Vögtin. Wir wollen dann einandermal sprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und sieh, ob du etwas bey ihr ausrichten könnest? Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannst aus ihr herausloken, so ist es das; aber es wäre uns doch auch so wohl wenn wir des Vetters halber könnten ruhig schlaffen.
Vogt. Ja, -- aber wenn denn der Jun- ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?
Vögtin. Du bleibst ein Kind, wenn du hundert Jahr alt wirst, du solltest sie doch auch besser kennen als ich, aber ich will mei- nen Kopf zum Pfand sezen, wenn sie auch den Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, sie sagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir zum Nachtheil gereichen kann.
Vogt. Ich glaub das endlich auch.
Nun so geh einmal sagte ihm die Frau, und er mußte, wenn er schon noch zweymal sagte, es sey morn am Morgen auch noch früh genug und dergleichen.
Zu seinem Glük traf er sie nicht bey Haus an. Aber die Vögtin meynte, er sey nicht einmal da gewesen; er mußte ihr eine Weile links und rechts Rechenschaft geben, und er- klären, wie, wo, wenn, eh sie ihm glaubte.
Und das war ihr noch nicht genug, sie ist eine Zwingnärrin wenn sie sich etwas in den Kopf sezt. Sie schikte noch diesen Abend zur
Voͤgtin. Wir wollen dann einandermal ſprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und ſieh, ob du etwas bey ihr ausrichten koͤnneſt? Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannſt aus ihr herausloken, ſo iſt es das; aber es waͤre uns doch auch ſo wohl wenn wir des Vetters halber koͤnnten ruhig ſchlaffen.
Vogt. Ja, — aber wenn denn der Jun- ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?
Voͤgtin. Du bleibſt ein Kind, wenn du hundert Jahr alt wirſt, du ſollteſt ſie doch auch beſſer kennen als ich, aber ich will mei- nen Kopf zum Pfand ſezen, wenn ſie auch den Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, ſie ſagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir zum Nachtheil gereichen kann.
Vogt. Ich glaub das endlich auch.
Nun ſo geh einmal ſagte ihm die Frau, und er mußte, wenn er ſchon noch zweymal ſagte, es ſey morn am Morgen auch noch fruͤh genug und dergleichen.
Zu ſeinem Gluͤk traf er ſie nicht bey Haus an. Aber die Voͤgtin meynte, er ſey nicht einmal da geweſen; er mußte ihr eine Weile links und rechts Rechenſchaft geben, und er- klaͤren, wie, wo, wenn, eh ſie ihm glaubte.
Und das war ihr noch nicht genug, ſie iſt eine Zwingnaͤrrin wenn ſie ſich etwas in den Kopf ſezt. Sie ſchikte noch dieſen Abend zur
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Voͤgtin. Wir wollen dann einandermal
ſprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und
ſieh, ob du etwas bey ihr ausrichten koͤnneſt?
Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannſt aus
ihr herausloken, ſo iſt es das; aber es waͤre
uns doch auch ſo wohl wenn wir des Vetters
halber koͤnnten ruhig ſchlaffen.
Vogt. Ja, — aber wenn denn der Jun-
ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?
Voͤgtin. Du bleibſt ein Kind, wenn du
hundert Jahr alt wirſt, du ſollteſt ſie doch
auch beſſer kennen als ich, aber ich will mei-
nen Kopf zum Pfand ſezen, wenn ſie auch den
Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, ſie
ſagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir
zum Nachtheil gereichen kann.
Vogt. Ich glaub das endlich auch.
Nun ſo geh einmal ſagte ihm die Frau,
und er mußte, wenn er ſchon noch zweymal
ſagte, es ſey morn am Morgen auch noch fruͤh
genug und dergleichen.
Zu ſeinem Gluͤk traf er ſie nicht bey Haus
an. Aber die Voͤgtin meynte, er ſey nicht
einmal da geweſen; er mußte ihr eine Weile
links und rechts Rechenſchaft geben, und er-
klaͤren, wie, wo, wenn, eh ſie ihm glaubte.
Und das war ihr noch nicht genug, ſie iſt
eine Zwingnaͤrrin wenn ſie ſich etwas in den
Kopf ſezt. Sie ſchikte noch dieſen Abend zur
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/224>, abgerufen am 26.11.2024.
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