Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Das menschliche Gehirn. auch ein hoher Rang seines Gehirns entsprechen soll, so müssenwir die Unterschiede des letzteren in anderen Beziehungen suchen als in dem Gewichte. Das menschliche Grosshirn, welches allein als Sitz und Werkzeug des Denkvermögens betrachtet werden darf, besteht aus einer inneren weissen von zarten Fasern durchzogenen Masse, die als eine Leitungsvorrichtung und als Sammelplatz der Nerventhätigkeiten betrachtet wird, so wie aus einer äusseren grauen Rinde, die Körnchen, kugelförmige Gebilde und Bläschen erkennen lässt und wenn nicht als Urheber, doch wenigstens als Sitz der psychischen Thätigkeiten gilt. Je reicher nun die Oberfläche gewunden, je tiefer gefurcht sie erscheint, desto mehr gewinnt die Rinde oder graue Substanz an Oberfläche. Wir wissen zugleich, dass eine mehr oder weniger ausgebreitete Erkrankung dieser Schicht die höheren Geistesthätigkeiten, zumal das geordnete Denken vernichten kann. Es lag daher sehr nahe, im Windungsreichthum eine Bürgschaft für den höheren Rang des Gehirns erkennen zu dürfen, zumal das klügste aller Thiere, der Elephant, ein Gehirn von tiefgezogenen Furchen und vielgestalteten Windungen dem er- freuten Beschauer darbietet. Die früheste Anlage der Furchen, bemerkt A. Ecker, scheine im Allgemeinen eine mehr symmetrische zu sein und die Assymetrie nehme erst mit dem Auftreten der Nebenfurchen überhand, so dass grössere Symmetrie der Furchen und Windungen um so mehr für einen Ausdruck einer Bildungs- hemmung betrachtet werden dürfe, als das Gehirn Blödsinniger dieses Merkmal zeige 1). Andrerseits hatte Rudolph Wagner daran erinnert, dass das Gehirn des Hundes im Vergleich zu dem ver- wickelten Windungssystem des geistesarmen Schafes, eine ausser- ordentliche Armuth verrathe und dass die Gehirne bei unsern grossen Mathematikern Gauss und Dirichlet zwar in Bezug auf Tiefe und Vielgestalt der Furchen, vorzüglich in den Stirngegenden, zu den am höchsten ausgestatteten gehören, die er gesehen habe, eigenthümliche Krümmungen aber auch ihnen fehlen 2). Wenn nun Huxley in den Gehirnschädel einer geistes- 1) Arch. für Anthrop. Bd. 3. S. 221. 2) Wagner, Windungen der Hemisphären. S. 6. S. 7. S. 24. 3) Er rechnet 252,5 Gran Hirn = 1 Cubikzoll Wasser. Stellung des Menschen in der Natur. S. 87. Genauer bestimmt Carl Vogt (Archiv für Peschel, Völkerkunde. 5
Das menschliche Gehirn. auch ein hoher Rang seines Gehirns entsprechen soll, so müssenwir die Unterschiede des letzteren in anderen Beziehungen suchen als in dem Gewichte. Das menschliche Grosshirn, welches allein als Sitz und Werkzeug des Denkvermögens betrachtet werden darf, besteht aus einer inneren weissen von zarten Fasern durchzogenen Masse, die als eine Leitungsvorrichtung und als Sammelplatz der Nerventhätigkeiten betrachtet wird, so wie aus einer äusseren grauen Rinde, die Körnchen, kugelförmige Gebilde und Bläschen erkennen lässt und wenn nicht als Urheber, doch wenigstens als Sitz der psychischen Thätigkeiten gilt. Je reicher nun die Oberfläche gewunden, je tiefer gefurcht sie erscheint, desto mehr gewinnt die Rinde oder graue Substanz an Oberfläche. Wir wissen zugleich, dass eine mehr oder weniger ausgebreitete Erkrankung dieser Schicht die höheren Geistesthätigkeiten, zumal das geordnete Denken vernichten kann. Es lag daher sehr nahe, im Windungsreichthum eine Bürgschaft für den höheren Rang des Gehirns erkennen zu dürfen, zumal das klügste aller Thiere, der Elephant, ein Gehirn von tiefgezogenen Furchen und vielgestalteten Windungen dem er- freuten Beschauer darbietet. Die früheste Anlage der Furchen, bemerkt A. Ecker, scheine im Allgemeinen eine mehr symmetrische zu sein und die Assymetrie nehme erst mit dem Auftreten der Nebenfurchen überhand, so dass grössere Symmetrie der Furchen und Windungen um so mehr für einen Ausdruck einer Bildungs- hemmung betrachtet werden dürfe, als