Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 62.
Das Entsetzen der Gewissensunruhe.

Als am Samstag Abends Hans Wüst vom Vogt
heim kam, quälten ihn die Sorgen des Meyneids
noch tiefer, daß er auf dem Boden sich wälzte und
heulte, wie ein Hund, dem ein erschreckliches Grim-
men die Eingeweide zerreißt; so rasete er die Nacht
über und den ganzen folgenden heiligen Tag --
raufte seine Haare sich aus -- schlug sich mit Fäu-
sten bis aufs Blut -- aß nichts und trank nichts,
lief wüthend umher, und sagte: O, o des Ru-
dis Hausmatte! O, o seine Hausmatte, seine Haus-
matte! Es brennt auf meiner Seelen! -- -- Der
Satan, o, o! der leidige Satan ist meiner mäch-
tig -- O weh mir! O weh meiner armen See-
len!

So gieng er wüthend umher, geplagt und ge-
quält von den Sorgen des Meyneids, und heulte
das Jammergeheul seiner entsetzlichen gräulichen
Schrecken.

Abgemattet von den Qualen dieser Sorgen,
konnte er endlich am Sonntag Nachts wieder ein-
schlafen.

Am

§. 62.
Das Entſetzen der Gewiſſensunruhe.

Als am Samſtag Abends Hans Wuͤſt vom Vogt
heim kam, quaͤlten ihn die Sorgen des Meyneids
noch tiefer, daß er auf dem Boden ſich waͤlzte und
heulte, wie ein Hund, dem ein erſchreckliches Grim-
men die Eingeweide zerreißt; ſo raſete er die Nacht
uͤber und den ganzen folgenden heiligen Tag —
raufte ſeine Haare ſich aus — ſchlug ſich mit Faͤu-
ſten bis aufs Blut — aß nichts und trank nichts,
lief wuͤthend umher, und ſagte: O, o des Ru-
dis Hausmatte! O, o ſeine Hausmatte, ſeine Haus-
matte! Es brennt auf meiner Seelen! — — Der
Satan, o, o! der leidige Satan iſt meiner maͤch-
tig — O weh mir! O weh meiner armen See-
len!

So gieng er wuͤthend umher, geplagt und ge-
quaͤlt von den Sorgen des Meyneids, und heulte
das Jammergeheul ſeiner entſetzlichen graͤulichen
Schrecken.

Abgemattet von den Qualen dieſer Sorgen,
konnte er endlich am Sonntag Nachts wieder ein-
ſchlafen.

Am
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0297" n="272"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 62.<lb/><hi rendition="#b">Das Ent&#x017F;etzen der Gewi&#x017F;&#x017F;ensunruhe.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>ls am Sam&#x017F;tag Abends Hans Wu&#x0364;&#x017F;t vom Vogt<lb/>
heim kam, qua&#x0364;lten ihn die Sorgen des Meyneids<lb/>
noch tiefer, daß er auf dem Boden &#x017F;ich wa&#x0364;lzte und<lb/>
heulte, wie ein Hund, dem ein er&#x017F;chreckliches Grim-<lb/>
men die Eingeweide zerreißt; &#x017F;o ra&#x017F;ete er die Nacht<lb/>
u&#x0364;ber und den ganzen folgenden heiligen Tag &#x2014;<lb/>
raufte &#x017F;eine Haare &#x017F;ich aus &#x2014; &#x017F;chlug &#x017F;ich mit Fa&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;ten bis aufs Blut &#x2014; aß nichts und trank nichts,<lb/>
lief wu&#x0364;thend umher, und &#x017F;agte: O, o des Ru-<lb/>
dis Hausmatte! O, o &#x017F;eine Hausmatte, &#x017F;eine Haus-<lb/>
matte! Es brennt auf meiner Seelen! &#x2014; &#x2014; Der<lb/>
Satan, o, o! der leidige Satan i&#x017F;t meiner ma&#x0364;ch-<lb/>
tig &#x2014; O weh mir! O weh meiner armen See-<lb/>
len!</p><lb/>
          <p>So gieng er wu&#x0364;thend umher, geplagt und ge-<lb/>
qua&#x0364;lt von den Sorgen des Meyneids, und heulte<lb/>
das Jammergeheul &#x017F;einer ent&#x017F;etzlichen gra&#x0364;ulichen<lb/>
Schrecken.</p><lb/>
          <p>Abgemattet von den Qualen die&#x017F;er Sorgen,<lb/>
konnte er endlich am Sonntag Nachts wieder ein-<lb/>
&#x017F;chlafen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Am</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0297] §. 62. Das Entſetzen der Gewiſſensunruhe. Als am Samſtag Abends Hans Wuͤſt vom Vogt heim kam, quaͤlten ihn die Sorgen des Meyneids noch tiefer, daß er auf dem Boden ſich waͤlzte und heulte, wie ein Hund, dem ein erſchreckliches Grim- men die Eingeweide zerreißt; ſo raſete er die Nacht uͤber und den ganzen folgenden heiligen Tag — raufte ſeine Haare ſich aus — ſchlug ſich mit Faͤu- ſten bis aufs Blut — aß nichts und trank nichts, lief wuͤthend umher, und ſagte: O, o des Ru- dis Hausmatte! O, o ſeine Hausmatte, ſeine Haus- matte! Es brennt auf meiner Seelen! — — Der Satan, o, o! der leidige Satan iſt meiner maͤch- tig — O weh mir! O weh meiner armen See- len! So gieng er wuͤthend umher, geplagt und ge- quaͤlt von den Sorgen des Meyneids, und heulte das Jammergeheul ſeiner entſetzlichen graͤulichen Schrecken. Abgemattet von den Qualen dieſer Sorgen, konnte er endlich am Sonntag Nachts wieder ein- ſchlafen. Am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/297
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/297>, abgerufen am 23.11.2024.