Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Verstand just da nehme, wo er ihn am nö-
thigsten hätte.

Sie ließen ihm das Maul offen, wo er
wollte, und über was er wollte; und je we-
niger er seinen Verstand brauchte, und mit
den Händen arbeitete, desto frecher war er
mit dem Maul.

Er hatte von Kindsbeinen auf gar viel
Feuer. Anstatt dasselbe zu löschen und zu
dämpfen, wo es ins Böse ausbrechen woll-
te, ists auf diese Weise noch angefacht und
angeblasen worden.

Er war auch noch nicht viel über sieben
Jahre, so merkten die Eltern, wo sie mit
ihm zu Hause waren; der Müßiggang und
Ungehorsam waren in ihm erstarket, und
was man ihm vom Folgen, Arbeiten und
Rechtthun sagte, ließ er zu einem Ohr hin-
ein, und zum andern heraus. Selbst mit
Schlägen richteten sie izt nichts mehr an ihm
aus. Es war vielmehr, wie wenn man
sieben Teufel in ihn hinein schlug, wenn
man einen heraus schlagen wollte.

Liebe Menschen! Jch muß hier stille hal-
ten, und den Vätern und Müttern meiner
Gemeinde die große Lehre der Auferziehung
sagen:

Bie-
Q 5

Verſtand juſt da nehme, wo er ihn am noͤ-
thigſten haͤtte.

Sie ließen ihm das Maul offen, wo er
wollte, und uͤber was er wollte; und je we-
niger er ſeinen Verſtand brauchte, und mit
den Haͤnden arbeitete, deſto frecher war er
mit dem Maul.

Er hatte von Kindsbeinen auf gar viel
Feuer. Anſtatt daſſelbe zu loͤſchen und zu
daͤmpfen, wo es ins Boͤſe ausbrechen woll-
te, iſts auf dieſe Weiſe noch angefacht und
angeblaſen worden.

Er war auch noch nicht viel uͤber ſieben
Jahre, ſo merkten die Eltern, wo ſie mit
ihm zu Hauſe waren; der Muͤßiggang und
Ungehorſam waren in ihm erſtarket, und
was man ihm vom Folgen, Arbeiten und
Rechtthun ſagte, ließ er zu einem Ohr hin-
ein, und zum andern heraus. Selbſt mit
Schlaͤgen richteten ſie izt nichts mehr an ihm
aus. Es war vielmehr, wie wenn man
ſieben Teufel in ihn hinein ſchlug, wenn
man einen heraus ſchlagen wollte.

Liebe Menſchen! Jch muß hier ſtille hal-
ten, und den Vaͤtern und Muͤttern meiner
Gemeinde die große Lehre der Auferziehung
ſagen:

Bie-
Q 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="249"/>
Ver&#x017F;tand ju&#x017F;t da nehme, wo er ihn am no&#x0364;-<lb/>
thig&#x017F;ten ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Sie ließen ihm das Maul offen, wo er<lb/>
wollte, und u&#x0364;ber was er wollte; und je we-<lb/>
niger er &#x017F;einen Ver&#x017F;tand brauchte, und mit<lb/>
den Ha&#x0364;nden arbeitete, de&#x017F;to frecher war er<lb/>
mit dem Maul.</p><lb/>
          <p>Er hatte von Kindsbeinen auf gar viel<lb/>
Feuer. An&#x017F;tatt da&#x017F;&#x017F;elbe zu lo&#x0364;&#x017F;chen und zu<lb/>
da&#x0364;mpfen, wo es ins Bo&#x0364;&#x017F;e ausbrechen woll-<lb/>
te, i&#x017F;ts auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e noch angefacht und<lb/>
angebla&#x017F;en worden.</p><lb/>
          <p>Er war auch noch nicht viel u&#x0364;ber &#x017F;ieben<lb/>
Jahre, &#x017F;o merkten die Eltern, wo &#x017F;ie mit<lb/>
ihm zu Hau&#x017F;e waren; der Mu&#x0364;ßiggang und<lb/>
Ungehor&#x017F;am waren in ihm er&#x017F;tarket, und<lb/>
was man ihm vom Folgen, Arbeiten und<lb/>
Rechtthun &#x017F;agte, ließ er zu einem Ohr hin-<lb/>
ein, und zum andern heraus. Selb&#x017F;t mit<lb/>
Schla&#x0364;gen richteten &#x017F;ie izt nichts mehr an ihm<lb/>
aus. Es war vielmehr, wie wenn man<lb/>
&#x017F;ieben Teufel in ihn hinein &#x017F;chlug, wenn<lb/>
man einen heraus &#x017F;chlagen wollte.</p><lb/>
          <p>Liebe Men&#x017F;chen! Jch muß hier &#x017F;tille hal-<lb/>
ten, und den Va&#x0364;tern und Mu&#x0364;ttern meiner<lb/>
Gemeinde die große Lehre der Auferziehung<lb/>
&#x017F;agen:</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Q 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Bie-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0267] Verſtand juſt da nehme, wo er ihn am noͤ- thigſten haͤtte. Sie ließen ihm das Maul offen, wo er wollte, und uͤber was er wollte; und je we- niger er ſeinen Verſtand brauchte, und mit den Haͤnden arbeitete, deſto frecher war er mit dem Maul. Er hatte von Kindsbeinen auf gar viel Feuer. Anſtatt daſſelbe zu loͤſchen und zu daͤmpfen, wo es ins Boͤſe ausbrechen woll- te, iſts auf dieſe Weiſe noch angefacht und angeblaſen worden. Er war auch noch nicht viel uͤber ſieben Jahre, ſo merkten die Eltern, wo ſie mit ihm zu Hauſe waren; der Muͤßiggang und Ungehorſam waren in ihm erſtarket, und was man ihm vom Folgen, Arbeiten und Rechtthun ſagte, ließ er zu einem Ohr hin- ein, und zum andern heraus. Selbſt mit Schlaͤgen richteten ſie izt nichts mehr an ihm aus. Es war vielmehr, wie wenn man ſieben Teufel in ihn hinein ſchlug, wenn man einen heraus ſchlagen wollte. Liebe Menſchen! Jch muß hier ſtille hal- ten, und den Vaͤtern und Muͤttern meiner Gemeinde die große Lehre der Auferziehung ſagen: Bie- Q 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/267
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/267>, abgerufen am 21.11.2024.