das Gehirn Blödsinniger dieses Merkmal zeige 1). Andrerseits hatte Rudolph Wagner daran erinnert, dass das Gehirn des Hundes im Vergleich zu dem ver- wickelten Windungssystem des geistesarmen Schafes, eine ausser- ordentliche Armuth verrathe und dass die Gehirne bei unsern grossen Mathematikern Gauss und Dirichlet zwar in Bezug auf Tiefe und Vielgestalt der Furchen, vorzüglich in den Stirngegenden, zu den am höchsten ausgestatteten gehören, die er gesehen habe, eigenthümliche Krümmungen aber auch ihnen fehlen 2). Wenn nun Huxley in den Gehirnschädel einer geistes- 1) Arch. für Anthrop. Bd. 3. S. 221. 2) Wagner, Windungen der Hemisphären. S. 6. S. 7. S. 24. 3) Er rechnet 252,5 Gran Hirn = 1 Cubikzoll Wasser. Stellung des Menschen in der Natur. S. 87. Genauer bestimmt Carl Vogt (Archiv für Peschel, Völkerkunde. 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="65"/><fw place="top" type="header">Das menschliche Gehirn.</fw><lb/> auch ein hoher Rang seines Gehirns entsprechen soll, so müssen<lb/> wir die Unterschiede des letzteren in anderen Beziehungen suchen<lb/> als in dem Gewichte. Das menschliche Grosshirn, welches allein<lb/> als Sitz und Werkzeug des Denkvermögens betrachtet werden darf,<lb/> besteht aus einer inneren weissen von zarten Fasern durchzogenen<lb/> Masse, die als eine Leitungsvorrichtung und als Sammelplatz der<lb/> Nerventhätigkeiten betrachtet wird, so wie aus einer äusseren grauen<lb/> Rinde, die Körnchen, kugelförmige Gebilde und Bläschen erkennen<lb/> lässt und wenn nicht als Urheber, doch wenigstens als Sitz<lb/> der psychischen Thätigkeiten gilt. Je reicher nun die Oberfläche<lb/> gewunden, je tiefer gefurcht sie erscheint, desto mehr gewinnt<lb/> die Rinde oder graue Substanz an Oberfläche. Wir wissen zugleich,<lb/> dass eine mehr oder weniger ausgebreitete Erkrankung dieser<lb/> Schicht die höheren Geistesthätigkeiten, zumal das geordnete Denken<lb/> vernichten kann. Es lag daher sehr nahe, im Windungsreichthum<lb/> eine Bürgschaft für den höheren Rang des Gehirns erkennen zu<lb/> dürfen, zumal das klügste aller Thiere, der Elephant, ein Gehirn<lb/> von tiefgezogenen Furchen und vielgestalteten Windungen dem er-<lb/> freuten Beschauer darbietet. Die früheste Anlage der Furchen,<lb/> bemerkt A. Ecker, scheine im Allgemeinen eine mehr symmetrische<lb/> zu sein und die Assymetrie nehme erst mit dem Auftreten der<lb/> Nebenfurchen überhand, so dass grössere Symmetrie der Furchen<lb/> und Windungen um so mehr für einen Ausdruck einer Bildungs-<lb/> hemmung betrachtet werden dürfe, als das Gehirn Blödsinniger<lb/> dieses Merkmal zeige <note place="foot" n="1)">Arch. für Anthrop. Bd. 3. S. 221.</note>. Andrerseits hatte Rudolph Wagner daran<lb/> erinnert, dass das Gehirn des Hundes im Vergleich zu dem ver-<lb/> wickelten Windungssystem des geistesarmen Schafes, eine ausser-<lb/> ordentliche Armuth verrathe und dass die Gehirne bei unsern<lb/> grossen Mathematikern Gauss und Dirichlet zwar in Bezug auf<lb/> Tiefe und Vielgestalt der Furchen, vorzüglich in den Stirngegenden,<lb/> zu den am höchsten ausgestatteten gehören, die er gesehen habe,<lb/> eigenthümliche Krümmungen aber auch ihnen fehlen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Wagner</hi>, Windungen der Hemisphären. S. 6. S. 7. S. 24.</note>.</p><lb/> <p>Wenn nun Huxley in den Gehirnschädel einer geistes-<lb/> gesunden Frau 55,<hi rendition="#sup">3</hi> Cubikzoll Wasser, in den geräumigsten Gorilla-<lb/> schädel aber 34½ Cubikzoll Wasser einzugiesen vermochte <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="3)">Er rechnet 252,<hi rendition="#sup">5</hi> Gran Hirn = 1 Cubikzoll Wasser. Stellung des<lb/> Menschen in der Natur. S. 87. Genauer bestimmt Carl Vogt (Archiv für</note>, so<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">Peschel</hi>, Völkerkunde. 5</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0083]
Das menschliche Gehirn.
