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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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den Kelch vor Schauer und Entsetzen nicht vest
hielt.

Da kam Joseph in zerrissenen Stiefeln, und
schlug seine Schelmenaugen vor mir zu Boden --
und meine drey Thaler! Wie's mir durch Leib und
Seel schauerte, der Gedanke an meine drey Tha-
ler.

Dann kam Gertrud, hub ihre Augen gen Him-
mel, und dann auf den Kelch, als ob sie mich
nicht sähe; als ob ich nicht da wäre. Sie hasset
und verflucht mich, und richtet mich zu Grunde;
und sie konnte thun, als ob sie mich nicht sähe; als
ob ich nicht da wäre.

Dann kam der Mäurer, sah mich so weh-
müthig an, als ob er aus tiefem Herzensgrunde
zu mir sagen wollte: Verzeih mir, Vogt! Er, der
mich, wenn er könnte, an Galgen bringen würde.

Dann kam auch Schabenmichel, blaß und er-
schrocken wie ich, und zitterte wie ich. Denk,
Frau! wie mir bey dem allem zu Muthe war.
Ich fürchtete immer, auch Hans Wüst komme nach;
dann hätte ich's nicht ausgehalten; der Kelch würde
mir aus der Hand gefallen; Ich selbst, ich würde
gewiß zu Boden gesunken seyn; ich konnte mich fast
nicht mehr auf den Füssen halten. Und als ich in
den Stuhl zurück kam, überfiel mich ein Zittern
in meinen Gliedern, daß ich beym Singen das
Buch nicht in den Händen halten konnte.

Und

den Kelch vor Schauer und Entſetzen nicht veſt
hielt.

Da kam Joſeph in zerriſſenen Stiefeln, und
ſchlug ſeine Schelmenaugen vor mir zu Boden —
und meine drey Thaler! Wie’s mir durch Leib und
Seel ſchauerte, der Gedanke an meine drey Tha-
ler.

Dann kam Gertrud, hub ihre Augen gen Him-
mel, und dann auf den Kelch, als ob ſie mich
nicht ſaͤhe; als ob ich nicht da waͤre. Sie haſſet
und verflucht mich, und richtet mich zu Grunde;
und ſie konnte thun, als ob ſie mich nicht ſaͤhe; als
ob ich nicht da waͤre.

Dann kam der Maͤurer, ſah mich ſo weh-
muͤthig an, als ob er aus tiefem Herzensgrunde
zu mir ſagen wollte: Verzeih mir, Vogt! Er, der
mich, wenn er koͤnnte, an Galgen bringen wuͤrde.

Dann kam auch Schabenmichel, blaß und er-
ſchrocken wie ich, und zitterte wie ich. Denk,
Frau! wie mir bey dem allem zu Muthe war.
Ich fuͤrchtete immer, auch Hans Wuͤſt komme nach;
dann haͤtte ich’s nicht ausgehalten; der Kelch wuͤrde
mir aus der Hand gefallen; Ich ſelbſt, ich wuͤrde
gewiß zu Boden geſunken ſeyn; ich konnte mich faſt
nicht mehr auf den Fuͤſſen halten. Und als ich in
den Stuhl zuruͤck kam, uͤberfiel mich ein Zittern
in meinen Gliedern, daß ich beym Singen das
Buch nicht in den Haͤnden halten konnte.

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[224/0249] den Kelch vor Schauer und Entſetzen nicht veſt hielt. Da kam Joſeph in zerriſſenen Stiefeln, und ſchlug ſeine Schelmenaugen vor mir zu Boden — und meine drey Thaler! Wie’s mir durch Leib und Seel ſchauerte, der Gedanke an meine drey Tha- ler. Dann kam Gertrud, hub ihre Augen gen Him- mel, und dann auf den Kelch, als ob ſie mich nicht ſaͤhe; als ob ich nicht da waͤre. Sie haſſet und verflucht mich, und richtet mich zu Grunde; und ſie konnte thun, als ob ſie mich nicht ſaͤhe; als ob ich nicht da waͤre. Dann kam der Maͤurer, ſah mich ſo weh- muͤthig an, als ob er aus tiefem Herzensgrunde zu mir ſagen wollte: Verzeih mir, Vogt! Er, der mich, wenn er koͤnnte, an Galgen bringen wuͤrde. Dann kam auch Schabenmichel, blaß und er- ſchrocken wie ich, und zitterte wie ich. Denk, Frau! wie mir bey dem allem zu Muthe war. Ich fuͤrchtete immer, auch Hans Wuͤſt komme nach; dann haͤtte ich’s nicht ausgehalten; der Kelch wuͤrde mir aus der Hand gefallen; Ich ſelbſt, ich wuͤrde gewiß zu Boden geſunken ſeyn; ich konnte mich faſt nicht mehr auf den Fuͤſſen halten. Und als ich in den Stuhl zuruͤck kam, uͤberfiel mich ein Zittern in meinen Gliedern, daß ich beym Singen das Buch nicht in den Haͤnden halten konnte. Und

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/249>, abgerufen am 21.11.2024.