerlässlich bleibt nur die Behauptung eines einzigen Ausgangsortes sämmtlicher Menschen- racen, im Gegensatz zur Anthropologenschule unter den Ameri- kanern, die in neuester Zeit über hundert Menschenarten, nicht Menschenracen, überhaupt so viele geschaffen hat, als Völker- typen sich aufstellen lassen, und die sie durch einen grossen Saat- wurf des Schöpfers sogleich in Mehrzahl wie Bienenschwärme dort ausgestreut sich denkt, wo sie noch jetzt sitzen.
Eine solche Hypothese beantwortet uns nicht, warum die In- seln bei jenem Saatwurf leer ausgingen, warum die einzelnen Welt- theile durch ihre Thier- und Pflanzenwelten als Provinzen sich charakterisiren lassen. Sie verzichtet überhaupt auf jede Erklä- rung der Gegenwart aus der Vergangenheit, während es doch tief begründet liegt in der menschlichen Natur, nicht eher sich mit den beobachteten Thatsachen auszusöhnen als bis wir sie irgend einer Causalität untergeordnet haben.
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Schöpfungsherd des Menschengeschlechtes.
Uebrigens ist das Vorgetragene nur eine Hypothese, die nie-
manden beunruhigen darf, der sich lieber das Paradies dort denkt,
wo die Lotosblumen blühen, oder der sich vielleicht nach den mit
Papyrusstauden umsäumten Ufern der frischentdeckten Nilseen sehnt,
oder der es noch näher dem biblischen Morgenlande rücken möchte.
Der Werth der Hypothese liegt darin, dass sie eine Herausforderug
enthält, eine Herausforderung zu geologischen Untersuchungen Ma-
dagaskars, Ceylons, der Insel Rodriguez, sowie zu Seetiefenmessungen
im indischen Ocean, ob noch Höhenüberreste des verschwundenen
Lemurien vorhanden sein möchten. Unerlässlich bleibt nur die
Behauptung eines einzigen Ausgangsortes sämmtlicher Menschen-
racen, im Gegensatz zur Anthropologenschule unter den Ameri-
kanern, die in neuester Zeit über hundert Menschenarten, nicht
Menschenracen, überhaupt so viele geschaffen hat, als Völker-
typen sich aufstellen lassen, und die sie durch einen grossen Saat-
wurf des Schöpfers sogleich in Mehrzahl wie Bienenschwärme dort
ausgestreut sich denkt, wo sie noch jetzt sitzen.
Eine solche Hypothese beantwortet uns nicht, warum die In-
seln bei jenem Saatwurf leer ausgingen, warum die einzelnen Welt-
theile durch ihre Thier- und Pflanzenwelten als Provinzen sich
charakterisiren lassen. Sie verzichtet überhaupt auf jede Erklä-
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/54>, abgerufen am 22.12.2024.
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