Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

zahlen, ohne was er sich für diese Gewerbe
einzurichten sonst hatte.

Aber das Elend ist nicht mit Worten aus-
zusprechen, das so ein Mann über ein Dorf
bringen muß, wenn er izt noch Wirth und
Müller wird. Stellet euch doch vor:
Mit seinem Ansehn im Schlosse,
Mit dem Gelde, das er izt schon hatte,
Mit seinem Waibelgewalt,
Mit seinem Geiz und mit seiner Schlau-
heit,

Mit den Kenntnissen, die er von allen,
auch den kleinsten Umständen in jedem Hau-
se hatte; -- Stellet euch vor, ob's anders
möglich gewesen, als daß das ganze Dorf
von ihm wie verkauft worden.

Ach! wie der Fisch im Wasser in Schlau-
ßen fällt, wo seinem Lauff sonst keine
Oeffnung gemacht ist:

Wie der Vogel in der Luft sich im Garne
verstrikt, wenn es seinem Flug im Wege
steht:

Wie das Wild im Feld in die Gruben
fällt, wenn man es mit seiner Nahrung da-
hin lokt: -- So fiel unser Volk dem Hum-
mel in seine Hände, als er izt noch Wirth
und Müller geworden.

Er wußte besonders die Unzufriedenheit,
in welcher die meisten Menschen mit ihren

Um-
S

zahlen, ohne was er ſich fuͤr dieſe Gewerbe
einzurichten ſonſt hatte.

Aber das Elend iſt nicht mit Worten aus-
zuſprechen, das ſo ein Mann uͤber ein Dorf
bringen muß, wenn er izt noch Wirth und
Muͤller wird. Stellet euch doch vor:
Mit ſeinem Anſehn im Schloſſe,
Mit dem Gelde, das er izt ſchon hatte,
Mit ſeinem Waibelgewalt,
Mit ſeinem Geiz und mit ſeiner Schlau-
heit,

Mit den Kenntniſſen, die er von allen,
auch den kleinſten Umſtaͤnden in jedem Hau-
ſe hatte; — Stellet euch vor, ob's anders
moͤglich geweſen, als daß das ganze Dorf
von ihm wie verkauft worden.

Ach! wie der Fiſch im Waſſer in Schlau-
ßen faͤllt, wo ſeinem Lauff ſonſt keine
Oeffnung gemacht iſt:

Wie der Vogel in der Luft ſich im Garne
verſtrikt, wenn es ſeinem Flug im Wege
ſteht:

Wie das Wild im Feld in die Gruben
faͤllt, wenn man es mit ſeiner Nahrung da-
hin lokt: — So fiel unſer Volk dem Hum-
mel in ſeine Haͤnde, als er izt noch Wirth
und Muͤller geworden.

Er wußte beſonders die Unzufriedenheit,
in welcher die meiſten Menſchen mit ihren

Um-
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="273"/>
zahlen, ohne was er &#x017F;ich fu&#x0364;r die&#x017F;e Gewerbe<lb/>
einzurichten &#x017F;on&#x017F;t hatte.</p><lb/>
          <p>Aber das Elend i&#x017F;t nicht mit Worten aus-<lb/>
zu&#x017F;prechen, das &#x017F;o ein Mann u&#x0364;ber ein Dorf<lb/>
bringen muß, wenn er izt noch Wirth und<lb/>
Mu&#x0364;ller wird. Stellet euch doch vor:<lb/><hi rendition="#et">Mit &#x017F;einem An&#x017F;ehn im Schlo&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
Mit dem Gelde, das er izt &#x017F;chon hatte,<lb/>
Mit &#x017F;einem Waibelgewalt,<lb/>
Mit &#x017F;einem Geiz und mit &#x017F;einer Schlau-<lb/><hi rendition="#et">heit,</hi></hi></p><lb/>
          <p>Mit den Kenntni&#x017F;&#x017F;en, die er von allen,<lb/>
auch den klein&#x017F;ten Um&#x017F;ta&#x0364;nden in jedem Hau-<lb/>
&#x017F;e hatte; &#x2014; Stellet euch vor, ob's anders<lb/>
mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, als daß das ganze Dorf<lb/>
von ihm wie verkauft worden.</p><lb/>
          <p>Ach! wie der Fi&#x017F;ch im Wa&#x017F;&#x017F;er in Schlau-<lb/>
ßen fa&#x0364;llt, wo &#x017F;einem Lauff &#x017F;on&#x017F;t keine<lb/>
Oeffnung gemacht i&#x017F;t:</p><lb/>
          <p>Wie der Vogel in der Luft &#x017F;ich im Garne<lb/>
ver&#x017F;trikt, wenn es &#x017F;einem Flug im Wege<lb/>
&#x017F;teht:</p><lb/>
          <p>Wie das Wild im Feld in die Gruben<lb/>
fa&#x0364;llt, wenn man es mit &#x017F;einer Nahrung da-<lb/>
hin lokt: &#x2014; So fiel un&#x017F;er Volk dem Hum-<lb/>
mel in &#x017F;eine Ha&#x0364;nde, als er izt noch Wirth<lb/>
und Mu&#x0364;ller geworden.</p><lb/>
          <p>Er wußte be&#x017F;onders die Unzufriedenheit,<lb/>
in welcher die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen mit ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">Um-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0291] zahlen, ohne was er ſich fuͤr dieſe Gewerbe einzurichten ſonſt hatte. Aber das Elend iſt nicht mit Worten aus- zuſprechen, das ſo ein Mann uͤber ein Dorf bringen muß, wenn er izt noch Wirth und Muͤller wird. Stellet euch doch vor: Mit ſeinem Anſehn im Schloſſe, Mit dem Gelde, das er izt ſchon hatte, Mit ſeinem Waibelgewalt, Mit ſeinem Geiz und mit ſeiner Schlau- heit, Mit den Kenntniſſen, die er von allen, auch den kleinſten Umſtaͤnden in jedem Hau- ſe hatte; — Stellet euch vor, ob's anders moͤglich geweſen, als daß das ganze Dorf von ihm wie verkauft worden. Ach! wie der Fiſch im Waſſer in Schlau- ßen faͤllt, wo ſeinem Lauff ſonſt keine Oeffnung gemacht iſt: Wie der Vogel in der Luft ſich im Garne verſtrikt, wenn es ſeinem Flug im Wege ſteht: Wie das Wild im Feld in die Gruben faͤllt, wenn man es mit ſeiner Nahrung da- hin lokt: — So fiel unſer Volk dem Hum- mel in ſeine Haͤnde, als er izt noch Wirth und Muͤller geworden. Er wußte beſonders die Unzufriedenheit, in welcher die meiſten Menſchen mit ihren Um- S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/291
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/291>, abgerufen am 21.11.2024.