keine Abgaben hafteten, hinterlassen worden, und ich will nichts weniger, als euch an die- sem euerm Recht kränken. Die erste Pflicht des Menschen ist, der Armuth seiner Mit- menschen, wo er kann, aufzuhelffen, damit ein jeder ohne Drang und Kummer des Le- bens Nothdurft erstreiten möge, und diese erste Pflicht des Menschen ist besonders die erste Pflicht derjenigen, die Gott zu Vätern über andere gesezet hat. --
Dann sagte er ihnen noch, er wolle auch die Bäume, die sein Großvater auf diesem Riedt gepflanzet, unter sie vertheilen, und jedermann mit jungen Bäumen aus dem Schloßgarten versehen.
Das Volk erkannte izt seinen Vater, und dankete laut. Er überließ sie eine Weile ihrer Freude.
§. 55. Ein Kläger, dem die Sonne scheint.
Dann mitten im Jubel des dankenden Volkes trat der Hünerträger von Arn- heim auf, und der Junker rief: Still! -- das Volk gehorchte, und sein Christoph klagte:
"Wie
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keine Abgaben hafteten, hinterlaſſen worden, und ich will nichts weniger, als euch an die- ſem euerm Recht kraͤnken. Die erſte Pflicht des Menſchen iſt, der Armuth ſeiner Mit- menſchen, wo er kann, aufzuhelffen, damit ein jeder ohne Drang und Kummer des Le- bens Nothdurft erſtreiten moͤge, und dieſe erſte Pflicht des Menſchen iſt beſonders die erſte Pflicht derjenigen, die Gott zu Vaͤtern uͤber andere geſezet hat. —
Dann ſagte er ihnen noch, er wolle auch die Baͤume, die ſein Großvater auf dieſem Riedt gepflanzet, unter ſie vertheilen, und jedermann mit jungen Baͤumen aus dem Schloßgarten verſehen.
Das Volk erkannte izt ſeinen Vater, und dankete laut. Er uͤberließ ſie eine Weile ihrer Freude.
§. 55. Ein Klaͤger, dem die Sonne ſcheint.
Dann mitten im Jubel des dankenden Volkes trat der Huͤnertraͤger von Arn- heim auf, und der Junker rief: Still! — das Volk gehorchte, und ſein Chriſtoph klagte:
„Wie
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keine Abgaben hafteten, hinterlaſſen worden,
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ſem euerm Recht kraͤnken. Die erſte Pflicht
des Menſchen iſt, der Armuth ſeiner Mit-
menſchen, wo er kann, aufzuhelffen, damit
ein jeder ohne Drang und Kummer des Le-
bens Nothdurft erſtreiten moͤge, und dieſe
erſte Pflicht des Menſchen iſt beſonders die
erſte Pflicht derjenigen, die Gott zu Vaͤtern
uͤber andere geſezet hat. —
Dann ſagte er ihnen noch, er wolle auch
die Baͤume, die ſein Großvater auf dieſem
Riedt gepflanzet, unter ſie vertheilen, und
jedermann mit jungen Baͤumen aus dem
Schloßgarten verſehen.
Das Volk erkannte izt ſeinen Vater,
und dankete laut. Er uͤberließ ſie eine Weile
ihrer Freude.
§. 55.
Ein Klaͤger, dem die Sonne ſcheint.
Dann mitten im Jubel des dankenden
Volkes trat der Huͤnertraͤger von Arn-
heim auf, und der Junker rief: Still! —
das Volk gehorchte, und ſein Chriſtoph
klagte:
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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