Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels. schen und völlig entfremdet der Musterform sind die westameri-kanischen. "Dass die Eskimo des Polarkreises", fährt er fort, "ein und dasselbe Volk sein sollen, ist eine unzulässige Ansicht, mögen sie auch noch so oft von Reisenden verwechselt oder Beweise in ihrer Sprache gefunden worden sein. Ihre Körpereigenthümlich- keiten sind zweifellos verschiedne 1)". Nun hat ein grosser Kenner nordischer Alterthümer jüngst gezeigt, dass die Eskimo erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich über Grönland verbreitet haben 2), und ferner hätte der britische Craniolog schon aus Capt. Hall's Beschreibungen sich unterrichten können, dass die Eskimomütter den Schädel der Neugebornen seitlich pressen und ihm eine eng- schliessende Lederkappe überziehen, um die gewünschte pyramidale Gestalt künstlich zu erzeugen 3). Was den bisherigen Ergebnissen der Schädelmessungen noch Von gleicher Wichtigkeit wie die Verhältnisse des Breitendurch- 1) Thesaurus Craniorum. p. 224. 2) Konrad Maurer in der Zweiten deutschen Nordpolarfahrt. Leipzig 1873. Bd. 1. S. 234. 3) Life with the Esquimaux. London 1865. p. 520. 4) Alex. Ecker misst dagegen zuerst vom vorderen Rande und sodann vom hinteren Rande des Hinterhauptloches nach der höchsten Erhebung des Hinterhauptes. Crania Germaniae merid. p. 3. Das Mittel aus beiden Mes- sungen ist wohl diejenige "Höhe", welche der Völkerkunde für Classifications- zwecke die wünschenswertheste wäre. 5) Craniologische Mittheilungen. S. 154.
Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels. schen und völlig entfremdet der Musterform sind die westameri-kanischen. „Dass die Eskimo des Polarkreises“, fährt er fort, „ein und dasselbe Volk sein sollen, ist eine unzulässige Ansicht, mögen sie auch noch so oft von Reisenden verwechselt oder Beweise in ihrer Sprache gefunden worden sein. Ihre Körpereigenthümlich- keiten sind zweifellos verschiedne 1)“. Nun hat ein grosser Kenner nordischer Alterthümer jüngst gezeigt, dass die Eskimo erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich über Grönland verbreitet haben 2), und ferner hätte der britische Craniolog schon aus Capt. Hall’s Beschreibungen sich unterrichten können, dass die Eskimomütter den Schädel der Neugebornen seitlich pressen und ihm eine eng- schliessende Lederkappe überziehen, um die gewünschte pyramidale Gestalt künstlich zu erzeugen 3). Was den bisherigen Ergebnissen der Schädelmessungen noch Von gleicher Wichtigkeit wie die Verhältnisse des Breitendurch- 1) Thesaurus Craniorum. p. 224. 2) Konrad Maurer in der Zweiten deutschen Nordpolarfahrt. Leipzig 1873. Bd. 1. S. 234. 3) Life with the Esquimaux. London 1865. p. 520. 4) Alex. Ecker misst dagegen zuerst vom vorderen Rande und sodann vom hinteren Rande des Hinterhauptloches nach der höchsten Erhebung des Hinterhauptes. Crania Germaniae merid. p. 3. Das Mittel aus beiden Mes- sungen ist wohl diejenige „Höhe“, welche der Völkerkunde für Classifications- zwecke die wünschenswertheste wäre. 5) Craniologische Mittheilungen. S. 154.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0080" n="62"/><fw place="top" type="header">Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.</fw><lb/> schen und völlig entfremdet der Musterform sind die westameri-<lb/> kanischen. „Dass die Eskimo des Polarkreises“, fährt er fort, „ein<lb/> und dasselbe Volk sein sollen, ist eine unzulässige Ansicht, mögen<lb/> sie auch noch so oft von Reisenden verwechselt oder Beweise in<lb/> ihrer Sprache gefunden worden sein. Ihre Körpereigenthümlich-<lb/> keiten sind zweifellos verschiedne <note place="foot" n="1)">Thesaurus Craniorum. p. 224.</note>“. Nun hat ein grosser Kenner<lb/> nordischer Alterthümer jüngst gezeigt, dass die Eskimo erst seit<lb/> der Mitte des 14. Jahrhunderts sich über Grönland verbreitet haben <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Konrad Maurer</hi> in der Zweiten deutschen Nordpolarfahrt. Leipzig<lb/> 1873. Bd. 1. S. 234.</note>,<lb/> und ferner hätte der britische Craniolog schon aus Capt. Hall’s<lb/> Beschreibungen sich unterrichten können, dass die Eskimomütter<lb/> den Schädel der Neugebornen seitlich pressen und ihm eine eng-<lb/> schliessende Lederkappe überziehen, um die gewünschte pyramidale<lb/> Gestalt künstlich zu erzeugen <note place="foot" n="3)">Life with the Esquimaux. London 1865. p. 520.