Mensch gegen die, so ihm schuldig sind -- Ach! daß ich ihn in meinem Leben nie gesehn hätte -- Wenn ich nicht bey ihm einkehre, so droht er mir mit den Rechten -- und wenn ich einkehre, so ist der Lohn meines Schweisses und meiner Arbeit in seinen Klauen. -- Das, Gertrud, das ist die Quelle unsers Elends. --
O Lieber! sagte hierauf Gertrud, darfst du nicht zu Arner, dem Landesvater, gehen? Du weißst, wie alle Wittwen und Waisen sich seiner rühmen -- O Lieber, ich denke, er würde dir Rath und Schutz gewähren gegen diesem Mann --
O Gertrud! erwiederte Lienhard -- ich kann nicht -- ich darf nicht -- was wollte ich gegen dem Vogt sagen? -- der tausenderley anbringt und kühn ist -- und schlau und hundert Helfers-Helfer und Wege hat, einen armen Mann vor der Obrig- keit zu verschreyen, daß man ihn nicht anhört.
Gertrud. O Lieber! ich habe noch mit keiner Obrigkeit geredt -- Aber wenn Noth und Elend mich zu ihr führeten, ich weiß, ich würde die Wahr- heit gerade gegen jedermann sagen können. -- O Theurer! fürchte dir nicht -- denke an mich und deine Kinder, und gehe --
O Gertrud! sagte Lienhard -- ich kann nicht -- ich darf nicht -- ich bin nicht unschuldig -- Der Vogt wird sich kaltblütig aufs ganze Dorf berufen -- daß ich ein liederlicher Tropf bin -- O Gertrud! ich
bin
Menſch gegen die, ſo ihm ſchuldig ſind — Ach! daß ich ihn in meinem Leben nie geſehn haͤtte — Wenn ich nicht bey ihm einkehre, ſo droht er mir mit den Rechten — und wenn ich einkehre, ſo iſt der Lohn meines Schweiſſes und meiner Arbeit in ſeinen Klauen. — Das, Gertrud, das iſt die Quelle unſers Elends. —
O Lieber! ſagte hierauf Gertrud, darfſt du nicht zu Arner, dem Landesvater, gehen? Du weißſt, wie alle Wittwen und Waiſen ſich ſeiner ruͤhmen — O Lieber, ich denke, er wuͤrde dir Rath und Schutz gewaͤhren gegen dieſem Mann —
O Gertrud! erwiederte Lienhard — ich kann nicht — ich darf nicht — was wollte ich gegen dem Vogt ſagen? — der tauſenderley anbringt und kuͤhn iſt — und ſchlau und hundert Helfers-Helfer und Wege hat, einen armen Mann vor der Obrig- keit zu verſchreyen, daß man ihn nicht anhoͤrt.
Gertrud. O Lieber! ich habe noch mit keiner Obrigkeit geredt — Aber wenn Noth und Elend mich zu ihr fuͤhreten, ich weiß, ich wuͤrde die Wahr- heit gerade gegen jedermann ſagen koͤnnen. — O Theurer! fuͤrchte dir nicht — denke an mich und deine Kinder, und gehe —
O Gertrud! ſagte Lienhard — ich kann nicht — ich darf nicht — ich bin nicht unſchuldig — Der Vogt wird ſich kaltbluͤtig aufs ganze Dorf berufen — daß ich ein liederlicher Tropf bin — O Gertrud! ich
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Menſch gegen die, ſo ihm ſchuldig ſind — Ach!
daß ich ihn in meinem Leben nie geſehn haͤtte —
Wenn ich nicht bey ihm einkehre, ſo droht er mir
mit den Rechten — und wenn ich einkehre, ſo iſt
der Lohn meines Schweiſſes und meiner Arbeit in
ſeinen Klauen. — Das, Gertrud, das iſt die Quelle
unſers Elends. —
O Lieber! ſagte hierauf Gertrud, darfſt du nicht
zu Arner, dem Landesvater, gehen? Du weißſt,
wie alle Wittwen und Waiſen ſich ſeiner ruͤhmen —
O Lieber, ich denke, er wuͤrde dir Rath und Schutz
gewaͤhren gegen dieſem Mann —
O Gertrud! erwiederte Lienhard — ich kann
nicht — ich darf nicht — was wollte ich gegen
dem Vogt ſagen? — der tauſenderley anbringt und
kuͤhn iſt — und ſchlau und hundert Helfers-Helfer
und Wege hat, einen armen Mann vor der Obrig-
keit zu verſchreyen, daß man ihn nicht anhoͤrt.
Gertrud. O Lieber! ich habe noch mit keiner
Obrigkeit geredt — Aber wenn Noth und Elend
mich zu ihr fuͤhreten, ich weiß, ich wuͤrde die Wahr-
heit gerade gegen jedermann ſagen koͤnnen. — O
Theurer! fuͤrchte dir nicht — denke an mich und
deine Kinder, und gehe —
O Gertrud! ſagte Lienhard — ich kann nicht —
ich darf nicht — ich bin nicht unſchuldig — Der
Vogt wird ſich kaltbluͤtig aufs ganze Dorf berufen —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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