Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 57.
Wie er sich gebehrdet.

Bang und beklemmt in seinem Herzen, gieng
der Vogt auch fort. Dieser Schlag hatte ihn so
verwirrt, daß er die Leute, neben denen er durch
die Laube und die Stiege hinunter vorbey gieng,
nicht sah und nicht kannte. So, fast seiner selber
nicht bewußt, kam er bis unten an die Schloßhalde
zum alten dichtstämmigen Nußbaum, da steht er
dann wieder still, und sagt zu sich selber: Ich muß
Athem holen -- wie mir das Herz klopft -- ich
weiß nicht, wo mir der Kopf steht -- ohne einzu-
treten in eine Klage -- ohne etwas auf mich zu
beweisen -- bloß weil's ihm so beliebt -- -- --
soll ich nicht Vogt seyn oder nicht Wirth -- -- --
das ist über alle Grenzen -- -- -- kann er mich
dazu zwingen -- ich glaub's nicht -- -- -- Den
Mantel kann er mir ohne Klage nicht nehmen --
und das Wirthrecht ist gekauft -- aber wenn er
sucht -- wenn er öffentlich Klage sucht, er findet
was er will -- Von allen den verdammten Buben,
denen ich diente, ist mir keiner, kein einziger treu. *)
Was soll ich jezt machen -- vierzehn Tage ist end-

lich
*) Warum doch? Rathet, Kinder!

§. 57.
Wie er ſich gebehrdet.

Bang und beklemmt in ſeinem Herzen, gieng
der Vogt auch fort. Dieſer Schlag hatte ihn ſo
verwirrt, daß er die Leute, neben denen er durch
die Laube und die Stiege hinunter vorbey gieng,
nicht ſah und nicht kannte. So, faſt ſeiner ſelber
nicht bewußt, kam er bis unten an die Schloßhalde
zum alten dichtſtaͤmmigen Nußbaum, da ſteht er
dann wieder ſtill, und ſagt zu ſich ſelber: Ich muß
Athem holen — wie mir das Herz klopft — ich
weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht — ohne einzu-
treten in eine Klage — ohne etwas auf mich zu
beweiſen — bloß weil’s ihm ſo beliebt — — —
ſoll ich nicht Vogt ſeyn oder nicht Wirth — — —
das iſt uͤber alle Grenzen — — — kann er mich
dazu zwingen — ich glaub’s nicht — — — Den
Mantel kann er mir ohne Klage nicht nehmen —
und das Wirthrecht iſt gekauft — aber wenn er
ſucht — wenn er oͤffentlich Klage ſucht, er findet
was er will — Von allen den verdammten Buben,
denen ich diente, iſt mir keiner, kein einziger treu. *)
Was ſoll ich jezt machen — vierzehn Tage iſt end-

lich
*) Warum doch? Rathet, Kinder!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0287" n="262"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 57.<lb/><hi rendition="#b">Wie er &#x017F;ich gebehrdet.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>ang und beklemmt in &#x017F;einem Herzen, gieng<lb/>
der Vogt auch fort. Die&#x017F;er Schlag hatte ihn &#x017F;o<lb/>
verwirrt, daß er die Leute, neben denen er durch<lb/>
die Laube und die Stiege hinunter vorbey gieng,<lb/>
nicht &#x017F;ah und nicht kannte. So, fa&#x017F;t &#x017F;einer &#x017F;elber<lb/>
nicht bewußt, kam er bis unten an die Schloßhalde<lb/>
zum alten dicht&#x017F;ta&#x0364;mmigen Nußbaum, da &#x017F;teht er<lb/>
dann wieder &#x017F;till, und &#x017F;agt zu &#x017F;ich &#x017F;elber: Ich muß<lb/>
Athem holen &#x2014; wie mir das Herz klopft &#x2014; ich<lb/>
weiß nicht, wo mir der Kopf &#x017F;teht &#x2014; ohne einzu-<lb/>
treten in eine Klage &#x2014; ohne etwas auf mich zu<lb/>
bewei&#x017F;en &#x2014; bloß weil&#x2019;s ihm &#x017F;o beliebt &#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/>
&#x017F;oll ich nicht Vogt &#x017F;eyn oder nicht Wirth &#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/>
das i&#x017F;t u&#x0364;ber alle Grenzen &#x2014; &#x2014; &#x2014; kann er mich<lb/>
dazu zwingen &#x2014; ich glaub&#x2019;s nicht &#x2014; &#x2014; &#x2014; Den<lb/>
Mantel kann er mir ohne Klage nicht nehmen &#x2014;<lb/>
und das Wirthrecht i&#x017F;t gekauft &#x2014; aber wenn er<lb/>
&#x017F;ucht &#x2014; wenn er o&#x0364;ffentlich Klage &#x017F;ucht, er findet<lb/>
was er will &#x2014; Von allen den verdammten Buben,<lb/>
denen ich diente, i&#x017F;t mir keiner, kein einziger treu. <note place="foot" n="*)">Warum doch? Rathet, Kinder!</note><lb/>
Was &#x017F;oll ich jezt machen &#x2014; vierzehn Tage i&#x017F;t end-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0287] §. 57. Wie er ſich gebehrdet. Bang und beklemmt in ſeinem Herzen, gieng der Vogt auch fort. Dieſer Schlag hatte ihn ſo verwirrt, daß er die Leute, neben denen er durch die Laube und die Stiege hinunter vorbey gieng, nicht ſah und nicht kannte. So, faſt ſeiner ſelber nicht bewußt, kam er bis unten an die Schloßhalde zum alten dichtſtaͤmmigen Nußbaum, da ſteht er dann wieder ſtill, und ſagt zu ſich ſelber: Ich muß Athem holen — wie mir das Herz klopft — ich weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht — ohne einzu- treten in eine Klage — ohne etwas auf mich zu beweiſen — bloß weil’s ihm ſo beliebt — — — ſoll ich nicht Vogt ſeyn oder nicht Wirth — — — das iſt uͤber alle Grenzen — — — kann er mich dazu zwingen — ich glaub’s nicht — — — Den Mantel kann er mir ohne Klage nicht nehmen — und das Wirthrecht iſt gekauft — aber wenn er ſucht — wenn er oͤffentlich Klage ſucht, er findet was er will — Von allen den verdammten Buben, denen ich diente, iſt mir keiner, kein einziger treu. *) Was ſoll ich jezt machen — vierzehn Tage iſt end- lich *) Warum doch? Rathet, Kinder!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/287
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/287>, abgerufen am 24.11.2024.