Ich habe euch etwas Gutes zu sagen, Kinder! Der liebe Vater hat in dieser Woche eine gute Ar- beit bekommen, an deren sein Verdienst viel besser ist, als an dem, was er sonst thun muß -- Kin- der! wir dürfen hoffen, daß wir in Zukunft das tägliche Brod mit weniger Sorgen und Kummer haben werden.
Danket, Kinder! dem lieben Gott, daß er so gut gegen uns ist; und denket fleißig an die alte Zeit, wo ich euch jeden Mundvoll Brod mit Angst und Sorgen abtheilen mußte. Es that mir da so manchmal im Herzen weh, daß ich euch so oft und viel nicht genug geben konnte; aber der liebe Gott im Himmel wußte schon, daß er helfen wollte, und daß es besser für euch sey, meine Lieben! daß ihr zur Armuth, zur Geduld, und zur Ueberwindung der Gelüste gezogen würdet, als daß ihr Ueber- fluß hättet. Denn der Mensch, der alles hat, was er will, wird gar zu gern leichtsinnig, ver- gißt seines Gottes, und thut nicht das, was ihm selbst das nützlichste und beste ist. Denkt doch, so lang ihr leben werdet, Kinder! an diese Armuth, und an alle Noth und Sorgen, die wir hatten -- und wenn es jezt besser geht, Kinder! so denkt an die, so Mangel leiden, so wie ihr Mangel leiden mußtet. Vergesset nie, wie Hunger und Mangel ein Elend sind, auf daß ihr mitleidig werdet gegen dem Armen. Und wenn ihr einen Mundvoll über-
flüßiges
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Ich habe euch etwas Gutes zu ſagen, Kinder! Der liebe Vater hat in dieſer Woche eine gute Ar- beit bekommen, an deren ſein Verdienſt viel beſſer iſt, als an dem, was er ſonſt thun muß — Kin- der! wir duͤrfen hoffen, daß wir in Zukunft das taͤgliche Brod mit weniger Sorgen und Kummer haben werden.
Danket, Kinder! dem lieben Gott, daß er ſo gut gegen uns iſt; und denket fleißig an die alte Zeit, wo ich euch jeden Mundvoll Brod mit Angſt und Sorgen abtheilen mußte. Es that mir da ſo manchmal im Herzen weh, daß ich euch ſo oft und viel nicht genug geben konnte; aber der liebe Gott im Himmel wußte ſchon, daß er helfen wollte, und daß es beſſer fuͤr euch ſey, meine Lieben! daß ihr zur Armuth, zur Geduld, und zur Ueberwindung der Geluͤſte gezogen wuͤrdet, als daß ihr Ueber- fluß haͤttet. Denn der Menſch, der alles hat, was er will, wird gar zu gern leichtſinnig, ver- gißt ſeines Gottes, und thut nicht das, was ihm ſelbſt das nuͤtzlichſte und beſte iſt. Denkt doch, ſo lang ihr leben werdet, Kinder! an dieſe Armuth, und an alle Noth und Sorgen, die wir hatten — und wenn es jezt beſſer geht, Kinder! ſo denkt an die, ſo Mangel leiden, ſo wie ihr Mangel leiden mußtet. Vergeſſet nie, wie Hunger und Mangel ein Elend ſind, auf daß ihr mitleidig werdet gegen dem Armen. Und wenn ihr einen Mundvoll uͤber-
fluͤßiges
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Ich habe euch etwas Gutes zu ſagen, Kinder!
Der liebe Vater hat in dieſer Woche eine gute Ar-
beit bekommen, an deren ſein Verdienſt viel beſſer
iſt, als an dem, was er ſonſt thun muß — Kin-
der! wir duͤrfen hoffen, daß wir in Zukunft das
taͤgliche Brod mit weniger Sorgen und Kummer
haben werden.
Danket, Kinder! dem lieben Gott, daß er ſo
gut gegen uns iſt; und denket fleißig an die alte
Zeit, wo ich euch jeden Mundvoll Brod mit Angſt
und Sorgen abtheilen mußte. Es that mir da ſo
manchmal im Herzen weh, daß ich euch ſo oft und
viel nicht genug geben konnte; aber der liebe Gott
im Himmel wußte ſchon, daß er helfen wollte, und
daß es beſſer fuͤr euch ſey, meine Lieben! daß ihr
zur Armuth, zur Geduld, und zur Ueberwindung
der Geluͤſte gezogen wuͤrdet, als daß ihr Ueber-
fluß haͤttet. Denn der Menſch, der alles hat,
was er will, wird gar zu gern leichtſinnig, ver-
gißt ſeines Gottes, und thut nicht das, was ihm
ſelbſt das nuͤtzlichſte und beſte iſt. Denkt doch, ſo
lang ihr leben werdet, Kinder! an dieſe Armuth,
und an alle Noth und Sorgen, die wir hatten —
und wenn es jezt beſſer geht, Kinder! ſo denkt an
die, ſo Mangel leiden, ſo wie ihr Mangel leiden
mußtet. Vergeſſet nie, wie Hunger und Mangel
ein Elend ſind, auf daß ihr mitleidig werdet gegen
dem Armen. Und wenn ihr einen Mundvoll uͤber-
fluͤßiges
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/192>, abgerufen am 23.11.2024.
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