auch ein hoher Rang seines Gehirns entsprechen soll, so müssen
wir die Unterschiede des letzteren in anderen Beziehungen suchen
als in dem Gewichte. Das menschliche Grosshirn, welches allein
als Sitz und Werkzeug des Denkvermögens betrachtet werden darf,
besteht aus einer inneren weissen von zarten Fasern durchzogenen
Masse, die als eine Leitungsvorrichtung und als Sammelplatz der
Nerventhätigkeiten betrachtet wird, so wie aus einer äusseren grauen
Rinde, die Körnchen, kugelförmige Gebilde und Bläschen erkennen
lässt und wenn nicht als Urheber, doch wenigstens als Sitz
der psychischen Thätigkeiten gilt. Je reicher nun die Oberfläche
gewunden, je tiefer gefurcht sie erscheint, desto mehr gewinnt
die Rinde oder graue Substanz an Oberfläche. Wir wissen zugleich,
dass eine mehr oder weniger ausgebreitete Erkrankung dieser
Schicht die höheren Geistesthätigkeiten, zumal das geordnete Denken
vernichten kann. Es lag daher sehr nahe, im Windungsreichthum
eine Bürgschaft für den höheren Rang des Gehirns erkennen zu
dürfen, zumal das klügste aller Thiere, der Elephant, ein Gehirn
von tiefgezogenen Furchen und vielgestalteten Windungen dem er-
freuten Beschauer darbietet. Die früheste Anlage der Furchen,
bemerkt A. Ecker, scheine im Allgemeinen eine mehr symmetrische
zu sein und die Assymetrie nehme erst mit dem Auftreten der
Nebenfurchen überhand, so dass grössere Symmetrie der Furchen
und Windungen um so mehr für einen Ausdruck einer Bildungs-
hemmung betrachtet werden dürfe, als das Gehirn Blödsinniger
dieses Merkmal zeige 1). Andrerseits hatte Rudolph Wagner daran
erinnert, dass das Gehirn des Hundes im Vergleich zu dem ver-
wickelten Windungssystem des geistesarmen Schafes, eine ausser-
ordentliche Armuth verrathe und dass die Gehirne bei unsern
grossen Mathematikern Gauss und Dirichlet zwar in Bezug auf
Tiefe und Vielgestalt der Furchen, vorzüglich in den Stirngegenden,
zu den am höchsten ausgestatteten gehören, die er gesehen habe,
eigenthümliche Krümmungen aber auch ihnen fehlen 2).
Wenn nun Huxley in den Gehirnschädel einer geistes-
gesunden Frau 55,3 Cubikzoll Wasser, in den geräumigsten Gorilla-
schädel aber 34½ Cubikzoll Wasser einzugiesen vermochte 3), so
1) Arch. für Anthrop. Bd. 3. S. 221.
2) Wagner, Windungen der Hemisphären. S. 6. S. 7. S. 24.
3) Er rechnet 252,5 Gran Hirn = 1 Cubikzoll Wasser. Stellung des
Menschen in der Natur. S. 87. Genauer bestimmt Carl Vogt (Archiv für
Peschel, Völkerkunde. 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |