Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Er sagte ihnen aber, haltet das Maul! --

Auch der Kriecher wollte so predigen. --

Er sagte ihm aber, ich kenn dich ja schon. --
Keiner machte es, ich möchte fast sagen so gut
als der alte Meyer, -- der kam hervor, wie
einer dem noch viel herausgehörte, und sagte,
was ich schuldig, das will ich zahlen, und wei-
ter und ferner ist es kein Schelmenstuk, wenns
einer hat und vermag, wenn er trinkt, bis er
genug hat. --

Es ist gar richtig, daß Saufen kein Schel-
menstuk ist, sagte der Junker, aber es führt
gern zu vielem.

Ich hab meiner Lebtag gehört, die größ-
ten Schelmen hüten sich vor dem Vollsaufen,
sagte der Meyer.

Und der Junker mußte lächen. --

Aber bald alle Augenblike kamen Männer,
Weiber, und Kinder, denen er gestern Armuths-
halber das Geld für eine Geiß vorgeschossen.
Es wunderte ihn, wie viel von diesen zusam-
men da seyen? und er befahl, daß wer immer
von den 27 Haushaltungen da seye, Männer,
Weiber, und Kinder, die sollen sich zu einan-
der an einen Haufen stellen, und es fande sich,
daß von den 27 Haushaltungen nicht drey
waren, aus denen nicht entweder der Vater
oder die Mutter oder ein Kind Wirthshaus-
schuldenhalber jezt vor ihm stuhnden.


Er ſagte ihnen aber, haltet das Maul! —

Auch der Kriecher wollte ſo predigen. —

Er ſagte ihm aber, ich kenn dich ja ſchon. —
Keiner machte es, ich moͤchte faſt ſagen ſo gut
als der alte Meyer, — der kam hervor, wie
einer dem noch viel herausgehoͤrte, und ſagte,
was ich ſchuldig, das will ich zahlen, und wei-
ter und ferner iſt es kein Schelmenſtuk, wenns
einer hat und vermag, wenn er trinkt, bis er
genug hat. —

Es iſt gar richtig, daß Saufen kein Schel-
menſtuk iſt, ſagte der Junker, aber es fuͤhrt
gern zu vielem.

Ich hab meiner Lebtag gehoͤrt, die groͤß-
ten Schelmen huͤten ſich vor dem Vollſaufen,
ſagte der Meyer.

Und der Junker mußte laͤchen. —

Aber bald alle Augenblike kamen Maͤnner,
Weiber, und Kinder, denen er geſtern Armuths-
halber das Geld fuͤr eine Geiß vorgeſchoſſen.
Es wunderte ihn, wie viel von dieſen zuſam-
men da ſeyen? und er befahl, daß wer immer
von den 27 Haushaltungen da ſeye, Maͤnner,
Weiber, und Kinder, die ſollen ſich zu einan-
der an einen Haufen ſtellen, und es fande ſich,
daß von den 27 Haushaltungen nicht drey
waren, aus denen nicht entweder der Vater
oder die Mutter oder ein Kind Wirthshaus-
ſchuldenhalber jezt vor ihm ſtuhnden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0211" n="189"/>
        <p>Er &#x017F;agte ihnen aber, haltet das Maul! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Auch der Kriecher wollte &#x017F;o predigen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;agte ihm aber, ich kenn dich ja &#x017F;chon. &#x2014;<lb/>
Keiner machte es, ich mo&#x0364;chte fa&#x017F;t &#x017F;agen &#x017F;o gut<lb/>
als der alte Meyer, &#x2014; der kam hervor, wie<lb/>
einer dem noch viel herausgeho&#x0364;rte, und &#x017F;agte,<lb/>
was <hi rendition="#g">ich</hi> &#x017F;chuldig, das will ich zahlen, und wei-<lb/>
ter und ferner i&#x017F;t es kein Schelmen&#x017F;tuk, wenns<lb/>
einer hat und vermag, wenn er trinkt, bis er<lb/>
genug hat. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t gar richtig, daß Saufen kein Schel-<lb/>
men&#x017F;tuk i&#x017F;t, &#x017F;agte der Junker, aber es fu&#x0364;hrt<lb/>
gern zu vielem.</p><lb/>
        <p>Ich hab meiner Lebtag geho&#x0364;rt, die gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Schelmen hu&#x0364;ten &#x017F;ich vor dem Voll&#x017F;aufen,<lb/>
&#x017F;agte der Meyer.</p><lb/>
        <p>Und der Junker mußte la&#x0364;chen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber bald alle Augenblike kamen Ma&#x0364;nner,<lb/>
Weiber, und Kinder, denen er ge&#x017F;tern Armuths-<lb/>
halber das Geld fu&#x0364;r eine Geiß vorge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Es wunderte ihn, wie viel von die&#x017F;en zu&#x017F;am-<lb/>
men da &#x017F;eyen? und er befahl, daß wer immer<lb/>
von den 27 Haushaltungen da &#x017F;eye, Ma&#x0364;nner,<lb/>
Weiber, und Kinder, die &#x017F;ollen &#x017F;ich zu einan-<lb/>
der an einen Haufen &#x017F;tellen, und es fande &#x017F;ich,<lb/>
daß von den 27 Haushaltungen nicht drey<lb/>
waren, aus denen nicht entweder der Vater<lb/>
oder die Mutter oder ein Kind Wirthshaus-<lb/>
&#x017F;chuldenhalber jezt vor ihm &#x017F;tuhnden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0211] Er ſagte ihnen aber, haltet das Maul! — Auch der Kriecher wollte ſo predigen. — Er ſagte ihm aber, ich kenn dich ja ſchon. — Keiner machte es, ich moͤchte faſt ſagen ſo gut als der alte Meyer, — der kam hervor, wie einer dem noch viel herausgehoͤrte, und ſagte, was ich ſchuldig, das will ich zahlen, und wei- ter und ferner iſt es kein Schelmenſtuk, wenns einer hat und vermag, wenn er trinkt, bis er genug hat. — Es iſt gar richtig, daß Saufen kein Schel- menſtuk iſt, ſagte der Junker, aber es fuͤhrt gern zu vielem. Ich hab meiner Lebtag gehoͤrt, die groͤß- ten Schelmen huͤten ſich vor dem Vollſaufen, ſagte der Meyer. Und der Junker mußte laͤchen. — Aber bald alle Augenblike kamen Maͤnner, Weiber, und Kinder, denen er geſtern Armuths- halber das Geld fuͤr eine Geiß vorgeſchoſſen. Es wunderte ihn, wie viel von dieſen zuſam- men da ſeyen? und er befahl, daß wer immer von den 27 Haushaltungen da ſeye, Maͤnner, Weiber, und Kinder, die ſollen ſich zu einan- der an einen Haufen ſtellen, und es fande ſich, daß von den 27 Haushaltungen nicht drey waren, aus denen nicht entweder der Vater oder die Mutter oder ein Kind Wirthshaus- ſchuldenhalber jezt vor ihm ſtuhnden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/211
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/211>, abgerufen am 27.11.2024.