Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

immer mehr als Vaterhülfe und Muttertreue fin-
den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlasse
euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich
weiß, daß ich euch auch lieb bin.

Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, sind
fast alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht
gering, Kinder! Es war in meinem schweren Le-
ben mir tausendmal Trost und Erquickung. Las-
set Gottes Wort euch euern Trost seyn, Kinder!
und euere Freude; und liebet einander, und helfet
und rathet einander, so lang ihr leben werdet;
und seyd aufrichtig, treu, liebreich und gefällig
gegen alle Menschen, so wird's euch wohl gehen
im Leben.

Und du, Rudi! behalte dem Betheli die grös-
sere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und
dem Kleinen die zwey Betbücher zum Angedenken
von mir.

Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du hast
keines nöthig: du vergissest meiner nicht.

Dann ruft sie noch einmal dem Rudeli: Gieb
mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmst doch
niemand nichts mehr?

Nein doch auch, Großmutter! glaub mir's
doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh-
men, sagte der Rudeli, mit heissen Thränen.

Nun ich will dir's glauben, und zu Gott für dich
beten, sagte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich

deinem

immer mehr als Vaterhuͤlfe und Muttertreue fin-
den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlaſſe
euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich
weiß, daß ich euch auch lieb bin.

Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, ſind
faſt alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht
gering, Kinder! Es war in meinem ſchweren Le-
ben mir tauſendmal Troſt und Erquickung. Laſ-
ſet Gottes Wort euch euern Troſt ſeyn, Kinder!
und euere Freude; und liebet einander, und helfet
und rathet einander, ſo lang ihr leben werdet;
und ſeyd aufrichtig, treu, liebreich und gefaͤllig
gegen alle Menſchen, ſo wird’s euch wohl gehen
im Leben.

Und du, Rudi! behalte dem Betheli die groͤſ-
ſere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und
dem Kleinen die zwey Betbuͤcher zum Angedenken
von mir.

Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du haſt
keines noͤthig: du vergiſſeſt meiner nicht.

Dann ruft ſie noch einmal dem Rudeli: Gieb
mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmſt doch
niemand nichts mehr?

Nein doch auch, Großmutter! glaub mir’s
doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh-
men, ſagte der Rudeli, mit heiſſen Thraͤnen.

Nun ich will dir’s glauben, und zu Gott fuͤr dich
beten, ſagte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich

deinem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="102"/>
immer mehr als Vaterhu&#x0364;lfe und Muttertreue fin-<lb/>
den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich<lb/>
weiß, daß ich euch auch lieb bin.</p><lb/>
          <p>Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, &#x017F;ind<lb/>
fa&#x017F;t alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht<lb/>
gering, Kinder! Es war in meinem &#x017F;chweren Le-<lb/>
ben mir tau&#x017F;endmal Tro&#x017F;t und Erquickung. La&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et Gottes Wort euch euern Tro&#x017F;t &#x017F;eyn, Kinder!<lb/>
und euere Freude; und liebet einander, und helfet<lb/>
und rathet einander, &#x017F;o lang ihr leben werdet;<lb/>
und &#x017F;eyd aufrichtig, treu, liebreich und gefa&#x0364;llig<lb/>
gegen alle Men&#x017F;chen, &#x017F;o wird&#x2019;s euch wohl gehen<lb/>
im Leben.</p><lb/>
          <p>Und du, Rudi! behalte dem Betheli die gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und<lb/>
dem Kleinen die zwey Betbu&#x0364;cher zum Angedenken<lb/>
von mir.</p><lb/>
          <p>Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du ha&#x017F;t<lb/>
keines no&#x0364;thig: du vergi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t meiner nicht.</p><lb/>
          <p>Dann ruft &#x017F;ie noch einmal dem Rudeli: Gieb<lb/>
mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimm&#x017F;t doch<lb/>
niemand nichts mehr?</p><lb/>
          <p>Nein doch auch, Großmutter! glaub mir&#x2019;s<lb/>
doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh-<lb/>
men, &#x017F;agte der Rudeli, mit hei&#x017F;&#x017F;en Thra&#x0364;nen.</p><lb/>
          <p>Nun ich will dir&#x2019;s glauben, und zu Gott fu&#x0364;r dich<lb/>
beten, &#x017F;agte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">deinem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0127] immer mehr als Vaterhuͤlfe und Muttertreue fin- den. Denket an mich, ihr Lieben! ich hinterlaſſe euch zwar nichts; aber ihr waret mir lieb, und ich weiß, daß ich euch auch lieb bin. Da meine Bibeln und mein Gebetbuch, ſind faſt alles, was ich noch habe; aber haltet es nicht gering, Kinder! Es war in meinem ſchweren Le- ben mir tauſendmal Troſt und Erquickung. Laſ- ſet Gottes Wort euch euern Troſt ſeyn, Kinder! und euere Freude; und liebet einander, und helfet und rathet einander, ſo lang ihr leben werdet; und ſeyd aufrichtig, treu, liebreich und gefaͤllig gegen alle Menſchen, ſo wird’s euch wohl gehen im Leben. Und du, Rudi! behalte dem Betheli die groͤſ- ſere, und dem Rudeli die kleinere Bibel; und dem Kleinen die zwey Betbuͤcher zum Angedenken von mir. Ach, dir habe ich keines, Rudi! Aber du haſt keines noͤthig: du vergiſſeſt meiner nicht. Dann ruft ſie noch einmal dem Rudeli: Gieb mir deine Hand, du Lieber! Gelt, du nimmſt doch niemand nichts mehr? Nein doch auch, Großmutter! glaub mir’s doch auch: ich werde gewiß niemand nichts neh- men, ſagte der Rudeli, mit heiſſen Thraͤnen. Nun ich will dir’s glauben, und zu Gott fuͤr dich beten, ſagte die Mutter. Sieh Lieber! da geb ich deinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/127
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/127>, abgerufen am 24.11.2024.