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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Junker. Nun, Rudi! ich möchte gern, daß
du heute recht freudig und wohl zu Muthe wärest.
Willt du gern hier bey uns ein Glas Wein trin-
ken, oder gehst du lieber heim zu deinen Kindern?
Ich habe dafür gesorgt, daß du ein gutes Abend-
essen daheim findest.

Rudi. Ihr seyd auch gar zu gütig, Gnädiger
Herr! aber ich sollte heim zu meinen Kindern gehn,
ich habe Niemand bey ihnen. Ach! meine Frau
liegt im Grabe -- und jezt meine Mutter auch!

Junker. Nun, so gehe in Gottes Namen
heim zu deinen Kindern -- Unten im Pfrundstall
ist eine Kuhe, die ich dir schenke, damit du wie-
der mit meinem lieben Großvater, der dir Unrecht
gethan hat, zufrieden werdest, und damit du dich
heute mit deinen Kindern seines Andenkens freuest --
Ich habe auch befohlen, daß man ein grosses Fu-
der Heu ab des Vogts Bühne lade, denn es ist
dein, du wirst das Fuder gerade jezt bey deinem
Haus finden; und wenn dein Stall oder dein Haus
baufällig sind, so kannst du das nöthige Holz in
meinem Wald fällen lassen.



§. 97.
A a 2

Junker. Nun, Rudi! ich moͤchte gern, daß
du heute recht freudig und wohl zu Muthe waͤreſt.
Willt du gern hier bey uns ein Glas Wein trin-
ken, oder gehſt du lieber heim zu deinen Kindern?
Ich habe dafuͤr geſorgt, daß du ein gutes Abend-
eſſen daheim findeſt.

Rudi. Ihr ſeyd auch gar zu guͤtig, Gnaͤdiger
Herr! aber ich ſollte heim zu meinen Kindern gehn,
ich habe Niemand bey ihnen. Ach! meine Frau
liegt im Grabe — und jezt meine Mutter auch!

Junker. Nun, ſo gehe in Gottes Namen
heim zu deinen Kindern — Unten im Pfrundſtall
iſt eine Kuhe, die ich dir ſchenke, damit du wie-
der mit meinem lieben Großvater, der dir Unrecht
gethan hat, zufrieden werdeſt, und damit du dich
heute mit deinen Kindern ſeines Andenkens freueſt —
Ich habe auch befohlen, daß man ein groſſes Fu-
der Heu ab des Vogts Buͤhne lade, denn es iſt
dein, du wirſt das Fuder gerade jezt bey deinem
Haus finden; und wenn dein Stall oder dein Haus
baufaͤllig ſind, ſo kannſt du das noͤthige Holz in
meinem Wald faͤllen laſſen.



§. 97.
A a 2
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[371/0396] Junker. Nun, Rudi! ich moͤchte gern, daß du heute recht freudig und wohl zu Muthe waͤreſt. Willt du gern hier bey uns ein Glas Wein trin- ken, oder gehſt du lieber heim zu deinen Kindern? Ich habe dafuͤr geſorgt, daß du ein gutes Abend- eſſen daheim findeſt. Rudi. Ihr ſeyd auch gar zu guͤtig, Gnaͤdiger Herr! aber ich ſollte heim zu meinen Kindern gehn, ich habe Niemand bey ihnen. Ach! meine Frau liegt im Grabe — und jezt meine Mutter auch! Junker. Nun, ſo gehe in Gottes Namen heim zu deinen Kindern — Unten im Pfrundſtall iſt eine Kuhe, die ich dir ſchenke, damit du wie- der mit meinem lieben Großvater, der dir Unrecht gethan hat, zufrieden werdeſt, und damit du dich heute mit deinen Kindern ſeines Andenkens freueſt — Ich habe auch befohlen, daß man ein groſſes Fu- der Heu ab des Vogts Buͤhne lade, denn es iſt dein, du wirſt das Fuder gerade jezt bey deinem Haus finden; und wenn dein Stall oder dein Haus baufaͤllig ſind, ſo kannſt du das noͤthige Holz in meinem Wald faͤllen laſſen. §. 97. A a 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/396>, abgerufen am 22.11.2024.