Und da sie gehört, er könne nicht leiden, wenn jemand nicht sauber gewaschen, gestrehlt vor ihn komme, sagten die guten Kinder es eines dem andern, giengen mit ihren Müttern zum Bach, und zum Brunnen, liessen sich Hals, Kopf und Hände reiben, wie noch nie, und schrien nicht, so sehr sie ihnen die ver- wirrten wilden Haare rauften.
Und was ihre Mütter im hintersten Win- kel schöns und guts hatten, das mußten sie ihnen anlegen.
Es war nicht viel; ihrer viele hatten nichts anders als schwarze Lumpen. Was will ich sa- gen, ihrer viele konnten sie nicht einmal recht strehlen und waschen.
Es kommt mir übers Herz zusagen, wie weit es mit armen Leuthen kommt die, das Jahr kommt und das Jahr geht, keinen Ehren- und keinen Freuden-Anlaß haben, der sie auch etwann zur Ordentlichkeit und Säuber- lichkeit aufmuntern könnte.
Das machte, daß die Gertrud, die Reinol- din, und das Mareylj vom Morgen da sie das Licht brauchten bis fast Mittag so alle Händ voll zuthun hatten als vor Jahren die Mütter in Zürich am Bächtelj-(Neujahrs) Tag.
Die guten Weiber waschten und strehlten ihrer viele noch einmal und entlehneten ihnen Schuh, Strümpf, und Kleider, was sie auf- treiben konnten, daß der Zug schön werde.
Und da ſie gehoͤrt, er koͤnne nicht leiden, wenn jemand nicht ſauber gewaſchen, geſtrehlt vor ihn komme, ſagten die guten Kinder es eines dem andern, giengen mit ihren Muͤttern zum Bach, und zum Brunnen, lieſſen ſich Hals, Kopf und Haͤnde reiben, wie noch nie, und ſchrien nicht, ſo ſehr ſie ihnen die ver- wirrten wilden Haare rauften.
Und was ihre Muͤtter im hinterſten Win- kel ſchoͤns und guts hatten, das mußten ſie ihnen anlegen.
Es war nicht viel; ihrer viele hatten nichts anders als ſchwarze Lumpen. Was will ich ſa- gen, ihrer viele konnten ſie nicht einmal recht ſtrehlen und waſchen.
Es kommt mir uͤbers Herz zuſagen, wie weit es mit armen Leuthen kommt die, das Jahr kommt und das Jahr geht, keinen Ehren- und keinen Freuden-Anlaß haben, der ſie auch etwann zur Ordentlichkeit und Saͤuber- lichkeit aufmuntern koͤnnte.
Das machte, daß die Gertrud, die Reinol- din, und das Mareylj vom Morgen da ſie das Licht brauchten bis faſt Mittag ſo alle Haͤnd voll zuthun hatten als vor Jahren die Muͤtter in Zuͤrich am Baͤchtelj-(Neujahrs) Tag.
Die guten Weiber waſchten und ſtrehlten ihrer viele noch einmal und entlehneten ihnen Schuh, Struͤmpf, und Kleider, was ſie auf- treiben konnten, daß der Zug ſchoͤn werde.
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[204/0226]
Und da ſie gehoͤrt, er koͤnne nicht leiden,
wenn jemand nicht ſauber gewaſchen, geſtrehlt
vor ihn komme, ſagten die guten Kinder es
eines dem andern, giengen mit ihren Muͤttern
zum Bach, und zum Brunnen, lieſſen ſich
Hals, Kopf und Haͤnde reiben, wie noch nie,
und ſchrien nicht, ſo ſehr ſie ihnen die ver-
wirrten wilden Haare rauften.
Und was ihre Muͤtter im hinterſten Win-
kel ſchoͤns und guts hatten, das mußten ſie
ihnen anlegen.
Es war nicht viel; ihrer viele hatten nichts
anders als ſchwarze Lumpen. Was will ich ſa-
gen, ihrer viele konnten ſie nicht einmal recht
ſtrehlen und waſchen.
Es kommt mir uͤbers Herz zuſagen, wie
weit es mit armen Leuthen kommt die, das
Jahr kommt und das Jahr geht, keinen Ehren-
und keinen Freuden-Anlaß haben, der ſie
auch etwann zur Ordentlichkeit und Saͤuber-
lichkeit aufmuntern koͤnnte.
Das machte, daß die Gertrud, die Reinol-
din, und das Mareylj vom Morgen da ſie das
Licht brauchten bis faſt Mittag ſo alle Haͤnd
voll zuthun hatten als vor Jahren die Muͤtter
in Zuͤrich am Baͤchtelj-(Neujahrs) Tag.
Die guten Weiber waſchten und ſtrehlten
ihrer viele noch einmal und entlehneten ihnen
Schuh, Struͤmpf, und Kleider, was ſie auf-
treiben konnten, daß der Zug ſchoͤn werde.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/226>, abgerufen am 26.11.2024.
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