fange nicht; daß es mich dünkte, der Junker habe so geredt, als ob er's anders verstanden hätte.
Vogt. Es geht dich ganz und gar nichts an, was der Junker mündlich geredt hat. Du schwurst nur auf den Zedel, den man dir vorlas.
Wüst. Aber er hat doch darauf geurteilt, wie er ihn mündlich verstanden hat.
Vogt. Wenn der Junker ein Narr war, so sehe er zu, was geht das dich an? Er hatte ja den Zedel vor sich. Und wenn er ihm nicht deutlich gewesen wäre, so hätte er ihn ja anders schreiben lassen können.
Wüst. Ich weiß wohl, daß du mir es alle- mal wieder ausreden kannst. Aber das macht mir nicht wohl im Herzen; und auf die Communion ist mir immer gar zu entsetzlich, daß ich versinken möchte. Vogt! O, daß ich dir nie schuldig gewesen wäre! O, daß ich dich nie gekannt hätte, oder daß ich ge- storben wäre am Tage, ehe ich den Eid that.
Vogt. Aber um Gottes willen, Wüst! Quäle dich nicht so; es ist Narrheit. Denke doch nur auch allen Umständen nach; wir giengen be- dächtlich; in deiner Gegenwart fragte ich den Vi- cari, deutlich und klar: Muß dann der Wüst et- was anders beschwören, als im Zedel steht? sagt es ihm doch, er versteht es nicht recht. Weissest du noch, was er geantwortet?
Wüst. Ja, aber dann ist's -- --
Vogt.
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fange nicht; daß es mich duͤnkte, der Junker habe ſo geredt, als ob er’s anders verſtanden haͤtte.
Vogt. Es geht dich ganz und gar nichts an, was der Junker muͤndlich geredt hat. Du ſchwurſt nur auf den Zedel, den man dir vorlas.
Wuͤſt. Aber er hat doch darauf geurteilt, wie er ihn muͤndlich verſtanden hat.
Vogt. Wenn der Junker ein Narr war, ſo ſehe er zu, was geht das dich an? Er hatte ja den Zedel vor ſich. Und wenn er ihm nicht deutlich geweſen waͤre, ſo haͤtte er ihn ja anders ſchreiben laſſen koͤnnen.
Wuͤſt. Ich weiß wohl, daß du mir es alle- mal wieder ausreden kannſt. Aber das macht mir nicht wohl im Herzen; und auf die Communion iſt mir immer gar zu entſetzlich, daß ich verſinken moͤchte. Vogt! O, daß ich dir nie ſchuldig geweſen waͤre! O, daß ich dich nie gekannt haͤtte, oder daß ich ge- ſtorben waͤre am Tage, ehe ich den Eid that.
Vogt. Aber um Gottes willen, Wuͤſt! Quaͤle dich nicht ſo; es iſt Narrheit. Denke doch nur auch allen Umſtaͤnden nach; wir giengen be- daͤchtlich; in deiner Gegenwart fragte ich den Vi- cari, deutlich und klar: Muß dann der Wuͤſt et- was anders beſchwoͤren, als im Zedel ſteht? ſagt es ihm doch, er verſteht es nicht recht. Weiſſeſt du noch, was er geantwortet?
Wuͤſt. Ja, aber dann iſt’s — —
Vogt.
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fange nicht; daß es mich duͤnkte, der Junker habe ſo
geredt, als ob er’s anders verſtanden haͤtte.
Vogt. Es geht dich ganz und gar nichts an,
was der Junker muͤndlich geredt hat. Du ſchwurſt
nur auf den Zedel, den man dir vorlas.
Wuͤſt. Aber er hat doch darauf geurteilt, wie
er ihn muͤndlich verſtanden hat.
Vogt. Wenn der Junker ein Narr war, ſo
ſehe er zu, was geht das dich an? Er hatte ja den
Zedel vor ſich. Und wenn er ihm nicht deutlich
geweſen waͤre, ſo haͤtte er ihn ja anders ſchreiben
laſſen koͤnnen.
Wuͤſt. Ich weiß wohl, daß du mir es alle-
mal wieder ausreden kannſt. Aber das macht mir
nicht wohl im Herzen; und auf die Communion iſt
mir immer gar zu entſetzlich, daß ich verſinken moͤchte.
Vogt! O, daß ich dir nie ſchuldig geweſen waͤre!
O, daß ich dich nie gekannt haͤtte, oder daß ich ge-
ſtorben waͤre am Tage, ehe ich den Eid that.
Vogt. Aber um Gottes willen, Wuͤſt!
Quaͤle dich nicht ſo; es iſt Narrheit. Denke doch
nur auch allen Umſtaͤnden nach; wir giengen be-
daͤchtlich; in deiner Gegenwart fragte ich den Vi-
cari, deutlich und klar: Muß dann der Wuͤſt et-
was anders beſchwoͤren, als im Zedel ſteht? ſagt
es ihm doch, er verſteht es nicht recht. Weiſſeſt
du noch, was er geantwortet?
Wuͤſt. Ja, aber dann iſt’s — —
Vogt.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/144>, abgerufen am 24.11.2024.
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