Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

über diesen Punkt habe ich einmal einen Geist-
lichen vor einem Tisch voll Junkeren und
Pfaffen eine derbe Wahrheit sagen hören.

Es war in der Steinmarch, und man re-
dete an der Tafel von dem Unterschied der
Pfründen, die in einem Marchamt gegen der
Gewohnheit in der Nähe von den Schlössern,
besser sind als in der Ferne davon. Da sagte
ein magerer Pfarrer, der unten am Tisch
saß, mit einer hellen, langsamen Stimm, die
hinauf tönte, daß alle Mäuler schwiegen;
wenn's recht wäre Ihr Gnaden und Ihr Hoch-
würden, so wärs allenthalben so. --

Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und
Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwürden
und Gnaden? In der Nähe von Schlössern
hat man Teufel auszutreiben; wenn man da-
von weg ist, nur Kinder zu erziehen.

Die Augen blizten den Hochwürden und
den Gnaden, da das Wort heraus war, aber
ein Gescheider unter ihnen, fieng an zu lachen,
und des Pfarrers Gesundheit zu trinken. Da
merkten die andern, daß das ihr Spiel, und
vom Schlesischen Commandeur der oben an
saß, bis zum jüngsten Degen, lachte jezt alles,
und alles trank dem Pfarrer auf seine Gesund-
heit.

Aber noch vor dem Abend machten, das
weiß ich, vom Schleisischen Kommandeur bis

uͤber dieſen Punkt habe ich einmal einen Geiſt-
lichen vor einem Tiſch voll Junkeren und
Pfaffen eine derbe Wahrheit ſagen hoͤren.

Es war in der Steinmarch, und man re-
dete an der Tafel von dem Unterſchied der
Pfruͤnden, die in einem Marchamt gegen der
Gewohnheit in der Naͤhe von den Schloͤſſern,
beſſer ſind als in der Ferne davon. Da ſagte
ein magerer Pfarrer, der unten am Tiſch
ſaß, mit einer hellen, langſamen Stimm, die
hinauf toͤnte, daß alle Maͤuler ſchwiegen;
wenn’s recht waͤre Ihr Gnaden und Ihr Hoch-
wuͤrden, ſo waͤrs allenthalben ſo. —

Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und
Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwuͤrden
und Gnaden? In der Naͤhe von Schloͤſſern
hat man Teufel auszutreiben; wenn man da-
von weg iſt, nur Kinder zu erziehen.

Die Augen blizten den Hochwuͤrden und
den Gnaden, da das Wort heraus war, aber
ein Geſcheider unter ihnen, fieng an zu lachen,
und des Pfarrers Geſundheit zu trinken. Da
merkten die andern, daß das ihr Spiel, und
vom Schleſiſchen Commandeur der oben an
ſaß, bis zum juͤngſten Degen, lachte jezt alles,
und alles trank dem Pfarrer auf ſeine Geſund-
heit.

Aber noch vor dem Abend machten, das
weiß ich, vom Schleiſiſchen Kommandeur bis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="123"/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en Punkt habe ich einmal einen Gei&#x017F;t-<lb/>
lichen vor einem Ti&#x017F;ch voll Junkeren und<lb/>
Pfaffen eine derbe Wahrheit &#x017F;agen ho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Es war in der Steinmarch, und man re-<lb/>
dete an der Tafel von dem Unter&#x017F;chied der<lb/>
Pfru&#x0364;nden, die in einem Marchamt gegen der<lb/>
Gewohnheit in der Na&#x0364;he von den Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern,<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind als in der Ferne davon. Da &#x017F;agte<lb/>
ein magerer Pfarrer, der unten am Ti&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;aß, mit einer hellen, lang&#x017F;amen Stimm, die<lb/>
hinauf to&#x0364;nte, daß alle Ma&#x0364;uler &#x017F;chwiegen;<lb/>
wenn&#x2019;s recht wa&#x0364;re Ihr Gnaden und Ihr Hoch-<lb/>
wu&#x0364;rden, &#x017F;o wa&#x0364;rs allenthalben &#x017F;o. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und<lb/>
Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwu&#x0364;rden<lb/>
und Gnaden? In der Na&#x0364;he von Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
hat man Teufel auszutreiben; wenn man da-<lb/>
von weg i&#x017F;t, nur Kinder zu erziehen.</p><lb/>
        <p>Die Augen blizten den Hochwu&#x0364;rden und<lb/>
den Gnaden, da das Wort heraus war, aber<lb/>
ein Ge&#x017F;cheider unter ihnen, fieng an zu lachen,<lb/>
und des Pfarrers Ge&#x017F;undheit zu trinken. Da<lb/>
merkten die andern, daß das ihr Spiel, und<lb/>
vom Schle&#x017F;i&#x017F;chen Commandeur der oben an<lb/>
&#x017F;aß, bis zum ju&#x0364;ng&#x017F;ten Degen, lachte jezt alles,<lb/>
und alles trank dem Pfarrer auf &#x017F;eine Ge&#x017F;und-<lb/>
heit.</p><lb/>
        <p>Aber noch vor dem Abend machten, das<lb/>
weiß ich, vom Schlei&#x017F;i&#x017F;chen Kommandeur bis<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0145] uͤber dieſen Punkt habe ich einmal einen Geiſt- lichen vor einem Tiſch voll Junkeren und Pfaffen eine derbe Wahrheit ſagen hoͤren. Es war in der Steinmarch, und man re- dete an der Tafel von dem Unterſchied der Pfruͤnden, die in einem Marchamt gegen der Gewohnheit in der Naͤhe von den Schloͤſſern, beſſer ſind als in der Ferne davon. Da ſagte ein magerer Pfarrer, der unten am Tiſch ſaß, mit einer hellen, langſamen Stimm, die hinauf toͤnte, daß alle Maͤuler ſchwiegen; wenn’s recht waͤre Ihr Gnaden und Ihr Hoch- wuͤrden, ſo waͤrs allenthalben ſo. — Warum? Warum? Riefen ihm Ritter und Pfaffen hinab? Warum Ihr Hochwuͤrden und Gnaden? In der Naͤhe von Schloͤſſern hat man Teufel auszutreiben; wenn man da- von weg iſt, nur Kinder zu erziehen. Die Augen blizten den Hochwuͤrden und den Gnaden, da das Wort heraus war, aber ein Geſcheider unter ihnen, fieng an zu lachen, und des Pfarrers Geſundheit zu trinken. Da merkten die andern, daß das ihr Spiel, und vom Schleſiſchen Commandeur der oben an ſaß, bis zum juͤngſten Degen, lachte jezt alles, und alles trank dem Pfarrer auf ſeine Geſund- heit. Aber noch vor dem Abend machten, das weiß ich, vom Schleiſiſchen Kommandeur bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/145
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/145>, abgerufen am 04.12.2024.