Gertrud. Michel! ich denke, wir sollten Go[t][ - 1 Zeichen fehlt] danken, daß wir von der Gefahr, die über uns schwebte, jezt befreyt sind, und nicht aus Rache dafür dem Vogt eine Falle legen.
Michel. Er verdient seinen Lohn; mache dir darüber kein Bedenken.
Gertrud. Was er verdiene oder nicht ver- diene, das ist nicht unsere Sache zu urtheilen; aber nicht Rache auszuüben, das ist unsere Sache, und der einzige gerade Weg, den wir in diesem Falle gehn können.
Michel. Ich muß bekennen, du hast Recht, Gertrud! und es ist viel, daß du dich so überwin- den kannst; aber ja, du hast Recht, er wird seinen Lohn schon finden; und überall los seyn, und nichts mit ihm zu thun haben, ist das beste. Ich will auch gerade zu mit ihm brechen, und ihm seine zween Thaler zurückgeben; jezt hab ich aber nur noch anderthalben. Er nimmt sie aus dem Sack, legt sie auf den Tisch, zählt sie, und sagt dann weiter: Ich weiß jezt nicht, ob ich ihm die anderthalben allein bringen, oder ob ich auf den Wochenlohn warten will, bis am Samstag, da ich dann alles bey einander haben werde?
Lienhard. Es macht mir gar nichts, dir den halben Thaler jezt voraus zu bezahlen.
Michel. Ich bin herzlich froh, wenn es seyn kann, daß ich dieses Mannes noch heute los komme.
Ich
Gertrud. Michel! ich denke, wir ſollten Go[t][ – 1 Zeichen fehlt] danken, daß wir von der Gefahr, die uͤber uns ſchwebte, jezt befreyt ſind, und nicht aus Rache dafuͤr dem Vogt eine Falle legen.
Michel. Er verdient ſeinen Lohn; mache dir daruͤber kein Bedenken.
Gertrud. Was er verdiene oder nicht ver- diene, das iſt nicht unſere Sache zu urtheilen; aber nicht Rache auszuuͤben, das iſt unſere Sache, und der einzige gerade Weg, den wir in dieſem Falle gehn koͤnnen.
Michel. Ich muß bekennen, du haſt Recht, Gertrud! und es iſt viel, daß du dich ſo uͤberwin- den kannſt; aber ja, du haſt Recht, er wird ſeinen Lohn ſchon finden; und uͤberall los ſeyn, und nichts mit ihm zu thun haben, iſt das beſte. Ich will auch gerade zu mit ihm brechen, und ihm ſeine zween Thaler zuruͤckgeben; jezt hab ich aber nur noch anderthalben. Er nimmt ſie aus dem Sack, legt ſie auf den Tiſch, zaͤhlt ſie, und ſagt dann weiter: Ich weiß jezt nicht, ob ich ihm die anderthalben allein bringen, oder ob ich auf den Wochenlohn warten will, bis am Samſtag, da ich dann alles bey einander haben werde?
Lienhard. Es macht mir gar nichts, dir den halben Thaler jezt voraus zu bezahlen.
Michel. Ich bin herzlich froh, wenn es ſeyn kann, daß ich dieſes Mannes noch heute los komme.
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Gertrud. Michel! ich denke, wir ſollten Got_
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ſchwebte, jezt befreyt ſind, und nicht aus Rache
dafuͤr dem Vogt eine Falle legen.
Michel. Er verdient ſeinen Lohn; mache dir
daruͤber kein Bedenken.
Gertrud. Was er verdiene oder nicht ver-
diene, das iſt nicht unſere Sache zu urtheilen; aber
nicht Rache auszuuͤben, das iſt unſere Sache, und
der einzige gerade Weg, den wir in dieſem Falle
gehn koͤnnen.
Michel. Ich muß bekennen, du haſt Recht,
Gertrud! und es iſt viel, daß du dich ſo uͤberwin-
den kannſt; aber ja, du haſt Recht, er wird ſeinen
Lohn ſchon finden; und uͤberall los ſeyn, und
nichts mit ihm zu thun haben, iſt das beſte. Ich
will auch gerade zu mit ihm brechen, und ihm
ſeine zween Thaler zuruͤckgeben; jezt hab ich aber
nur noch anderthalben. Er nimmt ſie aus dem
Sack, legt ſie auf den Tiſch, zaͤhlt ſie, und
ſagt dann weiter: Ich weiß jezt nicht, ob ich ihm
die anderthalben allein bringen, oder ob ich auf
den Wochenlohn warten will, bis am Samſtag, da
ich dann alles bey einander haben werde?
Lienhard. Es macht mir gar nichts, dir den
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kann, daß ich dieſes Mannes noch heute los komme.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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