für einen Vortrag mache, an der Gemeinde; der junge Meyer aber widersetzte sich und sprach: Ich mag nicht, daß der alte Geizhund, der seine Kin- der verhungern läßt, und der allen schmutzigen Sup- pen nachläuft, für uns und für unsern Glauben reden soll. Es ist uns eine ewige Schande, wenn wir den Heuchler anreden.
Die Bauern antworteten: Wir wissen wohl, daß er ein Heuchler und ein Geizhund ist, wir wis- sen auch, daß seine Dienstmagd ein Laster ist, wie er, und wie sie mit einander leben. Es ist wahr, es lügt keiner von uns allen so frech, und keiner pflügt dem andern, wie er, über die Mark, und kei- ner putzt in der Ernde beyde Seiten der Furchen aus, wie er; aber dann kann von uns auch keiner, wie er, mit einem Pfarrer reden, oder eine geistli- che Sache behaupten. Wenn du einen weißst, der's nur halb kann, wie er, und es thun will, so ist's gut; aber der Meyer wußte Niemand.
Also redeten die Männer den Ehegaumer an, und sprachen: Du, Hartknopf! du bist der Mann, der einem Geistlichen Antwort geben kann, wie kei- ner von uns allen; du mußst, wenn der Junker heute Gemeind halten wird, den Pfarrer verklagen wegen seines Unglaubens, und einen Bettag begeh- ren wegen der Erscheinung des leidigen Satans. Sie redten es aber dennoch nicht öffentlich mit ihm ab, sondern nur die Vornehmsten betrieben den Han-
del;
fuͤr einen Vortrag mache, an der Gemeinde; der junge Meyer aber widerſetzte ſich und ſprach: Ich mag nicht, daß der alte Geizhund, der ſeine Kin- der verhungern laͤßt, und der allen ſchmutzigen Sup- pen nachlaͤuft, fuͤr uns und fuͤr unſern Glauben reden ſoll. Es iſt uns eine ewige Schande, wenn wir den Heuchler anreden.
Die Bauern antworteten: Wir wiſſen wohl, daß er ein Heuchler und ein Geizhund iſt, wir wiſ- ſen auch, daß ſeine Dienſtmagd ein Laſter iſt, wie er, und wie ſie mit einander leben. Es iſt wahr, es luͤgt keiner von uns allen ſo frech, und keiner pfluͤgt dem andern, wie er, uͤber die Mark, und kei- ner putzt in der Ernde beyde Seiten der Furchen aus, wie er; aber dann kann von uns auch keiner, wie er, mit einem Pfarrer reden, oder eine geiſtli- che Sache behaupten. Wenn du einen weißſt, der’s nur halb kann, wie er, und es thun will, ſo iſt’s gut; aber der Meyer wußte Niemand.
Alſo redeten die Maͤnner den Ehegaumer an, und ſprachen: Du, Hartknopf! du biſt der Mann, der einem Geiſtlichen Antwort geben kann, wie kei- ner von uns allen; du mußſt, wenn der Junker heute Gemeind halten wird, den Pfarrer verklagen wegen ſeines Unglaubens, und einen Bettag begeh- ren wegen der Erſcheinung des leidigen Satans. Sie redten es aber dennoch nicht oͤffentlich mit ihm ab, ſondern nur die Vornehmſten betrieben den Han-
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fuͤr einen Vortrag mache, an der Gemeinde; der
junge Meyer aber widerſetzte ſich und ſprach: Ich
mag nicht, daß der alte Geizhund, der ſeine Kin-
der verhungern laͤßt, und der allen ſchmutzigen Sup-
pen nachlaͤuft, fuͤr uns und fuͤr unſern Glauben
reden ſoll. Es iſt uns eine ewige Schande, wenn
wir den Heuchler anreden.
Die Bauern antworteten: Wir wiſſen wohl,
daß er ein Heuchler und ein Geizhund iſt, wir wiſ-
ſen auch, daß ſeine Dienſtmagd ein Laſter iſt, wie
er, und wie ſie mit einander leben. Es iſt wahr,
es luͤgt keiner von uns allen ſo frech, und keiner
pfluͤgt dem andern, wie er, uͤber die Mark, und kei-
ner putzt in der Ernde beyde Seiten der Furchen
aus, wie er; aber dann kann von uns auch keiner,
wie er, mit einem Pfarrer reden, oder eine geiſtli-
che Sache behaupten. Wenn du einen weißſt, der’s
nur halb kann, wie er, und es thun will, ſo iſt’s
gut; aber der Meyer wußte Niemand.
Alſo redeten die Maͤnner den Ehegaumer an,
und ſprachen: Du, Hartknopf! du biſt der Mann,
der einem Geiſtlichen Antwort geben kann, wie kei-
ner von uns allen; du mußſt, wenn der Junker
heute Gemeind halten wird, den Pfarrer verklagen
wegen ſeines Unglaubens, und einen Bettag begeh-
ren wegen der Erſcheinung des leidigen Satans.
Sie redten es aber dennoch nicht oͤffentlich mit ihm ab,
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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