Verzeihung zu bitten, und dieser, seines Zie- les sich ganz zu versichern, bath den Doktor, daß er morgen aufs Mittagessen zu ihm komme.
§. 64. Wenn euere Gerechtigkeit nicht weit übertreffen wird die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pha- risäer, so werdet ihr nicht ins Reich der Himmel eingehen.
Jm Heimgehen führte der Weg die Hoor- lacherin neben dem Renold vorbey. Er saß eben in Gedanken vertieft vor seinem Hause. Der gestrige Tag lag noch schwer auf seinem Herzen. Der ganze Lauff seines Lebens, und das wenige Gute, das er in demselbigen gethan, schwebte ihm drükend vor den Augen, als eben diese Frau mit ih- ren drey Kindern bey ihm vorbey gieng, und ihn grüßte.
Er wußte, daß sie von der Vögtin kam, und sagte zu ihr: Hast du's auch über dein Herz bringen können, noch zu ihr zu gehen, da sie dich und deine Kinder so unglüklich gemacht haben?
Und
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Verzeihung zu bitten, und dieſer, ſeines Zie- les ſich ganz zu verſichern, bath den Doktor, daß er morgen aufs Mittageſſen zu ihm kom̃e.
§. 64. Wenn euere Gerechtigkeit nicht weit uͤbertreffen wird die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pha- riſaͤer, ſo werdet ihr nicht ins Reich der Himmel eingehen.
Jm Heimgehen fuͤhrte der Weg die Hoor- lacherin neben dem Renold vorbey. Er ſaß eben in Gedanken vertieft vor ſeinem Hauſe. Der geſtrige Tag lag noch ſchwer auf ſeinem Herzen. Der ganze Lauff ſeines Lebens, und das wenige Gute, das er in demſelbigen gethan, ſchwebte ihm druͤkend vor den Augen, als eben dieſe Frau mit ih- ren drey Kindern bey ihm vorbey gieng, und ihn gruͤßte.
Er wußte, daß ſie von der Voͤgtin kam, und ſagte zu ihr: Haſt du's auch uͤber dein Herz bringen koͤnnen, noch zu ihr zu gehen, da ſie dich und deine Kinder ſo ungluͤklich gemacht haben?
Und
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Verzeihung zu bitten, und dieſer, ſeines Zie-
les ſich ganz zu verſichern, bath den Doktor,
daß er morgen aufs Mittageſſen zu ihm kom̃e.
§. 64.
Wenn euere Gerechtigkeit nicht weit
uͤbertreffen wird die Gerechtigkeit
der Schriftgelehrten und Pha-
riſaͤer, ſo werdet ihr nicht ins
Reich der Himmel eingehen.
Jm Heimgehen fuͤhrte der Weg die Hoor-
lacherin neben dem Renold vorbey. Er
ſaß eben in Gedanken vertieft vor ſeinem
Hauſe. Der geſtrige Tag lag noch ſchwer
auf ſeinem Herzen. Der ganze Lauff ſeines
Lebens, und das wenige Gute, das er in
demſelbigen gethan, ſchwebte ihm druͤkend
vor den Augen, als eben dieſe Frau mit ih-
ren drey Kindern bey ihm vorbey gieng,
und ihn gruͤßte.
Er wußte, daß ſie von der Voͤgtin kam,
und ſagte zu ihr: Haſt du's auch uͤber dein
Herz bringen koͤnnen, noch zu ihr zu gehen,
da ſie dich und deine Kinder ſo ungluͤklich
gemacht haben?
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/247>, abgerufen am 16.02.2025.
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