</note>.</p><lb/> <p>Was den bisherigen Ergebnissen der Schädelmessungen noch<lb/> mangelt, ist die dürftige Anzahl der Beobachtungen, die nur durch<lb/> eine fortgesetzte Bereicherung unsres Schatzes an Racenschädeln<lb/> sich vergrössern lässt. Die höchste Eile ist hier dringend zu em-<lb/> pfehlen, da so viele bunte Menschenracen unter unsern Augen<lb/> zusammenschmelzen.</p><lb/> <p>Von gleicher Wichtigkeit wie die Verhältnisse des Breitendurch-<lb/> messers ist die Höhe der Schädel. Bei ihrer Bestimmung setzte<lb/> Welcker die eine Schenkelspitze des Tastercirkels an den vorderen<lb/> Rand der Hinterhauptöffnung, die andere aber gleichsam auf den<lb/> Zenithpunkt des Hauptes, da wo sich die Ebenen kreuzen, welche<lb/> den Schädel in eine rechte und linke, sowie in eine vordere und<lb/> hintere Hälfte scheiden <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#g">Alex. Ecker</hi> misst dagegen zuerst vom vorderen Rande und sodann<lb/> vom hinteren Rande des Hinterhauptloches nach der höchsten Erhebung des<lb/> Hinterhauptes. Crania Germaniae merid. p. 3. Das Mittel aus beiden Mes-<lb/> sungen ist wohl diejenige „Höhe“, welche der Völkerkunde für Classifications-<lb/> zwecke die wünschenswertheste wäre.</note>. Auch hier wird das Messungsergebniss<lb/> in Hunderttheilen des Längendurchmessers ausgedrückt und der<lb/> Höhenindex genannt. Durch eine lehrreiche Anordnung bei Welcker <note place="foot" n="5)">Craniologische Mittheilungen. S. 154.</note><lb/> erkennen wir, dass im Durchschnitt die Höhe im umgekehrten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0080]
Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.
schen und völlig entfremdet der Musterform sind die westameri-
kanischen. „Dass die Eskimo des Polarkreises“, fährt er fort, „ein
und dasselbe Volk sein sollen, ist eine unzulässige Ansicht, mögen
sie auch noch so oft von Reisenden verwechselt oder Beweise in
ihrer Sprache gefunden worden sein. Ihre Körpereigenthümlich-
keiten sind zweifellos verschiedne 1)“. Nun hat ein grosser Kenner
nordischer Alterthümer jüngst gezeigt, dass die Eskimo erst seit
der Mitte des 14. Jahrhunderts sich über Grönland verbreitet haben 2),
und ferner hätte der britische Craniolog schon aus Capt. Hall’s
Beschreibungen sich unterrichten können, dass die Eskimomütter
den Schädel der Neugebornen seitlich pressen und ihm eine eng-
schliessende Lederkappe überziehen, um die gewünschte pyramidale
Gestalt künstlich zu erzeugen 3).
Was den bisherigen Ergebnissen der Schädelmessungen noch
mangelt, ist die dürftige Anzahl der Beobachtungen, die nur durch
eine fortgesetzte Bereicherung unsres Schatzes an Racenschädeln
sich vergrössern lässt. Die höchste Eile ist hier dringend zu em-
pfehlen, da so viele bunte Menschenracen unter unsern Augen
zusammenschmelzen.
Von gleicher Wichtigkeit wie die Verhältnisse des Breitendurch-
messers ist die Höhe der Schädel. Bei ihrer Bestimmung setzte
Welcker die eine Schenkelspitze des Tastercirkels an den vorderen
Rand der Hinterhauptöffnung, die andere aber gleichsam auf den
Zenithpunkt des Hauptes, da wo sich die Ebenen kreuzen, welche
den Schädel in eine rechte und linke, sowie in eine vordere und
hintere Hälfte scheiden 4). Auch hier wird das Messungsergebniss
in Hunderttheilen des Längendurchmessers ausgedrückt und der
Höhenindex genannt. Durch eine lehrreiche Anordnung bei Welcker 5)
erkennen wir, dass im Durchschnitt die Höhe im umgekehrten
1) Thesaurus Craniorum. p. 224.
2) Konrad Maurer in der Zweiten deutschen Nordpolarfahrt. Leipzig
1873. Bd. 1. S. 234.
3) Life with the Esquimaux. London 1865. p. 520.
4) Alex. Ecker misst dagegen zuerst vom vorderen Rande und sodann
vom hinteren Rande des Hinterhauptloches nach der höchsten Erhebung des
Hinterhauptes. Crania Germaniae merid. p. 3. Das Mittel aus beiden Mes-
sungen ist wohl diejenige „Höhe“, welche der Völkerkunde für Classifications-
zwecke die wünschenswertheste wäre.
5) Craniologische Mittheilungen. S. 154.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |