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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Der ältere Lindenberger aber, sagte ihm
einmal vor einem ganzen Tisch voll Volk:
Es begegnet dir nur, was du verdienst; --
ehe du da warest, wußte niemand nichts von
so hartem Laugnen -- izt aber hast du nicht
zu klagen, daß man das auch gegen dich
braucht, was du eingeführt, u. tausendmal ge-
gen andere ausgeübt. -- Und der jüngere Kil-
ler, der beym großen Schlaghandel sich glüklich
heraus geläugnet, both in der gleichen Stund
dem Vogt vor allen Leuten, die mit ihm von
der Audienz kamen, aus Muthwillen einen
Thaler für den Lehrlohn an. -- Wofür
mir einen Lehrlohn? sagte der Vogt -- Ei-
ner der mitgieng, gab überlaut zur Antwort:
Jch denke, der Lehrlohn werde von der Kunst
abzulaugnen, was wahr ist, verstanden wer-
den müssen. -- Nein, nein, sagte der
Killer, nur von der Kunst, seinen Handel
zu gewinnen. -- Aber die Kunst wegzu-
läugnen, ist die Kunst seinen Handel zu ge-
winnen, sagte der andere, und der Lehrlohn
für's Lügen Lernen ward zum allgemeinen
Gelächter, daß der Vogt vor Zorn hätte
stampfen mögen, wenn er schon nicht derglei-
chen gethan. Es gieng fast ein Jahr, daß
wer den Vogt spielen wollte, ihm von die-
sem Lehrlohn anfieng, und es ist wirklich
zu einem Sprüchwort worden: Wenn er

ob

Der aͤltere Lindenberger aber, ſagte ihm
einmal vor einem ganzen Tiſch voll Volk:
Es begegnet dir nur, was du verdienſt; —
ehe du da wareſt, wußte niemand nichts von
ſo hartem Laugnen — izt aber haſt du nicht
zu klagen, daß man das auch gegen dich
braucht, was du eingefuͤhrt, u. tauſendmal ge-
gen andere ausgeuͤbt. — Und der juͤngere Kil-
ler, der beym großen Schlaghandel ſich gluͤklich
heraus gelaͤugnet, both in der gleichen Stund
dem Vogt vor allen Leuten, die mit ihm von
der Audienz kamen, aus Muthwillen einen
Thaler fuͤr den Lehrlohn an. — Wofuͤr
mir einen Lehrlohn? ſagte der Vogt — Ei-
ner der mitgieng, gab uͤberlaut zur Antwort:
Jch denke, der Lehrlohn werde von der Kunſt
abzulaugnen, was wahr iſt, verſtanden wer-
den muͤſſen. — Nein, nein, ſagte der
Killer, nur von der Kunſt, ſeinen Handel
zu gewinnen. — Aber die Kunſt wegzu-
laͤugnen, iſt die Kunſt ſeinen Handel zu ge-
winnen, ſagte der andere, und der Lehrlohn
fuͤr's Luͤgen Lernen ward zum allgemeinen
Gelaͤchter, daß der Vogt vor Zorn haͤtte
ſtampfen moͤgen, wenn er ſchon nicht derglei-
chen gethan. Es gieng faſt ein Jahr, daß
wer den Vogt ſpielen wollte, ihm von die-
ſem Lehrlohn anfieng, und es iſt wirklich
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[335/0353] Der aͤltere Lindenberger aber, ſagte ihm einmal vor einem ganzen Tiſch voll Volk: Es begegnet dir nur, was du verdienſt; — ehe du da wareſt, wußte niemand nichts von ſo hartem Laugnen — izt aber haſt du nicht zu klagen, daß man das auch gegen dich braucht, was du eingefuͤhrt, u. tauſendmal ge- gen andere ausgeuͤbt. — Und der juͤngere Kil- ler, der beym großen Schlaghandel ſich gluͤklich heraus gelaͤugnet, both in der gleichen Stund dem Vogt vor allen Leuten, die mit ihm von der Audienz kamen, aus Muthwillen einen Thaler fuͤr den Lehrlohn an. — Wofuͤr mir einen Lehrlohn? ſagte der Vogt — Ei- ner der mitgieng, gab uͤberlaut zur Antwort: Jch denke, der Lehrlohn werde von der Kunſt abzulaugnen, was wahr iſt, verſtanden wer- den muͤſſen. — Nein, nein, ſagte der Killer, nur von der Kunſt, ſeinen Handel zu gewinnen. — Aber die Kunſt wegzu- laͤugnen, iſt die Kunſt ſeinen Handel zu ge- winnen, ſagte der andere, und der Lehrlohn fuͤr's Luͤgen Lernen ward zum allgemeinen Gelaͤchter, daß der Vogt vor Zorn haͤtte ſtampfen moͤgen, wenn er ſchon nicht derglei- chen gethan. Es gieng faſt ein Jahr, daß wer den Vogt ſpielen wollte, ihm von die- ſem Lehrlohn anfieng, und es iſt wirklich zu einem Spruͤchwort worden: Wenn er ob

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/353>, abgerufen am 21.11.2024.