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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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bey ihm Abschied, wünschte ihm Gottes
Segen, und bath ihn noch um Verzeihung.

O Gott! ich muß dich um Verzei-
hung bitten; ich bin an deinem Elend schuld,
sagte der Vogt.

Jch nicht weniger an deinem, erwiederte
die Vögtin -- und beyde wainten heiße
Thränen.

Nach einer Weile kam auch der Pfar-
rer zu ihnen. Er saß neben sie hin, und
-- vergoß Thränen, wenn sie wainte, red-
te kein Wort, wenn sie Schmerzen hatte,
und war immer auf das, was sie jeden
Augenblik nöthig hatte, aufmerksam.

So war er bey allen Kranken; denn er
glaubte, man müße mit dem reinsten mensch-
lichen Sinn den Grund der H. Lehre legen,
ehe man ihre Worte in den Mund nehme.

Er machte überhaupt immer gar wenig
aus Worten, und sagte, sie seyen wie der
Rauch, Zeichen des Feuers, nicht das
Feuer selbst: und je reiner das Feuer, je
weniger Rauch, und je reiner die mensch-
liche Lehre, je weniger Worte.

Er sagte -- Das viele Wortwesen ist
ganz und gar nicht für den gemeinen Mann.
Je mehr Worte, je schwächer drükt man
für ihn aus, was man für ihn im Herzen
hat. Die vielen Worte bringen ihm alles

durch

bey ihm Abſchied, wuͤnſchte ihm Gottes
Segen, und bath ihn noch um Verzeihung.

O Gott! ich muß dich um Verzei-
hung bitten; ich bin an deinem Elend ſchuld,
ſagte der Vogt.

Jch nicht weniger an deinem, erwiederte
die Voͤgtin — und beyde wainten heiße
Thraͤnen.

Nach einer Weile kam auch der Pfar-
rer zu ihnen. Er ſaß neben ſie hin, und
— vergoß Thraͤnen, wenn ſie wainte, red-
te kein Wort, wenn ſie Schmerzen hatte,
und war immer auf das, was ſie jeden
Augenblik noͤthig hatte, aufmerkſam.

So war er bey allen Kranken; denn er
glaubte, man muͤße mit dem reinſten menſch-
lichen Sinn den Grund der H. Lehre legen,
ehe man ihre Worte in den Mund nehme.

Er machte uͤberhaupt immer gar wenig
aus Worten, und ſagte, ſie ſeyen wie der
Rauch, Zeichen des Feuers, nicht das
Feuer ſelbſt: und je reiner das Feuer, je
weniger Rauch, und je reiner die menſch-
liche Lehre, je weniger Worte.

Er ſagte — Das viele Wortweſen iſt
ganz und gar nicht fuͤr den gemeinen Mann.
Je mehr Worte, je ſchwaͤcher druͤkt man
fuͤr ihn aus, was man fuͤr ihn im Herzen
hat. Die vielen Worte bringen ihm alles

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[212/0230] bey ihm Abſchied, wuͤnſchte ihm Gottes Segen, und bath ihn noch um Verzeihung. O Gott! ich muß dich um Verzei- hung bitten; ich bin an deinem Elend ſchuld, ſagte der Vogt. Jch nicht weniger an deinem, erwiederte die Voͤgtin — und beyde wainten heiße Thraͤnen. Nach einer Weile kam auch der Pfar- rer zu ihnen. Er ſaß neben ſie hin, und — vergoß Thraͤnen, wenn ſie wainte, red- te kein Wort, wenn ſie Schmerzen hatte, und war immer auf das, was ſie jeden Augenblik noͤthig hatte, aufmerkſam. So war er bey allen Kranken; denn er glaubte, man muͤße mit dem reinſten menſch- lichen Sinn den Grund der H. Lehre legen, ehe man ihre Worte in den Mund nehme. Er machte uͤberhaupt immer gar wenig aus Worten, und ſagte, ſie ſeyen wie der Rauch, Zeichen des Feuers, nicht das Feuer ſelbſt: und je reiner das Feuer, je weniger Rauch, und je reiner die menſch- liche Lehre, je weniger Worte. Er ſagte — Das viele Wortweſen iſt ganz und gar nicht fuͤr den gemeinen Mann. Je mehr Worte, je ſchwaͤcher druͤkt man fuͤr ihn aus, was man fuͤr ihn im Herzen hat. Die vielen Worte bringen ihm alles durch

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/230>, abgerufen am 24.11.2024.