Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

ich eine Frau, die das viel besser versteht als
ich; und was ich nicht Zeit hab, das kann
diese vollkommen.

Junker. Richte es ein wie du kannst, aber
gehe ihm an die Hand.

§. 21.
Danken müssen, thut alten Leuthen alle-
mal wehe; aber den Kinderen ist es
eine Freude.

Während der Zeit spizte der Heirlj immer
darauf, seiner Mutter etwas zu sagen,
aber sie sah' ihm nie ins Gesicht, daß er ihr
winken, und stuhnd ihm nie so nahe, daß er
sie erlangen könnte. -- Endlich gerieth es,
und er konnte ihr in's Ohr sagen: dörfen
wir dem Junker nicht auch für die neuen Ba-
zen danken? Der gute Bub drukte mit seiner
Hand ihren Kopf hart an den seinen an, und
nahm ihr das halbe Ohr ins Maul, wie wenn
er's abbeissen wollte. -- Sie gab ihm eins
mit den Baken, und sagte; ja freylich müßt
ihr ihm danken: ich hab es nur vergessen. Im
Augenblik legte der Bub seinen Baumwollen-
floken auf den Radbank, schlich hinter den
Räderen zu seinen Geschwisterten, sagte ei-
nem nach dem anderen: Wir müssen dem Jun-

ich eine Frau, die das viel beſſer verſteht als
ich; und was ich nicht Zeit hab, das kann
dieſe vollkommen.

Junker. Richte es ein wie du kannſt, aber
gehe ihm an die Hand.

§. 21.
Danken muͤſſen, thut alten Leuthen alle-
mal wehe; aber den Kinderen iſt es
eine Freude.

Waͤhrend der Zeit ſpizte der Heirlj immer
darauf, ſeiner Mutter etwas zu ſagen,
aber ſie ſah’ ihm nie ins Geſicht, daß er ihr
winken, und ſtuhnd ihm nie ſo nahe, daß er
ſie erlangen koͤnnte. — Endlich gerieth es,
und er konnte ihr in’s Ohr ſagen: doͤrfen
wir dem Junker nicht auch fuͤr die neuen Ba-
zen danken? Der gute Bub drukte mit ſeiner
Hand ihren Kopf hart an den ſeinen an, und
nahm ihr das halbe Ohr ins Maul, wie wenn
er’s abbeiſſen wollte. — Sie gab ihm eins
mit den Baken, und ſagte; ja freylich muͤßt
ihr ihm danken: ich hab es nur vergeſſen. Im
Augenblik legte der Bub ſeinen Baumwollen-
floken auf den Radbank, ſchlich hinter den
Raͤderen zu ſeinen Geſchwiſterten, ſagte ei-
nem nach dem anderen: Wir muͤſſen dem Jun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="92"/>
ich eine Frau, die das viel be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;teht als<lb/>
ich; und was ich nicht Zeit hab, das kann<lb/>
die&#x017F;e vollkommen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Junker</hi>. Richte es ein wie du kann&#x017F;t, aber<lb/>
gehe ihm an die Hand.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 21.<lb/>
Danken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, thut alten Leuthen alle-<lb/>
mal wehe; aber den Kinderen i&#x017F;t es<lb/>
eine Freude.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>a&#x0364;hrend der Zeit &#x017F;pizte der Heirlj immer<lb/>
darauf, &#x017F;einer Mutter etwas zu &#x017F;agen,<lb/>
aber &#x017F;ie &#x017F;ah&#x2019; ihm nie ins Ge&#x017F;icht, daß er ihr<lb/>
winken, und &#x017F;tuhnd ihm nie &#x017F;o nahe, daß er<lb/>
&#x017F;ie erlangen ko&#x0364;nnte. &#x2014; Endlich gerieth es,<lb/>
und er konnte ihr in&#x2019;s Ohr &#x017F;agen: do&#x0364;rfen<lb/>
wir dem Junker nicht auch <choice><sic>&#x017F;u&#x0364;r</sic><corr>fu&#x0364;r</corr></choice> die neuen Ba-<lb/>
zen danken? Der gute Bub drukte mit &#x017F;einer<lb/>
Hand ihren Kopf hart an den &#x017F;einen an, und<lb/>
nahm ihr das halbe Ohr ins Maul, wie wenn<lb/>
er&#x2019;s abbei&#x017F;&#x017F;en wollte. &#x2014; Sie gab ihm eins<lb/>
mit den Baken, und &#x017F;agte; ja freylich mu&#x0364;ßt<lb/>
ihr ihm danken: ich hab es nur verge&#x017F;&#x017F;en. Im<lb/>
Augenblik legte der Bub &#x017F;einen Baumwollen-<lb/>
floken auf den Radbank, &#x017F;chlich hinter den<lb/>
Ra&#x0364;deren zu &#x017F;einen Ge&#x017F;chwi&#x017F;terten, &#x017F;agte ei-<lb/>
nem nach dem anderen: Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en dem Jun-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0114] ich eine Frau, die das viel beſſer verſteht als ich; und was ich nicht Zeit hab, das kann dieſe vollkommen. Junker. Richte es ein wie du kannſt, aber gehe ihm an die Hand. §. 21. Danken muͤſſen, thut alten Leuthen alle- mal wehe; aber den Kinderen iſt es eine Freude. Waͤhrend der Zeit ſpizte der Heirlj immer darauf, ſeiner Mutter etwas zu ſagen, aber ſie ſah’ ihm nie ins Geſicht, daß er ihr winken, und ſtuhnd ihm nie ſo nahe, daß er ſie erlangen koͤnnte. — Endlich gerieth es, und er konnte ihr in’s Ohr ſagen: doͤrfen wir dem Junker nicht auch fuͤr die neuen Ba- zen danken? Der gute Bub drukte mit ſeiner Hand ihren Kopf hart an den ſeinen an, und nahm ihr das halbe Ohr ins Maul, wie wenn er’s abbeiſſen wollte. — Sie gab ihm eins mit den Baken, und ſagte; ja freylich muͤßt ihr ihm danken: ich hab es nur vergeſſen. Im Augenblik legte der Bub ſeinen Baumwollen- floken auf den Radbank, ſchlich hinter den Raͤderen zu ſeinen Geſchwiſterten, ſagte ei- nem nach dem anderen: Wir muͤſſen dem Jun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/114
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/114>, abgerufen am 28.11.2024.