dern bey der Kranken die Thür auf- und zu- thun müßte.
Der Pfarrer gieng dann zu ihnen hinaus, grüßte sie alle herzlich, dankte ihnen, daß sie der Frauen noch diese Liebe erwiesen, und bath sie dann alle, so still als möglich, zu thun, wenn sie in die Stube hinein kom- men.
Die meisten Armen, Männer und Wei- ber zogen auf offner Straße die Schuhe ab, trugen sie in Händen hinein, und gien- gen fast auf den Zehen, um kein Geräusch zu machen.
Es waren ihrer über die vierzig Perso- nen, Männer, Weiber und Kinder.
Die Vögtin sah eins nach dem andern, wie sie herein kamen, steif an, und bewegte gegen ein jedes ihr sterbendes Haupt. Die Armen erwiederten ihr den Gruß alle mit freundlichem Nikken, und hatten meistens Thränen in den Augen, aber keines redete ein Wort.
Die Hoorlacherin sah aus wie der Tod. Die Vögtin sah sie, zwey Kinder, die Hun- ger und Mangel redten, auf ihren Armen, und ihre zerrissenen Schuhe in der Hande, vor ihr stehen, und gebeugt, aber geduldig, nach ihr hinbliken, und dann ihr Aug gen Himmel erheben.
Die
dern bey der Kranken die Thuͤr auf- und zu- thun muͤßte.
Der Pfarrer gieng dann zu ihnen hinaus, gruͤßte ſie alle herzlich, dankte ihnen, daß ſie der Frauen noch dieſe Liebe erwieſen, und bath ſie dann alle, ſo ſtill als moͤglich, zu thun, wenn ſie in die Stube hinein kom- men.
Die meiſten Armen, Maͤnner und Wei- ber zogen auf offner Straße die Schuhe ab, trugen ſie in Haͤnden hinein, und gien- gen faſt auf den Zehen, um kein Geraͤuſch zu machen.
Es waren ihrer uͤber die vierzig Perſo- nen, Maͤnner, Weiber und Kinder.
Die Voͤgtin ſah eins nach dem andern, wie ſie herein kamen, ſteif an, und bewegte gegen ein jedes ihr ſterbendes Haupt. Die Armen erwiederten ihr den Gruß alle mit freundlichem Nikken, und hatten meiſtens Thraͤnen in den Augen, aber keines redete ein Wort.
Die Hoorlacherin ſah aus wie der Tod. Die Voͤgtin ſah ſie, zwey Kinder, die Hun- ger und Mangel redten, auf ihren Armen, und ihre zerriſſenen Schuhe in der Hande, vor ihr ſtehen, und gebeugt, aber geduldig, nach ihr hinbliken, und dann ihr Aug gen Himmel erheben.
Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0241"n="223"/>
dern bey der Kranken die Thuͤr auf- und zu-<lb/>
thun muͤßte.</p><lb/><p>Der Pfarrer gieng dann zu ihnen hinaus,<lb/>
gruͤßte ſie alle herzlich, dankte ihnen, daß<lb/>ſie der Frauen noch dieſe Liebe erwieſen, und<lb/>
bath ſie dann alle, ſo ſtill als moͤglich, zu<lb/>
thun, wenn ſie in die Stube hinein kom-<lb/>
men.</p><lb/><p>Die meiſten Armen, Maͤnner und Wei-<lb/>
ber zogen auf offner Straße die Schuhe<lb/>
ab, trugen ſie in Haͤnden hinein, und gien-<lb/>
gen faſt auf den Zehen, um kein Geraͤuſch<lb/>
zu machen.</p><lb/><p>Es waren ihrer uͤber die vierzig Perſo-<lb/>
nen, Maͤnner, Weiber und Kinder.</p><lb/><p>Die Voͤgtin ſah eins nach dem andern,<lb/>
wie ſie herein kamen, ſteif an, und bewegte<lb/>
gegen ein jedes ihr ſterbendes Haupt. Die<lb/>
Armen erwiederten ihr den Gruß alle mit<lb/>
freundlichem Nikken, und hatten meiſtens<lb/>
Thraͤnen in den Augen, aber keines redete<lb/>
ein Wort.</p><lb/><p>Die Hoorlacherin ſah aus wie der Tod.<lb/>
Die Voͤgtin ſah ſie, zwey Kinder, die Hun-<lb/>
ger und Mangel redten, auf ihren Armen,<lb/>
und ihre zerriſſenen Schuhe in der Hande,<lb/>
vor ihr ſtehen, und gebeugt, aber geduldig,<lb/>
nach ihr hinbliken, und dann ihr Aug gen<lb/>
Himmel erheben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[223/0241]
dern bey der Kranken die Thuͤr auf- und zu-
thun muͤßte.
Der Pfarrer gieng dann zu ihnen hinaus,
gruͤßte ſie alle herzlich, dankte ihnen, daß
ſie der Frauen noch dieſe Liebe erwieſen, und
bath ſie dann alle, ſo ſtill als moͤglich, zu
thun, wenn ſie in die Stube hinein kom-
men.
Die meiſten Armen, Maͤnner und Wei-
ber zogen auf offner Straße die Schuhe
ab, trugen ſie in Haͤnden hinein, und gien-
gen faſt auf den Zehen, um kein Geraͤuſch
zu machen.
Es waren ihrer uͤber die vierzig Perſo-
nen, Maͤnner, Weiber und Kinder.
Die Voͤgtin ſah eins nach dem andern,
wie ſie herein kamen, ſteif an, und bewegte
gegen ein jedes ihr ſterbendes Haupt. Die
Armen erwiederten ihr den Gruß alle mit
freundlichem Nikken, und hatten meiſtens
Thraͤnen in den Augen, aber keines redete
ein Wort.
Die Hoorlacherin ſah aus wie der Tod.
Die Voͤgtin ſah ſie, zwey Kinder, die Hun-
ger und Mangel redten, auf ihren Armen,
und ihre zerriſſenen Schuhe in der Hande,
vor ihr ſtehen, und gebeugt, aber geduldig,
nach ihr hinbliken, und dann ihr Aug gen
Himmel erheben.
Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/241>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.